Fürst von Lampedusa Dem "Leoparden" auf der Spur
Vor 60 Jahren erschien das Werk mit dem rätselhaften Titel "Il Gattopardo" - "Der Leopard", das mittlerweile längst als Jahrhundertroman und Klassiker gilt. Um die 60 Jahre alt war auch dessen adeliger Autor, Giuseppe Tomasi di Lampedusa, als er seinen ersten und einzigen Roman verfasste - ein eleganter und ironischer Abgesang auf den sizilianischen Adel, letztlich auf seine eigene Herkunft. Aus den Erinnerungen des Fürsten von Lampedusa liest Stefan Wilkening.
"Wirft man einen Blick auf das Leben des Autors vor seiner Zeit als Romanschriftsteller, zu dem er ja erst in den drei letzten Lebensjahren geworden ist, so drängt sich fast unabweisbar der Gedanke auf, dass er den Roman schon lange vorher, ob bewusst oder nicht, in sich getragen haben muss."
(Burkhart Kroeber, Übersetzer der neuen Ausgabe von Der Leopard)
"Il Gattopardo" oder "Der Leopard" zählt mittlerweile längst zu den Klassikern der europäischen Moderne. Es hätte auch ganz anders kommen können. Als Giuseppe Tomasi di Lampedusa am 23. Juli 1957 in Rom an Lungenkrebs verstarb, gab es keinerlei hoffnungsfrohe Aussicht, dass jemals ein Verlag sein Skript annehmen würde. Dass sich sein Roman bald nach Erscheinen bei Feltrinelli im Jahr 1958 zu einem Bestseller entwickeln und er sogar von Lucchino Visconti 1963 kongenial verfilmt werden sollte (mit den damaligen Filmgrößen Burt Lancaster, Alain Delon und Claudio Cardinale) - das alles blieb postumer Ruhm.
Kindheit eines Fürsten von Lampedusa
Der 1896 in Palermo geborene Giuseppe stammte aus einem der einflussreichsten Adelsgeschlechter Siziliens, das auf eine bedeutende Geschichte zurückblicken konnte. Nach dem Besuch des Liceo Garibaldi nahm Giuseppe Tomasi 1915 am Ersten Weltkrieg teil, wurde 1917 in Ungarn gefangen genommen. Ein Jahr später gelang ihm die Flucht und er kehrte nach Italien zurück. Nach Aufenthalten in Rom und Genua, wo er vergeblich versuchte, Jura zu studieren, ließ er sich in seiner Geburtsstadt nieder. Gegen den Willen seiner Mutter heiratete er 1932 in Riga die Psychoanalytikerin Alexandra Wolf-Stomersee. Während die baltische Baroness die Gründung der Psychoanalytischen Gesellschaft in Italien vorantrieb, lebte der Herzog von Palma und Montechiaro, Fürst von Lampedusa, eher entspannt in den Tag hinein, ging – wie er es von seinen adeligen Verwandten kannte - keiner geregelten Tätigkeit nach.
"Er stand immer sehr früh auf, kaufte mehere Tageszeitungen, die er im Café las, interessierte sich für die internationale Politik, und vor allem für die Werke der englischen und französischen Literatur."
(Gioacchinio Lanza, Cousin und Adoptivsohn di Lampedusas)
Filmszene aus dem "Leoparden" mit Burt Lancaster alias Fürst von Salina, Alain Delon als Tancredi und Claudia Cardinale als Angelica
Erst nach Zuspruch seiner Frau begann der literaturverrückte Fürst ernsthaft mit dem Schreiben eines Romans. Doch gleich mehrere Verlage lehnten "Il gattopardo" ab, und mit diesen Aussichten verstarb di Lampedusa 1957. Erst nachdem der Autor Giorgio Bassani die literarische Qualität des Buchs erkannte und sich für dessen Veröffentlichung einsetzte, sollte sich alles ändern: 1959 wurde das Buch mit dem „Premio Strega", dem renommiertesten Literaturpreis Italiens, ausgezeichnet. Spätestens im Jahre 1963, als die hochkarätig besetzte Verfilmung Viscontis bei den Filmfestspielen von Cannes die Goldenen Palme erhielt, war der Roman weltberühmt.
