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Ein Phänomen der britischen Popkultur Monty Python macht Musik

Sie sind ein Phänomen der britischen Popkultur, Ikonen einer vergangenen Epoche, Erneuerer eines eigentlich klassischen Genres, dessen Regeln sie allesamt - sehr bewusst übrigens – gebrochen haben. Und immer dabei war: Musik!

Von: Bernhard Jugel

Stand: 20.07.2013 | Archiv

Monty Python | Bild: Sky Arts

Fans werden sich sofort erinnern: An die Blumen mit dem altmodischen Schriftzug, die aus dem Kopf eine etwas korpulenten, blaugesichtigen Mannes wachsen. An die Animationen mit viel Räderwerk, vielen abgetrennten Köpfen und mit dem unvermeidlichen Fuß, der sich am Ende von oben in den Bildschirm schiebt und alles plattmacht – immer natürlich mit dem typischen Furzgeräusch.

Bei der Feier zu 30 Jahre "Life Of Brian"

Monty Python’s Flying Circus ist eine Komikertruppe, die auch 30 Jahre nach ihrer Auflösung noch einzigartig ist in der Szene: Nicht nur, weil sie die Gags ihrer Sketche und die Drehbücher ihrer Filme allesamt selbst geschrieben haben, sondern auch, weil dieses Komiker-Sextett wie eine Band funktionierte. Nur zusammen entfaltete sich die volle Wucht ihrer absurden Komik. Das erste Mal traten sie am 5. Oktober 1969 auf britischen Bildschirmen ins Licht der Öffentlichkeit. Da näherte sich ein zerlumpter Mensch mit letzter Kraft der Küste, stolperte den Strand hinauf, brach zusammen, rappelte sich mit letzter Kraft noch einmal auf und presste ein einziges Wort heraus:

It’s…“ Eine Stimme aus dem Off ergänzte: „Monty Python’s Flying Circus". Dann kamen die Blumen, die aus dem Kopf eines blaugesichtigen Mannes wachsen und schließlich der riesige Fuß, der von oben alles zermatscht – aber das hatten wir ja schon.  

Die Grenzen des guten und schlechtes Geschmacks

Monty Python’s Flying Circus, der Name steht für 45 halbstündige Fernsehsendungen, zwischen 1969 und 1974 von der BBC ausgestrahlt und später auf Videocassette und DVD mehrmals weltweit recycelt: Der Name steht aber auch für etwa ein Dutzend Schallplattenproduktionen, etliche Buchveröffentlichungen, für einzigartige Tournee und Liveauftritte - etwa für die sagenhafte Gage von einer Million Dollar an vier Abenden in der kalifornischen Hollywood Bowl - und außerdem für vier Spielfilme, von denen drei immer noch als Klassiker gelten. Einer davon, „Monty Python’s Life of Brian“, bescherte der britischen Comedy-Truppe einen weltweiten Hit – inzwischen ein Oldie, ein Evergreen, einen Ohrwurm, der in Großbritannien sowohl im Fußballstadion als auch bei Beerdigungen häufig gesungen wird: „Always Look At the Bright Side of Life“.

Monty Python | Bild: BBC

Die Monty Pythons vor 30 Jahren

Für Fernsehaufzeichnungen, Bühnenauftritte und Plattenproduktionen entstanden aber noch viele andere zwerchfellerschütternde Meisterwerke. Bei „I bet you they won’t play this song on the radio” lässt der große amerikanische Musikkomiker und Geräuschkünstler Spike Jones grüßen – und selbst wer sehr gut  Englisch kann, kommt gar nicht nach mit den vielen schmutzigen Ausdrücken, die in der knappen Minute, die dieses Lied dauert, nicht zu hören sind. Hier zeigt sich ein typischer Zug des Monty Python–Humors. Mit Vorliebe werden die Grenzen des guten – oder auch des schlechten – Geschmacks ausgetestet. Und sämtliche Regeln üblicher Comedy-Sendungen im Fernsehen werden ständig ad absurdum geführt. Da sprechen Figuren einer Szene plötzlich in die Kamera, oder es schiebt sich mitten in einem Sketch ein Mensch in Uniform ins Bild, erklärt, das gerade laufende Geschehen sei ja wohl völlig albern und kündigt den nächsten Sketch an, der natürlich noch alberner ist. Wenn ich den Humor von Monty Python in einem Satz zusammenfassen sollte, hätte ich zwei Kandidaten, aber eine klare Rangfolge. Auf Platz zwei steht:

"Die spanische Inquisition hätte ich jetzt wirklich nicht erwartet!"

