Unterhalt für Eltern Wer zahlt, wenn Eltern zum Pflegefall werden?
Im Pflegefall der Eltern müssen Kinder einen Kassensturz machen: Welche Aufwendungen entstehen? Wieviel brauche ich für ambulante Pflege? Was kostet das Pflegeheim? Und gleichzeitig: Wie kann ich diese Kosten finanzieren? Oliver Buschek im Gespräch mit Dr. Harald Benzing, Vorstandsmitglied der Versicherungskammer Bayern.
Wenn sich herausstellt, dass das aus den Einkünften der Rente oder aus Vermögensbeständen nicht zu finanzieren ist – führt der nächste Schritt dann zum Sozialamt?
Dr. Harald Benzing: Die soziale Pflegeversicherung zahlt in der Regel ungefähr die Hälfte der Pflegekosten. Was die Restkosten angeht, schaut man zunächst darauf, welche Einkünfte bei den Eltern da sind und welches Vermögen, um ein gutes Pflegeheim zu finanzieren. Wenn das nicht reicht, sollte man sich als Kind überlegen, was man dazu beitragen kann. Wenn auch das nicht reicht, kommt der Gang zum Sozialamt.
Das Amt wiederum versucht aber doch, sich das Geld von Angehörigen zurückzuholen, die zum Unterhalt verpflichtet sind – also in der Regel vom Ehepartner oder den Kindern.
Ja. Die Ehepartner sind sowieso verpflichtet zu helfen, denn pflegebedürftige Ehegatten sind Teil einer Bedarfsgemeinschaft. Ehepartner müssen sich gegenseitig unterstützen. In zweiter Linie sind es die Kinder.
Gilt das beispielsweise auch, wenn Eltern und Kinder jahrelang keinen Kontakt mehr hatten?
Es gibt keine Ausnahmen. Die Unterhaltspflicht ist völlig unabhängig von Kontakt oder der persönlichen Beziehung.
Können Enkelkinder auch zum Unterhalt von Pflegebedürftigen herangezogen werden?
Nein. Enkelkinder müssen nichts für die Großeltern bezahlen.
Zu wieviel Unterhalt kann das Kind eines pflegebedürftigen Elternteils herangezogen werden?
Hier muss man unterscheiden: Zum einen wird nach dem Einkommen gefragt. Das Sozialamt hat hier übrigens ein Auskunftsrecht gegenüber den Finanzämtern und Arbeitgebern. Zum zweiten: Wieviel Vermögen ist bei den Kindern vorhanden. Das Einkommen wird so ermittelt, dass – ausgehend vom Nettoeinkommen – die Ausgaben wie die für Kredite oder Altersvorsorge abgezogen werden. Das ergibt das sogenannte bereinigte Nettoeinkommen. Von dem bereinigten Nettoeinkommen wiederum kann man einen Selbstbehalt abziehen – bei Alleinstehenden sind das beispielsweise 1.800 Euro monatlich, die abgezogen werden können. Also: bereinigtes Nettoeinkommen abzüglich dieses Selbstbehalts ergibt den Betrag, den man zur Pflege der Eltern beitragen muss.
Was ist beispielsweise mit Rücklagen zum Beispiel für die Ausbildung der eigenen Kinder?
Das fällt ebenso zum Selbstbehalt wie Kreditzinsen, die zurückgezahlt werden, und wird vom Nettoeinkommen abgezogen. Aber beim Vermögen ist klar, dass beispielsweise eine selbstgenutzte Immobilie nicht verkauft werden muss, um den Unterhalt der Eltern zu bezahlen.
Wieviel kommt im Einzelfall zusammen?
Das ist eine einfache Rechnung: Nehmen Sie als Beispiel ein bereinigtes Nettoeinkommen von 2.500 Euro. Bei einem Alleinstehenden ziehen Sie 1.800 Euro Schonvermögen ab. Damit bleiben 700 Euro übrig. Davon muss die Hälfte für den Pflegebedarf eines Elternteils beigetragen werden, also in diesem Beispiel 350 Euro monatlich.
Auch das Einkommen des Ehepartners spielt eine Rolle.
Ja. Der Gesetzgeber sagt, dass das gesamte Familieneinkommen berücksichtigt werden muss. Dabei wird das Einkommen des Kindes und des Ehepartners zusammenaddiert. Allerdings steigt bei Verheirateten auch der Selbstbehalt. Bei Alleinstehenden sind es 1.800 Euro, bei Verheirateten nahezu doppelt so viel, nämlich 3.240 Euro.
Wie erfolgt die Aufteilung zwischen Geschwistern?
Dann wird es etwas komplizierter. Da werden die zu zahlenden Summen je nach Leistungsfähigkeit untereinander aufgeteilt.
Muss man in diesem Zusammenhang jeden Bescheid akzeptieren?
Wir empfehlen jedem, sich beraten zu lassen – gerade aufgrund der Komplexität des Themas. Auch das Sozialamt kann Fehler machen. Also: Immer noch mal von einem ausgewiesenen Spezialisten nachrechnen lassen. Die Erstberatung bei einem Fachanwalt kostet rund 250 Euro.
Ist das Thema Elternunterhalt von der Pflegereform im Januar 2017 betroffen?
Kaum. Heute haben wir die Situation, dass viele geistig und psychisch Erkrankte in der sozialen Pflegeversicherung wenig Geld bekommen. Diese werden zwar durch die neuen Pflegegrade den körperlichen Leistungseinschränkungen gleichgestellt. Damit kommen mehr Pflegebedürftige in den Genuss einer Zahlung aus der sozialen Pflegeversicherung. Allerdings wird sich der Selbstbehalt – ca. 50 Prozent der tatsächlichen Kosten – nicht ändern. Die Änderung ist nur marginal. In Teilen wird er größer, in anderen Teilen kleiner. Das Grundprinzip der Politik ist: Pflege ist Familiensache, das heißt, die Familie muss immer zur Pflege mit beitragen.