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Zum 65. Geburtstag: Zwischen Gott und den Ladies Soul-Legende Al Green

Al Green, Sohn einer bitterarmen Familie aus dem Süden der USA, lernt das Singen in der Kirche. Später erobert er die Herzen der Massen, vor allem der weiblichen. Es ist der Zwiespalt seines Lebens: die Liebe zu Gott und die Liebe zu den Frauen.

Von: Michael Miesbach

Stand: 25.02.2011 | Archiv

Al Green | Bild: picture-alliance/dpa

"So lange ich mich erinnern kann, haben Frauen meine Nähe gesucht, und wenn ich singe, dann ist es so, als hätten sie eine persönliche Einladung von mir bekommen. Es hat keinen Sinn, das abzustreiten, obwohl ich es versucht habe."

Das hat Al Green mal gesagt über seine Anziehungskraft auf das andere Geschlecht.

Das hat ihm viel "Love and Happiness" eingebracht, aber bei aller Liebe und allem Glück auch so manchen Ärger.

"Love and Happiness" ist einer der großen Songs des Soulsängers Al Green, und  die Liebe ist sein Lieblingsthema. Wenn er von "Love and Happiness" singt, dann geht es immer auch um die Freuden der körperlichen Liebe. Dabei beginnt Al Green seine Gesangskarriere mit Liebesliedern ganz anderer Art. Wie so viele schwarze Amerikaner im Süden der USA singt er das Loblied des Allmächtigen. Seine erste Bühne ist die Kirche, der junge Al singt den Gospel. Zum Gospel wird er immer wieder zurückkehren, aber eben auch zu den Frauen. Es ist der Zwiespalt seines Lebens: hier die Liebe zu Gott, dort die Liebe zu den Frauen, die der liebe Gott erschaffen hat... Oder, mit seinen eigenen Worten:

"In einem Jahr bin ich ein Rockstar, im nächsten Jahr bin ich ein Gospel-Prediger. Ich verstehe das nicht."

Al Green

Mit "Tired of being alone" landet Green 1970 seinen ersten großen Hit, da ist er 24. Und schafft den Sprung in die Charts, den Sprung raus aus der Armut. Der Sohn eines Farmarbeiters wächst als sechstes von zehn Kindern in Dansby, Arkansas auf, ein Dorf so klein, dass es nicht mal ein Stoppschild sein eigen nennt. Der Vater arbeitet auf dem Feld, das Geld ist knapp, Trost spendet die Kirche und das Singen in der Kirche. Auf der Suche nach einem besseren Leben zieht die Familie aus dem armen, ländlichen Süden nach Michigan, hoch im Norden, wo die Autofabriken stehen. Aber Vater Green findet keinen Job und konzentriert sich ganz auf seine Gospelgruppe. Der junge Al stürzt sich ins Großstadtleben, mitsamt seinen sündigen Seiten.

Mit sechzehn gründet er seine eigene Rhythm & Blues Band und bald darauf findet er Unterschlupf bei einer Prostituierten. Al Green lernt fürs Leben. Er ist Jahrgang 1946, also ein paar Jahre jünger als die stilprägenden Sänger der Soulmusik, jünger als Sam Cooke und Marvin Gaye, jünger als Otis Redding und Wilson Pickett. Zu Beginn seiner Karriere steht er noch im Schatten dieser übergroßen Idole, er findet nicht zu seiner eigenen Stimme, zu seinem eigenen Stil. Dazu verhilft ihm erst Willie Mitchell. Der legendäre Produzent ist der Architekt des Memphis-Sound, und er ermutigt den talentierten Sänger, zu sich selbst zu finden.