Monty Python

und auf Platz eins die klassische Monty-Python-Überleitung, die in ihren Fernsehsendungen mit Abstand am häufigsten vorkommt:

"And now for something completely different"

Monty Python            

Monty Python und die Popkultur

Über die Beiträge von Monty Python‘s Flying Circus und seiner Mitglieder zur Popgeschichte lässt sich sagen: Kein Genre war den Pythons abgedroschen genug, als dass sie es nicht irgendwann ausprobiert hätten, Klassik und Volksmusik keineswegs ausgenommen. Außerdem konnten sie tatsächlich singen. Und sie konnten ein düsteres Weltuntergangs-Szenario nehmen und daraus eine Hymne an das mächtigste Volk der Erde hervorzaubern, gespickt selbstredend mit jeder Menge der gebräuchlichsten Klischees, die in unser aller Köpfe spuken. „I like chinese“ war eine Hymne an China und die Chinesen, entstanden 1980 für das „Monty Python Contractual Obligation Album“, das sie aus vertraglichen Gründen noch bei ihrem Plattenlabel Charisma Label abliefern mussten, später dann recycelt für die immer noch erhältliche und sehr empfehlenswerte Compilation „Monty Python sings“. Nicht nur das Verhältnis der Monty Python–Mitglieder zu China war recht entspannt, auch das zu anderen Nationen. Gerne parlierte das ein oder andere Monty-Python-Mitglied in einem meist etwas hochnäsigen Französisch, die meisten konnten sogar ein bisschen Deutsch. Und so kam es, das in der sechsten Episode ihrer TV-Serie einem Barockkomponisten folgender Name angedichtet wurde: „Gambolputty de von Ausfern- schplenden- schlitter- crasscrenbon- fried- digger- dingle- dangle- dongle- dungle- burstein- von- knacker- thrasher- apple- banger- horowitz- ticolensic- grander- knotty- spelltinkle- grandlich- grumblemeyer- spelterwasser- kurstlich- himbleeisen- bahnwagen- gutenabend- bitte- ein- nürnberger- bratwurstl- gerspurten- mitz- weimache- luber- hundsfott- gumberaber- schönedanker- kalbsfleisch- mittler- aucher von Hautkopft of Ulm“.

Alfred Biolek beim Musical "Spamalot"

Das enge Verhältnis einiger Monty-Python-Mitglieder zum Deutschen hat natürlich noch einen anderen Grund. Das deutsche Fernsehen ist neben der BBC die einzige Rundfunkanstalt, die jemals Monty-Python-Folgen produziert hat. Und zwar auf Deutsch. Möglich machte das ein junger Fernsehproduzent, der später selbst als Showmaster und Talkmoderator berühmt wurde, ein gewisser Alfred Biolek. Zwei Folgen von Monty Python’s Fliegendem Zirkus gab es. Leider sind beide nicht auf DVD greifbar, wahrscheinlich weil der WDR nicht so doof war wie die BBC und sich von Monty Pythons sämtliche Verwertungsrechte außerhalb des Sendegebiets abschwatzen ließ. Lediglich der „Holzfäller Song“, die deutsche Version des „Lumberjack Song“, ist vor über 20 Jahren mal auf einer Maxi-CD veröffentlicht worden.    

Ein Blick zurück

1983 hat sich Monty Python’s Flying Circus aufgelöst. Und nie mehr wirklich zusammengefunden. Als Gründungsmitglied Graham Chapman 1989 an Krebs starb, war daran sowieso nicht mehr zu denken.

"Wir werden höchsten wieder zusammenarbeiten, wenn Graham irgendwann von den Toten aufersteht."

Eric Idle

Bei den wenigen Gelegenheiten, bei denen die fünf verbliebenen Pythons seither gemeinsam auf einer Bühne auftraten, haben sie immer eine Urne dabei, angeblich mit Graham Chapmans Asche.

Wir blicken noch einmal zurück. Zurück zum Anfang der Monty Python-Story, zum 5. Oktober 1969, als die erste Folge von Monty Python’s Flying Circus im britischen Fernsehen lief. Zurück in die Jahre davor, in denen alle sechs späteren Monty Python-Gründer bereits in verschiedenen Konstellationen für Unterhaltungsserien der BBC gearbeitet hatten, als Autoren und als Schauspieler – allerdings nie alle gemeinsam. Zurück in die beginnenden 60er Jahre, als drei der späteren Monty-Python-Mitglieder in Oxford studierten, zwei in Cambridge, und einer in Amerika in der Werbeindustrie arbeitete, allerdings so unglücklich war mit der politischen Entwicklung, dass er schließlich nach Großbritannien emigrierte. Zurück ins Mittelalter, aus der die Sage von König Arthus und seiner Tafelrunde stammt, die später den Film „Die Ritter der Kokosnuss“ inspirieren sollte. Oder gleich 2000 Jahre zurück nach Palästina, um nachzusehen, ob damals in Jerusalem tatsächlich ein gewisser Brian gelebt hat, dessen Lebensgeschichte später die erfolgreichste Kinoproduktion der sechs Komiker werden sollte. Geschichte, Religion, Politik, Literatur, mittelalterliche Mythen – alles diente den Pythons als Vorlage. Sogar Philosophie. Besonders im sogenannte „Namedropping“ waren die  Briten unerreicht. In dem als kernigen Männerchor getarnten „Bruce’s Philosophers Song“ schafften sie es beispielsweise, pro Zeile mindesten einen Philosophen unterzubringen.

