Weekend Remix Neuauflagen des Hörspiel-Klassikers von Walter Ruttmann
"Alles Hörbare der Welt wird Material. Dieses unendliche Material ist nun zu neuem Sinn gestaltbar nach den Gesetzen der Zeit und des Raums. Denn nicht nur Rhythmus und Dynamik werden dem Gestaltungswillen dieser neuen Hörkunst dienen, sondern auch der Raum mit der ganzen Skala durch ihn bedingten Klangverschiedenheiten. Damit ist der Weg offen für eine vollkommen neue akustische Kunst - neu nach ihren Mitteln und nach ihrer Wirkung."
Walter Ruttmann, 1929
"Weekend" 1930
Weekend von Walter Ruttmann (1887-1941) ist eine Pionierleistung aus den frühen Tagen des Rundfunks. Am 13. Juni 1930 präsentierte Ruttmann in einer 11 Minuten und 10 Sekunden langen Collage von Worten, Musikfetzen und Klängen eine avantgardistische und radikal innovative Radioarbeit: ein akustisches Bild einer Berliner Wochenend-Stadtlandschaft.
Walter Ruttmann hatte nach den Erfahrungen mit seinen Filmen Berlin – Die Symphonie der Großstadt (1927) und Melodie der Welt (1929/30) ganz bewußt nach Möglichkeiten gesucht, einen Hörfilm als Beitrag für das Radio zu produzieren. Töne und Klänge sollten für sich alleine stehen und wurden für Weekend als zufällige und gewollte Elemente auf der Tonspur eines Lichttonfilms im sogenannten Tri-Ergon-Verfahren aufgenommen. Erstmals wurde damit eine künstlerische Radioproduktion realisiert, deren Material montiert und nach rhythmischen Prinzipien gestaltet werden konnte. Auch erlaubte das Verfahren eine wiederholte Sendung. Diese fand aber nie statt. Das Original von Weekend galt lange als verschollen. Erst 1978 wurde von den Hörspielleitern des Bayerischen Rundfunks Hansjörg Schmitthenner und Dieter Hasselblatt eine Kopie in New York wiederentdeckt.
Mit Weekend hat Walter Ruttmann den Vorläufer eines ganzen Genres geschaffen, alle Original-Ton-Collagen oder soundscapes nehmen von hier ihren Ausgang.
"Walter Ruttmann Weekend Remix" 1998
Zwanzig Jahre später lud die Redaktion Hörspiel und Medienkunst internationale Künstler ein Walter Ruttmann Weekend Remix-Versionen für den Bayerischen Rundfunk zu produzieren. Der Hörspiel-Klassiker, der dem Genre sehr früh neue ästhetische Perspektiven eröffnet hatte, wurde einem akustischen Härtetest unterzogen. Die 11-Minuten-Länge des historischen Originals war die einzige Vorgabe für die Komponisten und Musiker, deren Versionen die Mittel und Möglichkeiten des Prinzips Remix auf ganz unterschiedliche Weise erproben.
"Im 'Walter Ruttmann Weekend Remix' nimmt die Avantgarde von heute die von gestern unter die Lupe - oder sich am Monitor vor die Sequenzer-Augen, riskiert Klang-Innovationen, zeigt die Frische von heutigen Sampling-Verfahren und ganz nebenbei auch die der fast siebzig Jahre alten Vorlage."
Jurybegründung Hörspiel des Monats Januar 1998
"Laut des Schnittplans ist 'Weekend' ja sehr musikalisch geschnitten, mit verschiedenen Taktmassen, beim Freitagabend zum Beispiel, wo die ganze Freitagsarbeits- und Maschinenwelt nach 1/4 Noten, nach 1/16 Noten geschnitten ist und das haben wir grob beachtet, für heute gings eher darum, rauszufinden und zu hören, wie heute ein Wochenende in Tönen funktioniert, so als unser Leitfaden."
to rococo rot
"Mir ist die Geschichte sehr wertvoll, ich möchte sie in den Strängen von Ruttmann, auch mit den Geräuschen von Ruttmann erzählen, ich möchte ein paar Räume aufmachen und sie mit meiner Arbeit der letzten Jahre als Hommage an Ruttmann umarbeiten und habe dazu Musiken und Hörspielsequenzen aus meiner Arbeit der letzten Jahre eingeflochten. Aus einem monophonen Ruttmann-Take der 1930er Jahre entsteht dann plötzlich ein Raum der 1990er."
Klaus Buhlert
"Je öfter ich das angehört habe, desto mehr kam da ein naiver fröhlicher zukunftsfreudiger Charme raus, ein spielerischer Futurismus, dem ich mich nicht entziehen konnte. Ich machte also keine harten Schnitte, die Ruttmann verwendet hat, sondern hab in meinen Samples kleine Szenen mit weichen Blenden zusammengefasst."
Ernst Horn
"Weekend 2006"
Wie klingt "Weekend" 2006? Gibt es das Wochenende noch und wenn ja, wodurch unterscheidet es sich akustisch von den Wochentagen? Im Jahr 2006 beauftragte die Redaktion Hörspiel und Medienkunst die fünf Hörspielmacher Ulrich Bassenge, Hermann Bohlen, Martin Conrads, Kalle Laar und Antje Vowinckel, je drei kurze Hörstücke in der Tradition Ruttmanns zum Thema "Weekend 2006" zu produzieren.
Gleichzeitig schrieb der BR einen Wettbewerb für andere Hörspielmacher sowie die Radiohörer aus, mit der Vorgabe, eine Montage aus Originaltönen und Geräuschen in einer Länge von höchstens 3 Minuten zu produzieren, die ohne urheberrechtlich geschütztes Tonmaterial auskommt.