Bayern 2 - Heimatspiegel


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Bumeders Buchtipps Die Bayerische Bücherschau Ostern 2015

Ein gutes Buch ist auch ein gutes Ostergeschenk. Die Zahl der Neuerscheinungen ist groß, auch an bayerischen Büchern. Um die Auswahl zu erleichtern, stellt Franz Bumeder seine Lieblingstitel aus und über Bayern vor.

Von: Franz Bumeder

Stand: 28.03.2015 | Archiv

Bücherstapel im Gras | Bild: colourbox.com

Die besprochenen Titel im Einzelnen:

Bücherliste Bücherschau Ostern 2015

  • Gürtler, Franziska u.a.: 50 historische Wirtshäuser in Niederbayern. Verlag Friedrich Pustet/Dr. Peter Morsbach Verlag
  • Haversath Johann-Bernhard: Kleine Geschichte des Bayerischen Waldes. Verlag Friedrich Pustet
  • Rieder Stefan: Vom Armenhaus zur Aufsteigerregion. edition vulpes Bezirk Niederbayern/Kulturreferat
  • Gruber Roswitha: Ein Bauernleben. Rosenheimer Verlagshaus
  • Fenzl Fritz: Magische Glücksorte in Bayern. Rosenheimer Verlagshaus
  • Fellmann Julia: Der Schatten und sein Meister. Volk Verlag
  • Becker Herbert: Blutwurz – Mord in der Karpfenteichsiedlung. Südost Verlag
  • Graw Theresia: Glück ist nichts für schwache Nerven. Blanvalet
  • Essig Jens: Mythos Lechfeldschlacht – eine Spurensuche. in: Bayerische archäologie Heft 1 2015

Sollten Sie in den jetzt beginnenden Osterferien einen Ausflug nach Niederbayern planen oder in diesem wunderschönen Regierungsbezirk wohnen, dann haben Sie sicherlich irgendwann auch Hunger und Durst.

Reiseführer gibt es nun viele, die beim gastronomischen Zusammenstellen der Reiseroute behilflich sind. Und damit wäre auch Goethes Erkenntnis aus „Wilhelm Meisters Wanderjahren“ umgesetzt:

"Eine der schönsten Erfindungen neuerer Zeit sey das Speisen nach der Karte."

 Geheimrat Goethe

Fast zweihundert Jahre ist diese Erkenntnis alt – und sie steht als Geleitwort über einem Band, der „50 historische Wirtshäuser in Niederbayern“ empfiehlt.  Eigentlich das falsche Geleitwortwort, denn um Speisekarten geht es in dem reichlich bebilderten Buch überhaupt nicht. Es geht um das Ambiente, um Fassaden, Räume, Gärten, Bäume. Um das Drumherum also. Und das liest sich dann so:

"Der oberste Biergarten liegt direkt unter der Stadtmauer und ab Mittag in der Sonne. Von hier führt auch ein Gang durch die Mauer in die Stadt - wer den wohl einst benutzt hat?"

Über die Gaststätte Unterm Rain in Straubing

Auszug aus dem Kapitel „die historische Gaststätte Unterm Rain in Straubing“. Wie gesagt, auf kulinarische Empfehlungen verzichtet der Band. Sonstige Informationen wie Post- und Internetadresse sowie Telefonnummern und Öffnungszeiten sind aber zu allen 50 empfohlenen Wirtshäusern angegeben. Nur Schade, dass das Werk nur als Hard Cover existiert, als zusätzliche Taschenbuchausgabe würde es in kleinen Rucksack oder Fahrradtasche gut passen.

Und noch ein Ausflug in die Historie: Der Regensburger Pustet-Verlag setzt seine Reihe „Kleine Geschichte“ fort und widmet den neuesten Band dem Bayerischen Wald. Wie schon die Vorgänger ist auch dieses kleine Werk rundum gelungen. Keine Aneinanderreihung von Zahlen und Fakten, sondern lebendig erzählte Kapitel aus der Wirtschafts- und Kulturgeschichte dieser Region am Rande des Freistaats. Einziger Schwachpunkt: Da nicht alle Leser sozusagen „Woid-Spezialisten“ sind, wäre eine Übersichtskarte manchmal mehr als hilfreich. Denn wer weiß schon auswendig, wo etwa Thyrnau, Rinchnach oder Leopoldsreuth liegen bzw. lagen.