Der krude Charme der Bourgeosie
"Wenn wir wollen, dass alles so bleibt, wie es ist, muss sich alles ändern."
(Ausspruch Tancredis im Roman Il gattopardo zu seinem Ziehvater Fürst Fabrizio)
Sizilien um 1860: Don Fabrizio Corbera, Fürst von Salina, dessen Dynastie den „Leoparden“ im Wappen führt, lebt untätig in seinen dekadenten Palazzi, während sein eigener Stand zum Niedergang verurteilt ist: zu stark und unaufhaltsam sind die Einigungsbestrebungen des jungen Italien, die das Ende des bourbonischen Regimes zum Ziel haben. Tancredi, der Lieblingsneffe des Fürsten, kämpft an der Seite Garibaldis, allerdings nur, um so auf eine politische Karriere im neuen Staat hoffen zu können. Obwohl Don Fabrizio weiß, dass es keine standesgemäße Wahl ist, unterstützt er Tancredis Heirat mit Angelica, der wunderschönen Tochter des neureichen Parvenüs Sedara. Dadurch steigt die Enkelin des „Stinkstiefels“ Peppe in die erlesenen Kreise des sizilianischen Hochadels auf, während Tancredi von ihrer üppigen Mitgift profitiert.
Realität und Roman
"Es wird sich um vierundzwanzig Stunden im Leben meines Urgroßvaters am Tag nach Garibaldis Landung handeln."
(Giuseppe Tomasi di Lampedusa über seinen frühen Pläne zu Il Gattopardo)
Zwar umfasst das Endergebnis deutlich mehr als vierundzwanzig Stunden im Leben eines Fürsten, doch lassen sich tatsächlich viele Beschreibungen von Orten und Personen im Roman der eigenen Familiengeschichte zuordnen. Auch die Lampedusa-Familie wohnte im einem prächtigen Palazzo in der Via Lampedusa Nr. 17 in Palermo, doch die Sommermonate verbrachte sie auf verschiedenen Landgütern: Auf dem Landschloss Santa Margherita Belice, in einer Villa in Bagheria oder in La Torretta, in der Residenz Palma di Montechiaro - allesamt Orte, die Giuseppe Tomasi di Lampedusa in der „Chronik seiner Erinnerungen“ beschreibt und die Stefan Wilkening für die radioTexte eingelesen hat.
"An keinem Ort der Erde, dessen bin ich sicher, hat sich der Himmel je in einem so wilden Blau ausgebreitet wie über unserer eingefriedeten Terrasse, niemals hat die Sonne ein weicheres Licht geworfen als das, welches durch die halb geschlossenen Fensterläden des Grünen Salons drang, niemals haben Feuchtigkeitsflecken auf den Außenmauern der Innenhöfe aufregendere Formen der Fantasie gezeigt als die an meinem Haus."
(Aus den Erinnerungen di Lampedusas)
"Dem Leoparden auf der Spur"
Erinnerungen des sizilianischen Schriftstellers Guiseppe Tomasi di Lampedusa, erschienen unter dem Titel "Die Sirene. Erzählungen" im Piper Verlag.
Lesung mit Stefan Wilkening in den radioTexten am Dienstag, 3. September um kurz nach 21.00 Uhr auf Bayern2
Moderation und Redaktion: Antonio Pellegrino
Am Donnerstag, 5. September beginnt in den radioTexten eine vierteilige Lesereihe aus dem von Burkhard Kroeber neu übersetzten Klassiker "Der Leopard" mit Thomas Loibl. Das gleichnamige Hörbuch ist bei Osterwold Audio (Hörbuch Hamburg) erschienen.
Unsere Lesungen können Sie immer und überall nachhören: auf dieser Seite im Stream, als Download im Podcast-Center des Bayerischen Rundfunks und überall, wo es Podcasts gibt.