Wlodzimierz Odojewski Der Krieg,der Schmerz und die Träume
Das Schicksal Polens im Zweiten Weltkrieg war das große Thema des polnischen Schriftstellers Wlodzimierz Odojewski. Zwei Tage nach seinem Tod am 20. Juli ist sein letztes Buch auf Deutsch erschienen: "Verdrehte Zeit".
Hat Roman seine Kameraden verraten? Damals, im Partisanenkrieg, als er einem sterbenden Deutschen das Leben rettete? Der Protagonist aus dem Roman "Verdrehte Zeit" muss sich Jahre nach Kriegsende der verdrängten Frage stellen. Die Grenze zwischen Gut und Böse verschwimmt, vor dem Hintergrund der Kriegswirren ist sie kaum zu erkennen.
Enttäuschte Hoffnungen
Die Abgründe des menschlichen Gewissens, die tragischen Vertrickungen einzelner Lebensgeschichten mit dem Zeitgeschehen stehen im Mittelpunkt von Wlodzimierz Odojewskis Werk. Ein unbequemer, kompromissloser Autor schon in der Volksrepublik Polen: Als einer der Ersten beschrieb er den lange tabuisierten sowjetischen Massenmord an polnischen Offizieren in Katyn. Sein Hauptwerk "Zasypie wszystko, zawieje - Alles verwehen wird der Wind" durfte in den 60er Jahren nicht erscheinen. Wegen der Zensur hat Odojewski Anfang der 1970er Jahre sein Land verlassen, hoffte im Westen freier arbeiten zu können – doch er irrte sich.
"Es war eine große Enttäuschung. In dieser Zeit wurde beim Fischer Verlag die Übersetzung des Buches vorbereitet. Als ich das Korrekturexemplar in den Händen hielt, bemerkte ich, dass alle Passagen, die mit Katyn zusammenhingen, herausgeschnitten waren, zensiert wie in Polen. Man wollte Zugeständnisse an Russland machen, einen guten Kunden. Ich habe meine Zustimmung verweigert. Das Buch erschien nicht. Es kam erst zehn Jahre später in Österreich auf den Markt, in deutscher Sprache."
Wlodzimierz Odojewski
Wlodzimierz Odojewski, der in München bei Radio Free Europe gearbeitet hat, dort die in Polen verbotenen Bücher vorstellte, empfand seine eigene Situation viele Jahre lang als tragisch: Als Schriftsteller war er weder auf dem polnischen noch auf dem deutschen Literaturmarkt präsent. In seiner Heimat durfte er nicht mehr publizieren. In seiner Wahlheimat konnte und wollte er nicht in deutscher Sprache schreiben.
Nach dem Sieg der Solidarnosc 1989, begann Wlodzimierz Odojewski zwischen München und Warschau hin- und her zu pendeln. In Deutschland erschien 2007 sein Roman "Ein Sommer in Venedig", eine der wenigen Übersetzungen seiner Werke ins Deutsche. Ein Junge träumt davon nach Venedig zu fahren, seine Mutter hat es ihm versprochen. Doch dann bricht der Krieg aus, der Junge wird aufs Land geschickt, zu seiner Tante. Die große Weltpolitik ist es immer wieder, die die Träume der Menschen vereitelt. Wlodzimierz Odojewski, der stets für das freie Wort kämpfte, mag die letzten Monate seines Lebens wieder um ein freies Polen gefürchtet haben - unter Jaroslaw Kaczynskis PIS-Regierung.