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Martin Scorsese Popmusik in den Filmen des großen Regisseurs

Am Samstag, 17. November 2012, wurde der große, italo-amerikanische Regisseur Martin Scorsese 70 Jahre alt. Scorsese hat wie kaum ein Zweiter Popmusik immer einen prominenten Platz in seinen Werken eingeräumt.

Von: Roderich Fabian

Stand: 16.11.2012 | Archiv

Der berühmte Filmemacher Martin Scorsese | Bild: picture-alliance/dpa

“Who’s that knocking at my Door” von 1967 war nicht nur der erste Spielfilm von Martin Scorsese, sondern auch das Debut von Schauspieler Harvey Keitel, der 1973 auch in dem Film mitspielen sollte, der dem Regisseur den Durchbruch brachte: „Mean Streets“, die Geschichte von kleinen Mafia-Fischen im New York der 60er Jahre.

Mit „Mean Streets“ – deutsch „Hexenkessel“ fand Scorsese zu seinem Stil. Und für den anderen Hauptdarsteller Robert DeNiro war es die erste Stufe zum Welterfolg. Der Soundtrack von „Mean Streets“ bestand überwiegend aus Hits aus den frühen 60er Jahren, aus Songs wie „Mickey’s Monkey“ von Motown-Star Smokey Robinson.

Scorsese goes Country

Der Regisseur ging 1974 aufs Land, um das melancholische Beziehungsdrama „Alice doesn’t live here any more“ zu drehen. Die männliche Hauptrolle übernahm der alternativer Country-Sänger Kris Kristofferson, der indirekt auch in Scorseses nächstem Film vorkommen sollte.

Plattencover von Kris Kristoffersen | Bild: Monument

Kris Kristoffersens Album "The Silver Tongued Devil and I".

In „Taxi Driver“ mit Robert DeNiro geht es um einen frustrierten New Yorker Vietnamveteran, der sich in eine blitzsaubere Wahlkampfhelferin verliebt. Er schenkt ihr eine Schallplatte: Kris Kristoffersons Album „The Silver Tongued Devil and I“, später führt er sie ins Porno-Kino aus, was das Ende der Liaison bedeutet. „Taxi Driver“ ist ein Film, der schließlich in einem Gewaltexzess endet – Jody Foster hat Scorseses Film viel zu verdanken. Er begründete 1976 ihre Karriere.

Nur ein Jahr später drehte Scorsese sein erstes echtes „Period Piece“, denn der Film „New York, New York“ spielt in den 40er Jahren und ist ein Musical über die Liebe zwischen einem Saxophonisten – wieder mal DeNiro – und einer kleinen Sängerin, gespielt von Liza Minelli. Der Theme-Song des Films wurde ein Welthit, allerdings erst, als Frank Sinatra ihn 1979 aufnahm.

Scorsese und "The Band"

Scorsese drehte danach erstmal einen musikalischen Dokumentarfilm: „The Last Waltz“. Das war das vermeintliche Abschiedskonzert von The Band 1978 im Winterland Ballroom in San Francisco, gespickt mit zahlreichen Gaststars von Neil Young bis Bob Dylan. Sechs Jahre später schon sollte „The Band“ wieder zusammenfinden.

Martin Scorseses nächster Film „Raging Bull“ von 1980 gilt allgemein als eines seiner absoluten Meisterwerke. Trotzdem gewann nur Hauptdarsteller Robert de Niro und nicht der Regisseur einen Oscar. Die Story eines scheiternden Boxers aus den 40er Jahren war mit Swing-Hits von Sinatra bis Tommy Dorsey illustriert.

Und noch mal de Niro

In die Gegenwart zurück fand Scorsese 1983 mit der bitteren Komödie „The King of Comedy“ – wieder ein Vehikel für Robert de Niro, der einen Jerry-Lewis-Fan zeigt, der sein Idol schließlich entführt und ihn dazu zwingt, ihm selbst eine Chance als Komiker zu geben. Scorsese lässt im Soundtrack hier erstmals auch Musik von New Wave Bands wie den Pretenders zu. Der Sound der 80er war ja wenig nostalgisch und ganz auf Neuanfang gebürstet.

Martin Scorsese dreht in diesem Jahrzehnt dann auch noch zwei Filme, die im Hier und Jetzt spielen: Die wilde Nachtleben-Komödie „After Hours“, die bei uns als „Die Zeit nach Mitternacht“ lief und das Billard-Spieler-Drama „The Color of Money“ mit den für Scorsese ungewohnten Stars Paul Newman und Tom Cruise. Man merkte, der Regisseur wollte sich neu erfinden, auch musikalisch. Scorsese setzte hier klassische Musik ein, Bluessongs von Muddy Waters, aber auch 70er Jahre Westcoast-Pop wie den von Warren Zevon.

Willem Dafoe in "The Last Temptation of Christ"

Die eher heitere Phase Martin Scorseses endet 1988 mit „The Last Temptation of Christ“, einer relative unbilblischen Verfilmung des Lebens Christi – gespielt von Willem Dafoe. 1990 folgt der Film, mit dem man Martin Scorsese inzwischen am häufigsten assoziiert: „Goodfellas“, die Story eines irischen Jungen, der mit der Mafia anbandelt – nach einem Tatsachenroman verfilmt. „Goodfellas“ steckt sich über drei Jahrzehnte und ist voller Popmusik, die den jeweiligen Zeitgeist illustreren soll.

