Bayern 2 - radioTexte


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Tijan Sila: Der Tag, an dem meine Mutter verrückt wurde Elektroschrott und Verschwörungstheorie

Bachmann-Preis 2024 für diesen Text über eine bosnische Familie nach dem Bosnienkrieg. „Man kann alles reparieren“, beharrt der Vater. Aber das stimmt nicht. Tijan Silas Lesung und Ausschnitte aus der Jury-Diskussion.

Stand: 02.07.2024

Tasche mit Logo "Ingeborg-Bachmann-Preis 2024" | Bild: Bild: ORF / Montage: BR

"Meine Mutter wurde am 12. August 2007 verrückt. Ich war zu Besuch vorbeigekommen, weil ich etwas Bestimmtes mit meinen Eltern feiern wollte, und kaum hatte ich die Wohnung betreten, als meine Mutter mich am Arm ergriff und zum Esstisch führte. Ich hatte nicht einmal Zeit, die Schuhe auszuziehen, dabei waren wir Bosnier. ‚Setz dich‘, sprach sie. ‚Setz dich, wir müssen reden.‘"

(Tijan Sila: Der Tag, an dem meine Mutter verrückt wurde)

Die Belagerung von Sarajevo begann 1992, die Familie in Tijans Silas Text hat sie erlebt und überlebt. Aber ihre Auswirkungen erstrecken sich bis 2007, bis zu dem „Tag, an dem meine Mutter verrückt wurde“ – und noch viel länger. In einem kurzen Vorgriff macht der Autor deutlich, dass er aus den 2020er Jahren heraus erzählt. Die Mischung aus „Wut und Wahn“ wird zur andauernden Wirklichkeit, einer skurrilen, sogar lustigen und gleichzeitig abgründig grauenhaften Alltagswirklichkeit. Die Mutter versinkt in der Schizophrenie, der Vater stellt die Wohnung voll mit günstig gekauftem Elektroschrott. „Man kann alles reparieren“, sagt er dazu.

Der Salon auf Bayern 2, samstags immer mit dem Podcast „Buchgefühl - reden und lesen“. In dieser Ausgabe mit der Lesung, für die es im Juni bei den Tagen deutschsprachiger Literatur in Klagenfurt den Bachmann-Preis gab. Dazu Ausschnitte aus der Jury-Diskussion.
Der Bayern 2 Podcast „Buchgefühl – reden und lesen“ ist zu finden in der ARD Audiothek.
Moderation: Judith Heitkamp.


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