Bayern 2 - Hörspiel


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James Joyce liest Anna Livia Plurabelle

Eine Originaltonaufnahme aus dem Jahr 1929 und ihre Geschichte.

Stand: 23.12.2014 | Archiv

James Joyce Sylvia Beach/Charles Kay Ogden, Cambridge 1929: Recording James Joyce

Recording James Joyce

"Es gibt keine öffentliche Nachfrage für etwas anderes als Musik-Aufnahmen." Diese Auskunft gab 1924 die Pariser Plattenlabel-Filiale His Master's Voice als Sylvia Beach, Inhaberin der Pariser Buchhandlung Shakespeare and Company und Verlegerin von James Joyce' Erstausgabe des Romans Ulysses (1922), eine Tonaufzeichnung mit Joyce selbst als Sprecher vorschlug. Das Label willigte zwar schließlich ein, aber nur unter der Bedingung, dass Sylvia Beach die anfallenden Kosten selbst tragen und die Aufzeichnung weder das Label der Plattenfirma erhalten, noch in ihrem Katalog aufgelistet werden würde. Beach willigte trotzdem ein. Diese erste Aufzeichnung bei His Master's Voice – eine Passage aus Ulysses – hatte eine sehr schlechte Tonqualität.

Anna Livia Plurabelle

Der mit Sylvia Beach befreundete Sprachwissenschaftler und Entwickler einer vereinfachten Form der englischen Sprache (Basic English) Charles Kay Ogden lud Beach und Joyce daraufhin zu einer Aufnahme in sein Studio an der Universität Cambridge ein, wo er nach eigener Angabe die zu diesem Zeitpunkt größten Aufnahmegeräte der Welt besaß. So fuhren Beach und Joyce 1929 nach England, um Anna Livia Plurabelle aufzuzeichnen, ein Ausschnitt seines work in progress, der zehn Jahre später als James Joyce' letzter Roman unter dem Titel Finnegans Wake (1939) erschien. Da Joyce wegen einer lebenslangen Augenkrankheit unter starker Sehschwäche litt, stellte Ogden für ihn eine starke Vergrößerung von dem abfotografierten Text her. Die Joyce-Aufnahme war für Sylvia Beach ein nichtkommerzielles Projekt. Die meisten der insgesamt dreißig entstandenen Kopien händigte sie Joyce aus, zur Verteilung an seine Familie und Freunde und erst Jahre später verkaufte sie ihre eigenen Kopien. Die Originalaufnahme von James Joyce ist ein wertvolles Tondokument, das, wie Beach sagt, Charles Kay Ogden zu verdanken ist und damit einem Mann, der – im Gegensatz zu James Joyce – den englischen Sprachschatz auf fünfhundert Wörter reduzierte.

James Joyce: Anna Livia Plurabelle

Sylvia Beach/Charles Kay Ogden
Cambridge 1929


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