Mit dem Bayerischen Wald beschäftigt sich auch eine andere Neuerscheinung, wenn auch nur am Rande. Es geht um den ersten Band einer Schriftenreihe „Heimat Niederbayern“. Er trägt den etwas reißerischen Titel „Vom Armenhaus zur Aufsteigerregion“. Dabei sind diese Begriffe nichts anderes als Zitate. Der frühere Landshuter Oberbürgermeister Albin Lang prägte 1949 das „Armenhaus“ und von Ex-Wirtschaftsminister Erwin Huber stammt 2008 das stolze Wort von der „Aufsteigerregion“. Genau diesen Zeitraum und die Entwicklung skizziert der Landshuter Kreisheimatpfleger Stefan Rieder in seiner Monographie. Dabei spielen persönliche Erinnerung des Autors eine Rolle, die er im Vorwort kurz anspricht. Zitat:

"Als Jahrgang 1986 in einer ländlichen, aber dennoch modernen Gesellschaft aufgewachsen, hatte es für mich immer etwas faszinierendes, meinen Eltern, Onkeln und Tanten bei ihren Erzählungen über längst vergangene Zeiten zuzuhören. wie vielen aus meiner Generation, so schienen auch mir die Berichte von Kriegsheimkehrern, und Heimatvertriebenen, von Mägden und Knechten, von endlos langen Schulwegen und Kirchgängen, von harter Feldarbeit und tiefer Religiosität wie aus einer anderen Welt entnommen."

Stefan Rieder

Niederbayern anno dazumal. Was sich seither getan hat, zeigt Rieder in übersichtlich gegliederten Kapiteln. Besonders lesenswert: die Seiten, in denen sich der studierte Historiker und Wirtschaftswissenschaftler mit Identitäten beschäftigt. Nicht einfach zu lesen, sicherlich keine Unterhaltungslektüre. Wer sich, durchaus auch von einer fachfremden Perspektive, für die rasante Entwicklung eines konservativ geprägten Bauernlandes hin zu einer modernen Industriegesellschaft interessiert, der sollte diesen ersten Band der hoffentlich fortgesetzten Reihe „Heimat Niederbayern“ beschaffen.

Heimat ganz anders, aber nicht weniger spannend, beschreibt Roswitha Gruber in ihrem Roman „Ein Bauernleben“. Obwohl, ein Roman im eigentlichen Sinn ist diese Neuerscheinung gar nicht. Beruht sie doch vorwiegend auf Tatsachen, auf den Erzählungen des alten Ehepaares Edelhofer aus dem Landkreis Mühldorf, das eines Tages plötzlich vor der Haustür der Autorin stand. Herr Edelhofer überreicht Roswitha Gruber ein Plastiktüte mit den Worten:

"Wir haben da mal ein bisschen aus unserem Leben aufgeschrieben. Vielleicht können Sie ein Buch daraus machen."

Edelhofer

Rund 250 Seiten sind daraus geworden, Familiengeschichte oder besser Geschichten, von 1920 bis 2010, erzählt aus der Ich-Perspektive der Protagonisten Toni und Ottilie, z.B. als diese merkt, dass ihre Schwerster von der Mutti an eine Tante weggeben wurde:

"Am nächsten Morgen gähnte mich als erstes Resis leeres Bett an, und ich hatte ein Gefühl in der Brust, als lagere dort ein schwerer Klumpen. Aber nicht nur mein Kummer war es, der mich bedrückte, sondern vor allem auch die Sorge um meine Schwester."

Roswitha Gruber

Einfache klare, nie beschönigende oder romantisierende  Sprache, als Leser sieht man die beiden alten Leute direkt vor sich, wie sie erzählen. Und: einmal mit diesen Geschichten angefangen, will man bei jedem Kapitel unbedingt wissen, wie es weiter geht. Soviel sei verraten: Nach Jahrzehnten findet Ottilie ihre Schwester wieder. 

Ein gewisser Zugang zur Esoterik sollte Voraussetzung sein, wenn man das neueste Buch von Fritz Fenzl genießen will. „Magische Glücksorte in Bayern beschreibt der Autor, der es sich offenbar zur Lebensaufgabe gemacht hat, überall solche Glücks- oder Kraftorte zu entdecken. Schon auf seiner Homepage schreibt der 1952 geborene promovierte Theologe Zitat:

"Ab sofort will ich Sie in loser Reihenfolge in die Welt der Kelten, der Druiden und Hexen, einführen und Ihnen die interessantesten Kraftorte in Bayern vorstellen."

Fritz Fenzl

Warum allerdings der Schliersee (Untertitel: Zwei Quadratkilometer kosmische Einstrahlungsfläche) oder das Kreuztor in Ingolstadt (Untertitel: Das Glück braucht immer einen Einlass) Glücksorte und noch dazu magisch sein sollen, die Antwort bleibt mehr als vage.

Magisch oder nicht, schöne Bilder zeigt das Buch auf jeden Fall, sich dadurch zu dem einen oder anderen Ausflug inspirieren lassen, ist auch nie verkehrt.  