Fast ständig laufen Songs der Marvellettes, der Crystals, der Shangri-Las und später der Rolling Stones und der Who im Hintergrund. Auch gesungene Passagen liegen oft unter den Dialogen – eigentlich ein klarer Regelverstoß im Filmhandwerk, aber Scorsese war offenbar scharf darauf, so viele Hits wie möglich unterzukriegen.

Robert de Niro in "Goodfellas"

“Goodfellas” ist trotzdem ein Riesenerfolg und bestätigt Scorseses Ruf als führender Mann für Mafia-Stories. Sechs Oscar-Nominierungen gibt´s, aber nur Joe Pesci kriegt auch einen für die beste Nebenrolle als besonders fieser Killer.

Seit den 90er jedenfalls macht Scorsese nur noch die Filme, zu denen er Lust hat: 91 dreht er ein Remake des Thrillers „Kap der Angst“ mit DeNiro als Psycho-Killer, 93 das für ihn komplett untypische Liebesdrama „Zeit der Unschuld“, das im 19.Jahrhundert spielt und floppt.

Zurück zur Mafia

Vielleicht kehrt er deshalb 95 zum Mafia-Thriller zurück: „Casino“ ist wiederum ein episches Drama um einen von der Mafia installierten Casino-Betreiber, der sich in die falsche Frau verliebt – für mich einer der besten Filme aller Zeiten mit Sharon Stone und abermals DeNiro und Pesci. Auch die vielen Film-Songs drehen sich oft um das Gefühl der Unerfülltheit: I can’t get no Satisfaction in der Version von Devo, z.B. Die Academy sieht’s anders als ich: Kein Oscar weit und breit.

Der junge Dalai Lama - "Kundun".

Scorsese geht in sich, erinnert sich an seine Zeit als Hippie in den Sixties und dreht mit „Kundun“ einen Film über den Dalai Lama, der genau so ein kommerzieller Misserfolg wird wie der Nachfolger „Bringing out the Dead“ von 1999, ein sarkastisches und düsteres Drama über einen Rettungswagen-Fahrer in New York, gespielt vom wie üblich pathetischen Nicolas Cage. Der Soundtrack beschäftigt sich mehrfach mit dem Tod und der Ausweglosigkeit und featured das wunderschöne „You can’t put your Arms around a Memory“ vom damals schon verstorbenen New Yorker Rocker Johnny Thunders.

Wir sind an der Jahrtausendwende angekommen, und Scorsese braucht nach zwei Flops dringend mal wieder einen Hit. Er entscheidet sich für das Historiendrama „Gangs of New York“, das 100 Millionen Dollar kostet, aber das Doppelte wieder einspielt. Alles wieder gut, aber was ihm noch fehlt, ist der Oscar.

Endlich kommen die Oscars

Also dreht er 2004 „The Aviator“, das sündteure Bio-Pic über den exzentrischen Millionär Howard Hughes mit Leonardo DiCaprio in der Titelrolle. Und es gibt fünf Oscars dafür, allerdings vier davon aus technischen Kategorien plus Cate Blanchet für die beste Nebenrolle.

Leonardo di Caprio in "Aviator".

Obwohl Scorsese „The Aviator“ extra auf Oscar-Ruhm hingedeichselt hat, bleibt ihm der Erfolg abermals versagt. Der Soundtrack bringt zeitgerecht Musik aus den 40er und 50er Jahren angelegten Soundtrack wie „Howard Hughes“, besungen von Blueslegende Leadbelly.

Der Blues – er taucht auch prominent im weiteren Schaffen von Martin Scorsese auf. Fürs Fernsehen produziert er eine Filmriehe über die Geschichte des Blues und auch in der Doku „No Direction Home: Bob Dylan“ taucht viel Musik auf, die den jungen Robert Zimmerman beeinflusst hat, bevor er selbst berühmt wurde. Dylan und Scorsese sind befreundet, die Interviews mit dem Sänger geraten sehr intensiv, aber der historische Rückblick endet im Jahr 1966, als Dylan auf seiner berühmten England-Tour ist. Auf die Fortsetzung warten wir noch.

Fortsetzung folgt hoffentlich

Der Musikfan Martin Scorsese muss zum Spielfilm zurück. Er tut es mit einem weiteren Gangster-Drama, das diesmal besonders blutig ausfällt: „The Departed“ von 2006 mit DiCaprio und Matt Damon ist bestimmt nicht Scorseses bester Film, irgendwie zu lang und zu umständlich, aber er bringt a) einen grandiosen Kassenerfolg und b) den überfälligen Oscar für ihn als Regisseur und für „The Departed“ als Film des Jahres. Der Soundtrack ist eher nostalgisch angelegt und bringt traumhafte Seventies-Hits von Badfinger und den Beach Boys mit sich.

Die Rolling Stones sind die Band, die am häufigsten in Martin-Scorsese-Filmen zu hören sind. Was liegt also näher, mit der Band einen Dokumentarfilm aufzunehmen. Sie tun es 2008 im New Yorker „Beacon Theatre“ – und die Stones lassen sich von diversen Gästen begleiten, von Jack White, Buddy Guy und Christina Aguilera, damals noch rank und schlank.

Zuletzt hat Martin Scorsese aus Archivmaterial eine dreistündige Fernseh-Doku über den Beatles-Gitarristen George Harrison produziert. Der Regie-Star ist bis heute eben immer auch Fan geblieben.


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