Laura Maire liest Grit Krüger: Tunnel
Mascha jobbt im Pflegeheim und weiß, wo ein Bett frei ist. Und wer ein Bett braucht. Grit Krüger im Gespräch über ihren Debut-Roman um eine prekäre Nebenwelt. Lesung mit Laura Maire.

"Wenn eine Alte sie fragt, wie alt sie ist, dann sagt sie: ‚Verrat ich Ihnen für nen Euro!‘, und alle lachen. Die Alte, weil sie in sich auch so eine Stimme kennt, die Geld verlangt für Floskeln und sich freut, wenn sie im Kind einmal laut werden darf. Das Kind, weil die Alte lacht – und Alte oft Geld geben, wenn man mitlacht und bitte danke sagt. Sie selbst, weil die Kleine die Münze nimmt, im Jackenfutter versteckt und glaubt, dass sie, die Mutter, das Geld am Monatsende dort nicht findet. Das Mädchen muss noch lernen."
Grit Krüger
Tinka hat sich schon einiges von ihrer Mutter abgeschaut: Sie teilt deren Widerspenstigkeit und Abenteuerlust, vor allem aber weiß sie, dass man keine Gelegenheit ausschlagen sollte, um an Geld zu kommen. Denn an Geld fehlt es immer, ob für den nächsten Schulausflug oder die nächste Runde Heizkosten. Die Ämter oder die Regeln der Mehrheitsgesellschaft sind keine Hilfe. Tinka kennt die Tricks, Fremden ein paar Euro abzuluchsen. Und Mascha nimmt den Job im Heim an und quartiert Tochter und Freund unauffällig mit ein.
Grit Krüger erzählt in ihrem Roman „Tunnel“ vom Rand der Wohlstandsgesellschaft, von prekären Jobs und täglichem Existenzkampf. 2020/21 war sie mit dem Text Teilnehmerin an der Bayerische Akademie des Schreibens. Krüger wurde 1989 in Erfurt geboren und lebt heute – nach dem Studium der Komparatistik und der Filmwissenschaft – in Ettlingen. Es liest die mit dem Deutschen Hörbuchpreis ausgezeichnete Sprecherin Laura Maire in der Regie von Irene Schuck. Moderation: Marie Schoeß. Mit freundlicher Genehmigung des Kanon Verlags auch im Bayern 2 Podcast "Lesungen" zu finden.