Inspirieren lassen könnte man sich durchaus auch von so manchem Krimi oder besser, wir sind ja bei einer bayerischen Bücherschau, von so manchem Regionalkrimi. Bei der inflationären Entwicklung dieser  Geschichten, spannend angeblich und mit Lokalkolorit, meist aber austauschbar und wie vom Reißbrett, ist Inspiration nur selten gegeben. Zwei Ausnahmen – ansatzweise zumindest.

Um Vergewaltigung und Bedrohung geht es in Julie Feldmanns zweitem Roman rund um den Münchner Kommissar Alexander García. Nach etlichen Hängern im ersten Drittel dieses Krimis kommt die bekannte Drehbuchautorin langsam auf den Punkt – und ab da kann der Leser einen echten München-Krimi genießen. So störend gelegentlich Adressen und genaue Ortsangaben in fiktiven Geschichten sind, hier gehören sie zum Genre des Regionalkrimis. Wer die Landeshauptstadt und ihre Stadtviertel kennt, der kann die Nach-Wiesn-Zeit mit der damit einhergehenden beginnenden Herbstdepression fühlbar mit erleben.

"Garcia hatte es vermieden,  zum großen Wiesn-Areal hinunterzusehen, auf dem die Reste des Oktoberfestes abgebaut wurden und das in diesem Zustand auf ihn furchtbar trostlos wirkte. Allein die Geräusche – das Hämmern und Klopfen der Arbeiter, die Fahrgeschäfte zerlegten und Bierzelte in kahle Gerippe verwandelten – drangen schon so deprimierend an seine Ohren."

Julia Feldmann

Und gleich noch ein München-Krimi. Herbert Becker, der sich als Autor längerer Radioreportagen im Bayerischen Rundfunk einen Namen gemacht hat, legt mit „Blutwurz“ einen wie er selbst sagt, „Krimi aus der Münchner Vorstadt“ vor. Und da macht schon der Cover-Text Lust aufs Lesen:

"Franz Detterbeck kann nichts wegwerfen. Alles hebt er auf. Fortwährend verliert er sich in Nebensächlichkeiten oder träumt sich zurück in die Fünfzigerjahre. Er schwärmt von Italien, sitzt aber ständig auf seiner Terrasse und trinkt Weißbier. Er hat 25 Kilo Übergewicht – und ein gutes Herz."

Auszug aus 'Blutwurz'

Und dieser Franz Detterbeck wird plötzlich in einen Mordfall verwickelt, der ihn, der sein ganzes Leben in seiner Vorstadt verbracht hat, dort plötzlich zum Außenseiter macht. „Blutwurz“ – teils Krimi, teils Milieu-Studie. Lesenswert!

Und noch eine Kollegin mit Gehversuchen auf dem Buchmarkt: Theresia Graw, im Hauptberuf Nachrichtenredakteurin beim Bayerischen Rundfunk,  schickt in ihrem zweiten Roman „Glück ist nichts für schwache Nerven“ ihre Protagonistin auf Vatersuche.

Der Roman spielt größtenteils am Starnberger See, die Örtlichkeiten sind gründlich recherchiert und stilistisch souverän umgesetzt. Und: lustig ist die ganze Geschichte auch noch. Fragt sich, warum eine Nachrichtenspezialistin gelegentlich zur Romanautorin mutiert.

Und die Geschichte, soviel kann verraten werden, geht gut aus.

Bayerische Archäologie

Zeitschriften gehören ja nicht unbedingt zu einer Bücherschau. Dass eine Zeitschrift, noch dazu eine Fachzeitschrift als Osterlektüre dienen kann, beweist die jüngste Ausgabe der „Bayerischen Archäologie“. Da kann man etwa einiges über Bayerns Dinosaurier lesen, über den Plateosaurus oder – natürlich – den Archaeopteryx, über Fundstätten von Fossilien und vieles mehr. Reichlich bebildert und verständlich formuliert. Verständlich auch ein Artikel, durch den der Zeitschriftenverlag bereits die Geschichte umgeschrieben sieht. Behauptet doch der Autor, der Schatzsucher und Fernsehdokumentarfilmer Jens Essig, die berühmte Schlacht auf dem Lechfeld, in der Otto der Große 955 das Reiterheer der Ungarn entscheidend besiegte, habe im Nördlinger Ries stattgefunden. Essig, der dort ungarische Pfeilspitzen entdeckt hat, zieht auch so genannte Ungarnwälle im Ries als Beweis für seine These heran:

Dass die berühmte Schlacht auf Grund der Quellenlage nicht am Lechfeld lokalisiert werden kann, das geben übrigens auch historische Experten zu. Also dürfen sich ruhig auch historisch interessierte Laien einfach so ihre Gedanken machen – beim Schmökern in der „Bayerischen Archäologie“.


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