Interview und Lesung Im Gespräch: Dana von Suffrin
Wie komisch kann gescheiterte Kommunikation sein? Die Münchner Autorin über die Tücken dysfunktionaler Familien und hilfreichen Humor, dazu liest Xenia Tiling aus dem neuen Roman „Nochmal von vorne“
"Der Boden war wie überall in Israel aus Terrazzo, und genauso wie er bestand Zsazsas Erinnerung nur aus braunen, roten und weißen Steinchen, die man in neuen Formationen sortieren konnte, die aber letztlich nie einen Sinn ergaben."
(aus Dana von Suffrin: Nochmal von vorne)
Wie sich große Geschichte mit Familiengeschichte verbindet – oder auch nicht – das beschäftigt sie schon lange: die Münchner Schriftstellerin Dana von Suffrin. Sie ist promovierte Historikerin und preisgekrönte Romanautorin, ihr hochgelobtes Debüt „Otto“ konnte schon vor fünf Jahren Kritik und Leserschaft begeistern, wie die junge Münchnerin jüdische Familientraumata, Krankheit und Kommunikationsprobleme mit trockenem Humor vereint. Jetzt ist ihr zweiter Roman erschienen: „Nochmal von vorne“ heißt er, und der Bayerische Rundfunk hat in Kooperation mit dem Hessischen und Norddeutschen Rundfunk die Lesung mit der Schauspielerin Xenia Tiling aufgenommen und produziert – und die gibt’s auch schon als Hörbuch-Podcast, achtzehn Folgen in der ARD Audiothek.
Wie prägt große Geschichte den alltäglichen Familienwahnsinn?
"Was ich eigentlich immer in meiner Arbeit versuche zu zeigen, ist, wie sich sozusagen das ganz große historische Ereignis in ganz kleinen Details zeigt."
(Dana von Suffrin)
Trotz so gewichtiger Themen wie Vertreibung und Flucht, Traumata von Shoa-Überlebenden und nachfolgenden Generationen, von Krankheit, Tod und dysfunktionale Familien - trotz allem hat die Münchner Schriftstellerin Dana von Suffrin mit ihrem zweiten Roman „Nochmal von vorne“ einen unsentimentalen, zum Tränenlachen reizenden und zugleich ergreifenden Familienroman geschrieben über ein Jahrhundert der Jeruschers: ein jüdisch-katholisch-nihilistisches Drei-Generationen-Chaos zwischen Siebenbürgen, Tel Aviv und München-Moosach.
"Rückblickend kommt es mir vor, als hätte Nadja, vielleicht sogar, ohne es zu wollen, in diesen Nächten alles, was mein Leben zusammenhielt, verstellt. Und ein paar Monate später war wirklich alles verbeult und fast kaputt… Vielleicht ist es interessanter zu erzählen, wie alles begann. Also nochmal von vorn."
( Dana von Suffrin)
Der jüdische Vater Mordi Jeruscher ist gerade still verstorben und Rosa, die Ich-Erzählerin des Romans (Akademikerin, Millennial und Single) steht ziemlich allein da – die Mutter ist sowieso schon seit Jahren verschollen und die Künstlerschwester Nadja ist nie da, wenn’s komplexer wird. Soll Rosa wieder Kontakt aufnehmen, also „nochmal von vorne“?
"Was mir am meisten gefällt, ist diese völlig gescheiterte Kommunikation zwischen Menschen und das ist eigentlich so eine Situation, die ich sehr typisch finde und die sowohl tragisch als auch komisch finde und deswegen schreibe ich darüber gerne."
(Dana von Suffrin)
Dana von Suffrins kluger Pageturner ist das Buch der Stunde – unaufgeregt und selbstironisch, mit inhärenter Aufforderung zum Dialog: „Nochmal von vorne“!
Dana von Suffrin: Nochmal von vorne
Vollständig gelesen von Xenia Tiling
Regie: Marlene Breuer
Ton und Technik: Thomas Rombach
Produktion: Hessischer Rundfunk/Bayerischer Rundfunk/Norddeutscher Rundfunk 2024
Das Buch ist bei Kiepenheuer und Witsch erschienen.
Redaktion und Moderation: Kirsten Böttcher
Diese Sendung finden Sie auch in unserem Podcast „Lesungen“.
Den Hörbuch-Podcast gibt’s in der ARD Audiothek.