Bayern 2 - Hörspiel


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Künstlerin von Weltruhm Songs zu Leonora Carringtons short stories

Carrington wächst in einer wohlhabenden englischen Industriellenfamilie wie im goldenen Käfig auf. Nachdem sie von ihren Eltern am englischen Hof vorgestellt wurde, beschließt sie: "Ihr habt euren Spaß gehabt, jetzt werde ich den meinen besorgen" und beginnt in London Kunst zu studieren.

Stand: 01.06.2017

Leonora Carrington | Bild: picture-alliance/dpa

In ihrer Erzählung Die Debütantin schickt die Surrealistin Leonora Carrington eine Hyäne auf einen Ball. Als einzige Tochter in einer wohlhabenden englischen Industriellenfamilie wie im goldenen Käfig aufgewachsen ("Meine Mutter sah ich am Tag nur ein einziges Mal: wenn ich von meiner Gouvernante zum Tee geführt wurde"), mutet bereits Carringtons Kindheit und Jugend wie eine Gartenparty mit Hyänen an: Sie vertreibt sich die Langeweile mit Märchen, Gespenster- und Horrorgeschichten und den Erzählungen von Lewis Carroll. Schon als Kind beginnt sie selbst zu malen und zu erfinden. Nachdem sie von ihren Eltern am englischen Hof vorgestellt wurde, beschließt sie: "Ihr habt euren Spaß gehabt, jetzt werde ich den meinen besorgen" und beginnt in London Kunst zu studieren. Durch ihre dreijährige, intensive Liebesbeziehung mit dem erheblich älteren Max Ernst kommt sie in Kontakt mit den Surrealisten im Paris der 30er Jahre. Auf der großen Surrealisten Ausstellung von 1938 ist sie 21jährig mit eigenen Werken vertreten. Bei Ausbruch des zweiten Weltkriegs wird sie von Max Ernst getrennt, was bei ihr vorübergehend eine Angstpsychose auslöst, die sie literarisch verarbeitet. Sie geht nach Mexiko, wo sie bis auf wenige Jahre, die sie in New York verbringt, bis zu ihrem Tod 2011 lebt und Gemälde und Skulpturen erschafft, die oft mystische Motive, Tier-Menschgestalten, Fabelwesen, manchmal auch Engel aufweisen. Neben ihrem großen bildnerischen Werk, hinterließ Leonora Carrington auch zahlreiche Erzählungen, Romane, Theaterstücke.

Die Komponistin Ulrike Haage verwebt zwei Erzählungen Der Unscheinbare und Wie man ein Unternehmen gründet mit Motiven aus der Debütantin, englischen Abzählreimen und nonsens-Gedichten von Edward Lear, einem Zeitgenossen von Lewis Carroll, in ein Hörstück. Ein Soundtrack, der Carringtons Welt akustisch wieder erstehen lässt, ein Soundtrack, in dem sich Harmonien und exzessive Atonalität ganz selbstverständlich durchdringen. Rhythmischer Sprech-Gesang, zarte Melodien, vorbeitrudelnde Akkorde, Elektronik, verwandeln die überbordenden short stories in lange songs und treiben die seltsamen Begebenheiten eines magischen Maskenballs und eines utopischen Picknicks vor sich her.

"Das Faszinierende an diesen Geschichten sind ihre erfundenen und doch aus der Wirklichkeit entliehenen und ins Phantastische gesteigerten Dialoge und Kulissen. Wie in ihren Gemälden haben die Menschen tierische Züge, sind die Farben verdreht und wird die Wirklichkeit um mystische Elemente angereichert. Und nur die Werwolfjungen von Anubeth können diese Dokumente fortsetzen, bis der Planet wieder mit Katzen, Bienen, Werwölfen und Ziegen bevölkert ist. Die Protagonisten erklingen mit surrealen Eigenheiten wie einem Vogellachen, sie sind ganz in weiß oder sprechen in halben Sätzen."

Ulrike Haage

Leonora Carrington/Ulrike Haage: Alle Vögel fliegen hoch, alle Schafe fliegen hoch, alle Engel fliegen hoch

Von Leonora Carrington/Ulrike Haage
Mit Bernhard Schütz, Antje Greie, Ken Yamamoto
Komposition und Realisation: Ulrike Haage
BR 2012, Länge: 52'38

Leonora Carrington (1917-2011), Malerin und Schrifstellerin. Werke u.a. Das Haus der Angst (1938), Die ovale Dame (1939), Das Hörrohr (1976), Das Fest des Lamms (Drama, 1940), Unten (Autobiografie, 1940), Ein Flanellnachthemd (Drama, 1951).

Ulrike Haage, Komponistin, Musikerin, Hörspielmacherin, lebt in Berlin. BR-Hörspiele u.a. ding fest machen (2003), Pikdame (2006), Die Stille hinter den Worten (2008), alles aber anders (2009).


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