Hier eine Galerie aller Monty-Python-Mitglieder samt all ihrer Macken und Verdienste!

Der Älteste der Monty-Python-Crew – John Cleese

Spielte in den Fernsehstaffeln von Monty Python über 100 Rollen, machte aber bei der vierten Staffel nicht mehr mit, weil der das Gefühl hatte, alles würde sich nur noch wiederholen. Nach der Auflösung der Pythons als Autor und Hauptdarsteller erfolgreich mit der Fernsehserie „Faulty Towers“ und dem Film „Ein Fisch namens Wanda“. War als Schauspieler in über 40 Filmen zu sehen, unter anderem in je zwei Harry-Potter- und James-Bond-Folgen. War bei Monty Python meist für den distanzierten, emotional verklemmten Typ zuständig, konnte aber in Gummistiefeln, kurzen Hosen und mit verknotetem Taschentuch auf dem Kopf auch den hemmungslos schwadronierenden Schreihals geben, den sogenannten „Mr Gumby“.

Der Pfeifenraucher der Monty-Python-Crew – Graham Chapman

Graham Chapman | Bild: picture-alliance/dpa

Studierter Mediziner, Alkoholiker, Homosexueller. Outete sich schon 1970 während einer Talkshow. War bei seinen Python-Kollegen dafür bekannt, dass er erstens immer zu spät kam, und zweitens zu gemeinsamen Texten selten geschliffene Formulierungen, aber immer verrückte Ideen beisteuerte. Im berühmtesten Sketch der Monty Pythons sollte sich zunächst jemand in einem Geschäft über einen kaputten Toaster beschweren. Kein anderer als Chapman hatte die Idee, den Toaster durch einen toten Papagei zu ersetzen. Der „Dead Parrot Sketch“ war geboren.

John Cleese bezeichnete Graham Chapman als den „wahrscheinlich besten Schauspieler von uns allen“. In den Monty-Python-Erfolgsfilmen „Die Ritter der Kokosnuss“ und „Das Leben des Brian“ spielte er jeweils die Hauptrolle.

Der beste Frauendarsteller der Monty-Python-Crew, Terry Jones

Eigentlich spielten ja alle Pythons Frauenrollen, aber Terry Jones war der Beste, vor allem, wenn es um schrille, keifende  Nervensägen ging. Unvergessen die Mutter in „Das Leben des Brian“, die die Heiligen drei Könige gerade unsanft rausschmeißen will, als sie bemerkt, dass die drei wertvolle Geschenke dabei haben.

Der Waliser Terry Jones war nach dem Ende der Pythons vor allem mit der Produktion und Präsentation von Fernsehserien zu historischen Themen beschäftigt, schrieb und inszenierte aber auch ein paar Kinofilme, zum Beispiel „Erik, der Wikinger“.

Der ‚tumbe Tor‘ der Monty-Python-Crew, Michael Palin (gerne auch besetzt als ‚das durchtriebene Schlitzohr‘)

Spielte die wenigsten Frauenrollen, und die unterschiedlichsten Männerrollen. War nach dem Ende der Pythons zunächst als Schauspieler gut im Geschäft, fand dann aber die Rolle seines Lebens als Hauptdarsteller in Reisefilmen der BBC. Von 2009 bis 2012 war er Präsident der ‚Royal Geographical Society‘. Sein bekannter musikalischer Python-Beitrag war der von ihm gemeinsam mit Terry Jones verfasste „Lumberjack Song“.

Der Amerikaner der Monty-Python-Crew, Terry Gilliam

Anfangs nur für die Animationen zwischen den Sketchen zuständig und in den ersten Fernsehfolgen im Abspann extra genannt. Später vollwertiges Mitglied. Legte gegen Ende seiner Python-Zeit die steilste Karriere hin, als Regisseur so ebenso erfolgreicher wie qualitätvoller Filme wie „Brazil“, „12 Monkeys“ oder zuletzt „Das Kabinett des Dr. Parnassus“. Verantwortete aber auch die komplett gefloppten „Abenteuer des Barons Münchhausen“. Bei Monty Python tauchte er meist in kleinen Nebenrollen auf.