"Al Green macht Musik, die unter die Haut geht, während die Haut unter die Bettdecke geht”, so formuliert es das Magazin Waxpoetics einigermaßen poetisch. Englische Kritiker nennen den Sound von Al Green: "Baby Makin' Music", also Musik zum Babys machen. Im Waxpoetics-Magazin wird Al Green gefragt, wie viele Babys wohl im Lauf der Jahrzehnte zu seiner Musik gemacht wurden. Das sei schwer zu schätzen, aber sicher eine ganze Menge, meint der Sänger. Am Ende einigt er sich mit dem Interviewer: Al Green hat seinen ganz eigenen Baby-Boom zu verantworten.

Viele seiner Songs werden bis heute immer wieder gecovert. "Let's stay together" verhilft Tina Turner in den Achtzigern zu einem großen Comeback, auch Jochen Distelmeyer sang  bei so manchem Blumfeld-Konzert "Let's stay together", in Jamaika ist es ein Standard. "Take me to the River" ist laut Al Green ein Song, der gut in die Kirche passt. Er passt aber auch gut ins Repertoire von Leuten wie Bryan Ferry und Annie Lennox, von Grateful Dead und den Talking Heads.

Al Green – viel mehr als nur ein Vokalist

Bis heute gilt Al Green als einer der ganz großen Vokalisten, seine Stimme ist unverkennbar. Darüber wird gerne mal vergessen, dass er die meisten seiner Songs auch selbst geschrieben hat. Und dass er ein ziemlich versierter Gitarrist ist. Und einer der Protagonisten des Country-Soul aus dem Süden der USA. In diesem Süden hält sich der Rassismus länger und härter als im Norden, in diesem Süden bietet die Musik Freiräume, rassismusfreie Zonen, Möglichkeiten, die Hautfarbengrenzen zu überwinden. Oder anders: im Süden der USA sagen sich der Soul der Schwarzen und die Countrymusik der Weißen Gute Nacht. So kommt es, dass Al Green lupenreine Countrysongs von Hank Williams oder Kris Kristofferson auf überzeugende Art als Soulsongs interpretiert.

Der Allmächtige gewinnt

1974 wendet sich Al Green von der weltlichen Musik ab, oder - in seinen Worten - von der "Teufelmusik". Und wieder ist eine Frau im Spiel. Sie heißt Mary Woodson und sie möchte Al Green heiraten. Der ist weniger begeistert, es kommt zum Streit. Al Green geht ins Bad und nimmt eine Dusche. Mary Woodson, die enttäuschte Geliebte folgt ihm, schüttet Green einen Topf mit siedend heißer Grütze über den Rücken. Der erleidet schwere Verbrennungen. Mary Woodson greift zur Pistole und beendet mit zwei Schüssen ihr Leben. Das Leben von Al Green ist durch diesen Vorfall in seinen Grundfesten erschüttert. Im ewigen Widerstreit zwischen Kirchenmusik und Teufelsmusik feiert der Allmächtige einen Sieg: Al Green wendet sich ab vom schnöden Pop, von den irdischen Genüssen. Aus dem Popstar Al Green wird der Reverend Al Green. Von seinen Pophits finanziert er sich eine eigene Kirche, und fortan nimmt er nur noch Gospels auf. Einer der körperlichsten Sänger der Popgeschichte singt keine weltlichen Songs mehr. Acht Jahre lang. Doch dann besinnt er sich eines Besseren, schließlich kann man mit Popsongs auch mehr Geld verdienen als mit Gospels.

Seit dem 13. April ist Al Green 65 Jahre alt und nach wie vor aktiv. Vor drei Jahren hat er unter der Regie der Roots aus Philadelphia ein schönes Album aufgenommen. Da wird er von vielen Nachgeborenen begleitet und gewürdigt, die mit seiner Musik aufgewachsen sind: die Dap-Kings, John Legend, Corinne Bailey Ray und eben die Roots. Darauf findet Al Green zu alter Form zurück. Auch an der Schwelle zur Rente bleibt er ein Ladies Man. Davon zeugen Songs wie "I'm wild about you". In einem Interview beschreibt Green den Song so:

"It's about wild passion, about wild love. It's about wild, wild wild."

Al Green


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