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Thomas Lettow liest Clemens Meyer: Die Projektoren

Clemens Meyers Roman „Die Projektoren“ erzählt über das Zeitalter der Extreme und folgt zugleich den Abenteuergeschichten von Karl May. „Vieles davon gleicht einem Märchen“, sagt der Schriftsteller. Lesung mit Thomas Lettow.

Stand: 11.10.2024

Thomas Lettow liest: Clemens Meyer: Die Projektoren

"Die Truppen waren ausgerückt aus der brennenden Stadt. Und er trieb in seinem Boot zu den Kämpfen am eisernen Tor, an der rumänischen Grenze, wo sein Vater gegen die ver­fluchten Deutschen kämpfte, denn nur so konnte es sein, Vater hatte die Stadt mit den Truppen verlassen und kämpfte nun an den Grenzen gegen die Deutschen, die Beograd, die weiße Stadt, zerstört hatten…" (Clemens Meyer, Die Projektoren)

In den späten 1950er Jahren wird er vor einem verfallenden Haus im Velebit-Gebirge in Jugoslawien abgesetzt: der Mann, den alle nur „den Cowboy“ nennen. Er blickt da schon auf eine bewegte Lebensgeschichte zurück. Im Zweiten Weltkrieg, nach dem deutschen Überfall verlor er, damals noch halb Kind, seine gesamte Familie. Er schloss sich den Partisanen an und war für sie als Meldegänger tätig. Später, im Kommunismus, fiel er bei der Partei in Ungnade und wurde interniert. Nun lebt er als einsamer Cowboy in den Bergen – und wird dort Statist bei den Dreharbeiten für die berühmten Karl-May-Verfilmungen. Er darf sogar als Dolmetscher für Lex Barker antreten.

In seinem Roman „Die Projektoren“, einem der großen Bücher dieses Jahres, erzählt der Leipziger Schriftsteller Clemens Meyer von der Geschichte Jugoslawiens im 20. Jahrhundert: vom Einmarsch der Deutschen im Frühjahr 1941 und seinen Folgen – und ebenso von den Bürgerkriegen Anfang der 1990er Jahre, bei denen sich auch Neonazis aus Deutschland als Freischärler verdingten. Die Karl-May-Verfilmungen mit Pierre Brice, Lex Barker, Stewart Granger und vielen anderen Stars sind dabei eine erzählerische Klammer für die verschiedenen Geschichten und Zeitebenen. Gleiches gilt für die Berichte über einen sächsischen Hochstapler namens „Doktor May“ und eine psychiatrische Klinik in Leipzig, deren Patienten auf die eine oder andere Weise mit dem Werk Karl Mays verbunden sind. Ein komplexer literarischer Kosmos.

Acht Jahre lang hat Clemens Meyer an diesem Romanwerk gearbeitet. „Die Projektoren“ ist für den Deutschen Buchpreis nominiert, der am 14. Oktober, am Vorabend der Frankfurter Buchmesse, vergeben wird. Ebenso ist das Buch – 1000 Seiten lang – für den Bayerischen Buchpreis nominiert. „Man hätte sich die Arbeit auch leichter machen können“, sagt Clemens Meyer im Interview. „Aber das will ich nicht. Da habe ich auch einen Anspruch an mich selbst. Und dann riskiere ich das, dass manche Leute sagen: ‚Ach, da komme ich überhaupt nicht mehr klar. Wo bin ich jetzt hier?‘ Frage ich mich übrigens auch ständig, in unserer Realität.“

Der Roman „Die Projektoren“ ist bei S. Fischer erschienen. Thomas Lettow, Schauspieler am Münchner Residenztheater, liest eine Passage aus dem Roman, über einen Sonntagsspaziergang in der Stadt Belgrad im Frühjahr 1941, kurz vor dem Überfall der Deutschen – eine Erinnerung des Mannes, der von allen nur „der Cowboy“ genannt wird. Mit freundlicher Genehmigung des S. Fischer-Verlages sind Lesung und Gespräch zu finden im Bayern 2-Podcast „Buchgefühl – reden und lesen“. Redaktion und Moderation: Niels Beintker


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