Bayern 2 - Hörspiel


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Überraschungsbesuch bei einer großen Dadaistin Readytape „Bei Hannah Höch, Berlin-Heiligensee, 12. August 1977“

Readytape · Unangemeldet besucht Bernd Baader, Neffe des Dadaisten Johannes Baader, 1977 die 87-jährige Grafikerin und Miterfinderin der Fotomontage Hannah Höch in Berlin und dokumentiert das Treffen von der ersten bis zur letzten Sekunde auf Tonband.

Stand: 12.08.2021 | Archiv

Illustration | Bild: picture alliance/akg-images

"Ein Readytape ist ein vorgefundenes Tonband, das unbearbeitet, ungeschnitten zum Hörspiel erklärt und zur Sendung gebracht werden kann. Ein Readytape ist also eine Manifestation, die davon ausgeht, daß jeder technische Eingriff, jede Veränderung eines vorgefundenen Bandes eine unnötige Ästhetisierung bedeutet und Informationen abschneidet bzw. verfälscht und auf ein Ergebnis hinausläuft, das korrekterweise mit dem Etikett besser als echt versehen werden sollte... Sounds like Hörspiel: es sind neben den intendierten auch die nicht-intendierten Informationen, die den Charakter eines Bands bestimmen: die bewußten oder unbewußten Selbstinszenierungsversuche von Gesprächspartnern beispielsweise, die eine Aufnahmesituation überspielen sollen oder die zusätzlichen akustischen Informationen wie Bandrauschen, Aufnahme-Mängel, Überlagerungen, die durch unsauberes Löschen oder unscharfe Spurentrennung zustandekommen. Readytapes können Zufallsprodukte oder Konzept-Relikte sein. … Es können Funde sein, Spulen, die aus Archiven stammen, aus Nachlässen etc. Es sind Aufnahmen, die zum Hörspiel erklärt werden, ohne bearbeitet worden zu sein." Herbert Kapfer, Readytapes Definition, 1992

Bernd Baaders Readytape dokumentiert einen Überraschungsbesuch bei der Künstlerin und Dadaistin Hannah Höch von der ersten bis zur letzten Sekunde.

"Als ich während meiner Tätigkeit als Grafik-Designer beim Süddeutschen Rundfunk Stuttgart, Helmut Heißenbüttel, den Redakteur des Radio-Essay, in den Siebziger Jahren kennenlernte, und er von meiner Verwandtschaft als Neffe des Dadaisten Johannes Baader erfuhr, bat er, ich solle mich doch mit dem Dadaismus näher befassen und in meiner Familie nach bisher noch Unbekanntem forschen. Ich ließ mich darauf ein, und es ergaben sich im Laufe der Jahre viele Kontakte mit Dada-Forschern. Es entstanden zwei Rundfunksendungen, Vorträge und Dokumentations-Ausstellungen teils mit Rezitationen von Dada-Texten. Mit dem Dadaismus noch wenig vertraut damals, flog ich im August 1977 nach Berlin, um die umfangreiche  Ausstellung Tendenzen der Zwanziger Jahre zu sehen. – Und dann schon in Berlin, wollte ich gleichzeitig die Möglichkeit nutzen, die mir noch unbekannte Malerin Hannah Höch in Berlin-Heiligensee, An der Wildbahn 33, spontan zu besuchen. Sie hatte in den Zwanziger Jahren eine Freundschaft mit Johannes Baader. Unangemeldet und mit zwiespältigem Gefühl vor ihrem Haus angekommen, drückte ich den Klingelknopf."

Bernd Baader

Bernd Baader: Bei Hannah Höch, Berlin-Heiligensee, 12. August 1977

Readytape
BR 2017, Länge: ca. 72‘

Hannah Höch (Gotha 1889–1978 Berlin), Ausbildung zum Kunstgewerbe in Berlin; beteiligt an Dada-Berlin; mit Raoul Hausmann Erfindung der Fotomontage; umfangreiches Werk an Collagen, Gemälde, Zeichnungen, u.a. die Serie Aus einem ethnographischen Museum; seit Mitte der 1950er Jahre zahlreiche internationale Ausstellungen.

Bernd Baader (geb. 1937), Studium Grafik-Design und Malerei an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste, Stuttgart; fast vier Jahrzehnte tätig als Grafiker beim SDR; Dada-Forscher; Maler; seit 1982 über 40 Ausstellungen.


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