Bayern 2 - Notizbuch


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Kurz vor 12 Backen mit Kindern

Als ich noch ein Kind war, habe ich mir fest vorgenommen, dass ich mal alles besser mache. Vor allem in der Weihnachtszeit.

Von: Monika von Aufschnaiter

Stand: 13.12.2011 | Archiv

Mit Mehl verschmiertes Kleinkind | Bild: colourbox.com

Damals liebte ich nämlich viele Dinge, die meine Mutter nicht sooo liebte: Zum Beispiel, meine Finger im Plätzchenteig versenken und sie dann abschlecken. Oder die große, schwere Zuckerpackung in den Händen halten und spüren, wie sie leichter wurde, während der weiße Berg in der Teigschüssel wuchs - manchmal über den Rand hinaus.

Und dann das Ausstechen! Am schönsten war es mit den Linzer Augen, die in der Mitte dieses Loch haben, wo später die Marmelade durchschaut: Da durfte ich mit dem Fingerhut reinbohren, und was drin hängenblieb, das konnte man eigentlich nur mit einer Kinderzungenspitze herauspuhlen. Dieser metallisch-süße Geschmack, zusammen mit dem Zungenmuskelkater, das gehörte für mich damals zu Weihnachten wie der Geruch frisch gelöschter Kerzen.

Jetzt habe ich selbst zwei Kinder, und weil das nicht immer ein Zuckerschlecken ist, war ich in den letzten Jahren sehr nachlässig mit den Traditionen. Als mir neulich jedoch der alte Fingerhut in die Hände fiel, überrollten mich die Erinnerung und die Reue. Wie konnte ich nur meinen Kindern das Beste an Weihnachten vorenthalten?! Gleich morgen würde ich mit ihnen beim Plätzchenbacken besinnlich-kreativ werden und damit ein Weihnachtsritual neu begründen, das noch meine Ur-Urenkel zum Strahlen bringen wird.

Vielleicht war es im Nachhinein betrachtet ungünstig, gleich mit den komplexen Linzer Augen anzufangen. Das Mehl- und Zuckerschütten konnte ich noch genießen. Sobald aber die geriebenen Mandeln ins Spiel kamen, die dem Teig schlagartig die Konsistenz angetrockneter Sandpampe verliehen, schnellte mein Adrenalinpegel in die Höhe: Es machte klick in meinem Kopf und ich hörte mich genau die Sätze sagen, die ich als Kind so hartnäckig ausgeblendet hatte: "Jetzt lass mich mal, das kannst du nicht! Pass doch auf! Nicht dauernd die Finger ablecken, das ist doch eklig! Wasch dir bitte sofort die Hände!"

Je weiter das "Ins Backrohr Hauen" und "Ausstechen" fortschritt, desto mehr fühlte ich mich wie ein General auf dem Schlachtfeld. Es roch nach Verbranntem, so schrecklich vertraut, dass ich meinem Sohn den Fingerhut entriss, um mich durch eine schöne Erinnerung zu trösten. Nur um festzustellen, dass meine Zunge zu plump und stumpf geworden war, um die alte, süße Nostalgie aus dem Hut zu zaubern.

Als mein Mann abends heimkam, fand er an allen Türklinken, Schrankgriffen, Wasserhähnen, ja sogar zwischen den Tasten des Telefons Teigreste - aber keine fertigen Plätzchen. Die Kinder hatten sich in ihr Zimmer verkrümelt, nachdem sie geschworen hatten, das nächste Mal ohne mich, dafür aber mit Spaß zu backen. Womöglich bin ich zu vorbelastet, um als vorweihnachtliche Sinnlichkeitsbotschafterin tätig zu sein.

Ich könnte das therapeutisch aufarbeiten. Oder ich frage meine Kinder, ob sie mich bei ihren lustvollen Kleckereien mitmachen lassen; wenn ich verspreche, meinen Mund mit Teig zuzukleben und mir nicht dauernd die Hände zu waschen.


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