Hörspiel des Jahres 2012 "Orphée Mécanique" von Felix Kubin
"Mit ‚Orphée Mécanique‘ rückt der Akustikkünstler, Musiker und Hörspielmacher Felix Kubin den Orpheus-Mythos ins Zentrum einer Auseinandersetzung mit dem Phänomen der Wiederholung - in Liebe, Medien und Kunst. Der Schauspieler und Sänger Lars Rudolph gibt als gefeierter Star Orphée Konzerte für die nach Geschichten aus der Welt der Lebenden gierenden Schatten. Orphée singt und spielt dabei mit einem Hirnstrom-Sound-Konverter namens ‚Psykotron‘ von einer Oberwelt, in der ‚jeder Tag ein Arbeitstag‘ ist, die sich also in ihrer eintönigen Gleichförmigkeit kaum von der Unterwelt unterscheidet. Kubins Orpheus-Figur befindet sich wie in der antiken Überlieferung auf der Suche nach seiner Geliebten. Allerdings jagt er ein ums andere Mal einer unerreichbaren Projektion seiner Liebe nach. Für ihn gibt es keinen Ausweg aus der sich ewig wiederholenden Suche, denn als mechanischer Orpheus hat er die Fähigkeit zum selbstbestimmten Handeln verloren. Songs mit Ohrwurmqualität ragen aus der Erzählung des Mythos heraus und treiben sie akustisch und inhaltlich vor sich her."
Jurybegründung Hörspiel des Jahres 2012
"Eine großartige Parabel auf unser mediales Zeitalter und zugleich auf das Künstlerdasein heute: Der Hörspielmacher, Elektromusiker und Produzent Felix Kubin hat in seinem akustischen Kunstwerk 'Orphée Mécanique' den antiken Orpheus-Mythos in eine futuristische Moderne übertragen. Töne und Stimmen, Musik und Klang wirken auf faszinierende Weise zusammen, durchdacht und präzise aufeinander abgestimmt. Hier werden Sprache, Gesänge und Geräusche, akustische Effekte und experimentelle Pop-Elemente virtuos orchestriert – und Lars Rudolph mit seiner markanten Stimme verkörpert einen ratlosen Popstar Orpheus 'in der Endlosschleife auf der ewigen Suche nach der ewigen Liebe'. Felix Kubin hat ein suggestives, traumwandlerisches Hörerlebnis geschaffen, das neue Wege eröffnet."
Jurybegründung Deutschen Hörbuchpreis des Jahres 2014, Kategorie: Bestes Hörspiel
Unbekümmertes Dandy-Dasein
Orpheus, Sohn eines Erfinders und einer Sängerin, wird von der versprengten Jugend für seine exzentrischen Konzerte gefeiert. Sein Instrument, das Psykotron, kann Gedankenströme unmittelbar in elektronische Signale aus Musik, Geräuschen und Sprache verwandeln. Zusammen mit seiner großen Liebe Eura führt Orpheus ein unbekümmertes Dandy-Dasein, bis eines Tages die Stadt von einer unheimlichen Krankheit heimgesucht wird, der auch Eura zum Opfer fällt. Betäubt vom Schmerz beschließt Orpheus, sie aus der Welt der Toten zurückzuholen.
"In Felix Kubins Hörstück hängt Orpheus auf der Suche nach seiner großen Liebe in einem Loop fest und verzweifelt fast daran, dass er selbst nicht mehr weiss, was er eigentlich sucht. Immer wieder muss er hinab in die Unterwelt. Aus dem Prinzip der ewigen Wiederholung, der vollautomatisierten Langeweile und Leere kann ihn die Kunst und die Musik nur dann erlösen, wenn er sich seiner Geschichte und seinem Unterbewussten stellt. Seine lebendigen Erinnerungen werden so zu Songs mit Hit-Potenzial, die selbst das Totenreich vorübergehend in einen tanzbaren Ort verwandeln."
Katarina Agathos
Pop-Art-Comic
Felix Kubin entwickelte 2006 seine Neufassung des antiken Orpheus-Mythos’ in Anlehnung an Dino Buzzatis ungewöhnlichen Pop-Art-Comic Orphi und Eura, mit dem der italienische Autor und Zeichner 1968 kurz vor seinem Tod ein überraschend modernes Spätwerk geschaffen hatte. Orpheus’ Lieder wurden in diesem akustischen Comic zu hörbar gemachten Erinnerungen, die den Begriff des Songs über seine traditionellen Grenzen hinaus ins Experimentelle und Fragmentarische erweitern. 2012 hat Kubin sich noch einmal mit der Formfrage auseinandergesetzt und aus dem handlungsorientierten Comic einen assoziativen akustischen Film gemacht.
"Ich nenne es meine Godard-Version. Mal sehen. Man hat das Buch sozusagen vor Augen, man blättert darin, hin und her, aber man ist nicht mehr IN der Geschichte. Die Form ist flüchtiger, lyrischer. Ich würde das abgegriffene Wort Remix gerne vermeiden, es ist eher ein Schleudersitz, der den Hörer aus der Linearität der Geschichte wirft, die Durchtrennung des roten Fadens, der roten Nabelschnur, so etwas wie ein Metahörspiel, eine Parabel, eine poetische Auflösung, die Motive der ursprünglichen Geschichte verwendet, aber offener, experimenteller. Ein Traum, eine poetische Collage vielleicht. Es ist Orpheus’ musique mécanique."
Felix Kubin
Felix Kubin: Orphée Mécanique
Mit Lars Rudolph, Gerhard Garbers, Yvon Jansen, Charlotte Crome, Traugott Buhre, Marlen Diekhoff
Chor: Yvon Jansen, Leéna Fahje, Nikola Duric
Orchester: ensemble Intégrales
Komposition und Realisation: Felix Kubin
Dramaturgie: Katarina Agathos
BR 2006/2012, Länge: 50'57
Felix Kubin, geb. 1969 in Hamburg, Musiker, Komponist, Autor. 1998 Gründung des Plattenlabels "Gagarin Records". Zahlreiche Kompositionen für Film- und Theatermusik. Hörspiele u.a. "Syndikat für Gegenlärm" (DLR 2001), "Nachtspeicher" (mit Boris D. Hegenbart, WDR 2003), "Territerrortorium" (mit Wojtek Kucharczyk, ORF/DLR 2004), "Paralektronoia" (WDR 2004)," Wiederhole 1-8" (WDR 2008).