Der Musiker der Monty-Python-Crew, Eric Idle

Wurde gern als „der fiese Schönling“ besetzt. Schrieb die meisten und die erfolgreichsten Monty-Python-Songs, unter anderem „Always Look At the Bright Side of Life“. Nach dem Ende der Pythons arbeitete Idle als Schauspieler, Synchronsprecher und arbeitete die erfolgreichen Python-Filme „Die Ritter der Kokosnuss“ und „Das Leben des Brian“ zu Bühnenmusicals um, beide jahrelang erfolgreich, unter anderem am Broadway. Eric Idle, der am 29. März 2013 seinen 70. Geburtstag feierte, hat tatsächlich so etwas wie eine längere Fußnote in der Popgeschichte hinterlassen. Zusammen mit dem Musiker Neil Innes konzipierte er Mitte der 70er Jahre die Comedy-Serie „Rutland Weekend Television“. Teil der Serie war eine fiktive Band namens The Rutles, eine Parodie auf die Beatles. Die Rutles waren so beliebt, dass über sie die Mockumentary „All You Need is Cash“ gedreht wurde. Und es gab natürlich bald ein Rutles-Album, bei dem man bei jedem Song das Beatles-Vorbild heraushören konnte. Aufgenommen von Profis wie Ricky Fataar, der kurz zuvor ein paar Jahre lang Mitglied der Beach Boys gewesen war und von Ollie Halsall und John Halsey, beide vorher bei der Psychedelic-Rockband Patto. Die Songs schrieb Neil Innes, ehemaliges Mitglied der Bonzo Dog Doodah Band und in den 70er Jahren so häufig mit den Pythons auf der Bühne und im Studio, dass er gelegentlich als der siebte Python bezeichnet wird. Eric Idle spielte nur in den Fernsehaufzeichnungen mit. Vielleicht war das der Grund dafür, dass er und Neil Innes sich fürchterlich zerstritten und Idle bei einem zweiten Rutles-Album dann nicht, wie beim ersten, wenigstens auf dem Cover zu sehen war. Dieses zweite Album war in seinen Anspielungen auf Originale der Beatles, die nie zu einem platten Plagiat gerieten, sogar noch raffinierter als das erste. Als kongenial gemachte, in mehreren Medien funktionierende Beatles-Paradie sind die Rutles bis heute unerreicht.

"Always look at the bright side of life"

"Always look on the bright side of life..."

Der kommerzielle Erfolg einiger Monty-Python-Songs blieb ihnen trotz einer gewissen Popularität - vor allem in Großbritannien – allerdings versagt. Das zweiterfolgreichste Lied der Pythons stammt aus ihrem letzten Film „The Meaning of Life“ – deutscher Titel: „Der Sinn des Lebens“ – und ist, man kann es nicht anders sagen, eine durch und durch katholische Anti-Verhütungs-Hymne. An der hätte sogar der Papst seine Freude, würde ihm da nicht Verlauf von viereinhalb Jubel-Minuten der leise Verdacht kommen, das alles sei nicht wirklich ernst gemeint. Monty Python’s Flying Circus lässt Eltern, Kinder, Nonnen und Mönche etc. immer wieder beteuern, das jedes Spermium heilig sei. Um ein Haar wäre dieses Lied 1983 zum besten Original-Filmsong Großbritanniens gekürt worden. „Every sperm is sacred“ war nominiert – der Preis ging aber dann doch an Joe Cocker mit „Up Where We Belong“. Mit dem Film „The Meaning of Life“ (Der Sinn des Lebens), ihrem zumindest philosophisch ambitioniertesten Projekt, ging die Geschichte der Pythons zu Ende. Terry Gilliam und John Cleese wollten nicht mehr und die anderen wollten nichts erzwingen. Man traf sich zu Jubiläen oder zu einer Gedenkfeier für den 1989 gestorbenen Graham Chapman, recycelte bei solchen Anlässen gelegentlich einen alten Sketch, brachte das alte Film- und Videomaterial in immer neuen Zusammenstellungen unter die nach wie vor wachsende Fangemeinde - aber neue Produktionen unter dem Namen Monty Python gab es nicht mehr. Mit einem einzigen Lied zum Mitpfeifen hatte sich Monty Python’s Flying Circus damals aber schon in die Popgeschichte eingeschrieben. Oldie, Evergreen und Gassenhauer in einem und inzwischen in Fußballstadien und bei Trauerfeiern gleichermaßen beliebt. Das Lied stammt aus dem Film „Life of Brian“ (Das Leben des Brian“) und wird dort von einem Dutzend Herren an einem Dutzend Holzkreuzen intoniert, die trotz des nahen Endes singenderweise ihrem Optimismus Ausdruck verleihen: „Always look at the bright side of life“!   


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