Ernst Toller: Eine Jugend in Deutschland Geschichte eines Revolutionärs – und einer großen Utopie
Ernst Tollers Autobiographie „Eine Jugend in Deutschland“ erzählt von Kaiserreich, Krieg und Münchner Räterepublik. „Ein Lebensbuch“, sagt der Schriftsteller und Dramatiker Albert Ostermaier. Dazu eine Lesung mit Thomas Lettow.
"Ich fasse das Leid nicht, das der Mensch dem Menschen zufügt. Sind die Menschen von Natur so grausam, sind sie nicht fähig, sich hineinzufühlen in die Vielfalt der Qualen, die stündlich, täglich Menschen erdulden? Ich glaube nicht an die „böse“ Natur des Menschen, ich glaube, daß er das Schrecklichste tut aus Mangel an Phantasie, aus Trägheit des Herzens."
(Ernst Toller: Eine Jugend in Deutschland)
Wie viele Angehörige seiner Generation zog er begeistert in den Ersten Weltkrieg. Wie einige seiner Altersgenossen änderte er seine Haltung, angesichts des Grauens an der Front. Ernst Toller, Jahrgang 1893, wurde entschiedener Kriegsgegner und Pazifist. Er schloss sich der bayerischen USPD an und kämpfte im Herbst 1918 für die Revolution. In der Münchner Räterepublik gehörte Toller zu den führenden Köpfen, nach der Niederschlagung im Frühjahr 1919 wurde er verhaftet und schließlich zu einer fünfjährigen Haftstrafe verurteilt. Trotz vielfach schikanöser Auflagen schrieb er im Gefängnis Theaterstücke und wurde, über die dicken Gefängnismauern hinweg, einer der bekanntesten Dramatiker der Weimarer Republik.
In „Eine Jugend in Deutschland“ erzählte Ernst Toller seine bewegte Lebensgeschichte, vom Aufwachsen in einer bürgerlichen Familie bis zur Entlassung aus der Haft. „Ich bin nicht müde“, heißt es am Ende – und genau in dieser Haltung, in dieser Wachheit, hat der Schriftsteller seine Erinnerungen in der Weimarer Republik geschrieben. Tollers Autobiographie erschien 1933 im Exil, im berühmten Amsterdamer Querido-Verlag. Das Buch spiegelt nicht nur den eigenen Lebensweg, sondern auch die politischen Ereignisse der Zeit, darunter auch den Aufstieg der extremen Rechten. Und es warnt eindringlich vor der Situation, in der sich Europa im Jahr der Machtübernahme der Nationalsozialisten befand.
Für den Münchner Schriftsteller und Dramatiker Albert Ostermaier ist Ernst Tollers „Eine Jugend in Deutschland“ ein Lebensbuch. Unter anderem deshalb, weil es von einem Menschen erzählt, der die große Idee der Gerechtigkeit unbedingt verteidigen wollte und ein großer Humanist gewesen ist. Albert Ostermaier verdankt die Begegnung mit diesem Buch einer engagierten Deutschlehrerin, wie er erzählt. Und meint, diese Autobiographie sollte unbedingt Schullektüre sein. Zum Auftakt einer Sommer-Reihe im Bayern 2-Podcast „Buchgefühl – reden und lesen“ blickt Ostermaier auf diesen für ihn wichtigen Autor und seine Lebenserzählung. Der Schauspieler Thomas Lettow, Ensemble-Mitglied am Residenztheater München, liest aus „Eine Jugend in Deutschland“, in der Regie von Irene Schuck. Lesung und Gespräch sind als Podcast in der ARD-Audiothek verfügbar.
Ernst Tollers Autobiographie gibt es in verschiedenen Ausgaben, im Reclam-Verlag und – zuletzt – in der Anderen Bibliothek, herausgegeben von Ernst Piper. Von Albert Ostermaier erschien zuletzt der Gedichtband „Yuba“ – Gedichte zu Fotografien von Maya Mercer – im Steidl-Verlag.
In einer Sommer-Reihe im Bayern 2-Podcast „Buchgefühl – reden und lesen“ sprechen Schriftstellerinnen und Schriftsteller über klassische Texte. In der nächsten Folge erzählt Joshua Groß über Alexandre Dumas und den Roman „Der Graf von Monte Christo“.