Laura Maire liest Carry Brachvogel: Der Kampf um den Mann
Heiraten! Das ist das einzige, was Frau von Merk für ihre Töchter im Sinn hat. Das kann nicht gut gehen - zeigt die frühe bayerische Frauenrechtlerin Carry Brachvogel in ihrem über 100 Jahre alten Unterhaltungsroman.
München um 1900. Was muss das oberste Ziel einer Witwe mit drei Töchtern sein? Gute Partien für den Nachwuchs natürlich! Es geht um Versorgung und Ansehen, Gefühl wäre auch nicht schlecht! Durchaus anspruchsvoll also - diese Männer müssen gefunden und umgarnt werden, und schnell muss es gehen. Anders hat es die verwitwete Frau von Merk in Carry Brachvogels Roman "Der Kampf um den Mann" nie gelernt. Der Titel sagt alles - Olga, Tilde und Franzi unter die Haube zu bringen, stellt sich als hartes Geschäft heraus. Da ist der Reinfall mit dem Heiratsschwindler, dann der vielversprechende Rittmeister, der vom Pferd fällt, die rauschgiftsüchtige Konkurrentin. Und Tochter Franzi verfällt gar darauf, auf eigenen Beinen stehen zu wollen.
Materielle Rechte und Selbstbewusstsein
Mit dem "Kampf um den Mann" lieferte Karoline "Carry" Brachvogel 1910 beste Unterhaltung für ihre bürgerlichen Leserinnen, gewürzt mit einigen Prisen Emanzipation. Der Erfolg ihrer Romane sicherte der Autorin die finanzielle Unabhängigkeit, die ihre Figuren noch nicht haben. Sie selbst war mit 28 Jahren nach dem tragischen Unfalltod ihres Mannes Witwe geworden - wie Frau von Merk im Roman - für Carry Brachvogel der Zeitpunkt, auf Selbständigkeit zu setzen. Sie begann zu schreiben und wurde als Journalistin und Literatin schnell in Deutschland und Österreich bekannt. Im Münchner "Verein für Fraueninteressen" - der auch im Buch vorkommt und in dem sie unter anderem Mitarbeiterin der "Rechtsschutzstelle" war - engagierte sie sich für die Verbesserung der Stellung der Frauen, die zu dieser Zeit vollkommen von ihren Männern, Vätern und Brüdern abhängig waren. Gleichberechtigung setzte sich für Carry Brachvogel dabei aus zwei Teilen zusammen - aus materiellen Rechten und aus einem ebenfalls neu zu erwerbenden Selbstbewusstsein.
Kampf oder Krampf?
"Modern zu sein, heißt für die Frau ja nicht etwa, nur einen Beruf zu haben, promovieren oder an Wahltagen einen Stimmzettel abgeben zu wollen, nein, modern sein heißt für die Frau, ihr Leben nicht ausschließlich auf die Liebe festlegen, heißt, dem Manne nicht die Gewalt zu binden und zu lösen zugestehen", forderte sie 1912 in einem Vortrag vor den Vereinsmitgliedern. So weit sind viele ihrer Leserinnen aber noch nicht - das weiß Carry Brachvogel und führt mit vielen dramatischen Wendungen und Dialogen fast unauffällig zu der Erkenntnis: Am Ende ist der Kampf um den Mann eher ein Krampf gewesen und alles anders gekommen als gedacht.
Genre-Roman aus der Zeit der Jahrhundertwende
Viel zu schade, dass diese engagierte bayerische Autorin und ihre Werke heute fast vergessen sind! Für Bayern 2 liest die renommierte Hör-Spielerin Laura Maire den mitreißenden Genre-Roman aus der Zeit der Jahrhundertwende. Auch kulturgeschichtlich ein Text mit vielen spannenden Details, von der Schwabinger Bauernkirchweih über das Frühjahrsrennen in Riem bis zur Schönheitengalerie, in der im Roman auch Olgas Porträt hängt.
Die Regie führte Irene Schuck, Mitarbeit Kirsten Böttcher, Redaktion Judith Heitkamp. Zehn Folgen, zu hören ab dem 25. November 2021 in den radioTexten am Donnerstag, der klassischen Lesung, immer um 21.05 Uhr, bis zum 10. Februar 2022.
Der Text der Erstausgabe von Carry Brachvogels Roman "Der Kampf um den Mann" von 1910, mit einem ausführlichen Nachwort von Ingvild Richardsen, liegt im Allitera-Verlag in der Edition Monacensia vor.
Als Bayern 2 Podcast gibt's alle zehn Folgen zum Komplett-Hören ab dem 25. November im Podcast-Center des Bayerischen Rundfunks und in der ARD Audiothek.