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Genial ohne Gehirn Stefano Mancuso stellt kluge Pflanzen vor

Die Pflanze gilt als dumme Nuss - gegen dieses seit Jahrtausenden bestehende Klischee scheint kein Kraut gewachsen. Doch es sei Zeit für einen Paradigmenwechsel, meint der renommierte Pflanzenforscher Stefano Mancuso, der mit Verve die erstaunlichsten Forschungsergebnisse der letzten fünfzig Jahre zur Intelligenz der Pflanzen offenlegt. Lesung mit Hemma Michel, Armin Berger und Peter Weiß

Von: Kirsten Böttcher

Stand: 03.06.2015 | Archiv

Pflanzenforscher Stefano Mancuso bei der Eröffnung der Ausstellung "Broken Nature: Design Takes on Human Survival" im Rahmen der XXII Triennale di Milano | Bild: picture-alliance/dpa/IPA

Mindestens seit der Antike begreift sich allein die Menschheit als intelligente Planetenbewohner. In fast allen Kulturen der Welt stehen auf der Evolutionsleiter Pflanzen knapp über den unbelebten Objekten. Schon in der christlichen Schöpfungsgeschichte benötigen pflanzliche Organismen offenbar keine Rettung vor der Sintflut. Nach Gottes Wort soll Noah alles, was sich auf Erden regt, auf seine Arche bringen - kein Wort über die Pflanzen. Mindestens seit biblischen Zeiten scheint also festzustehen, dass Pflanzen keine Lebewesen sind.

Kann Grünzeug fühlen, kommunizieren, lernen?

Die Pflanze und der Mensch - seit Jahrtausenden eine ambivalente Koexistenz: Schon die griechischen Philosophen stritten um die "Seele" der Pflanzen. Gleichzeitig haben Dutzende großer Denker - von Platon bis Demokrit und von Fechner bis Darwin - die Intelligenz des "Grünzeugs" dokumentiert. Erst in den letzten fünfzig Jahren konnte die Wissenschaft tatsächliche Belege für die Intelligenz-Hypothese erbringen.

Der Venusschuh ist eine Orchidee Südostasiens. Mancuso berichtet in seinem Buch, wie die Orchideen die Insekten an der Nase herumführen.

Versteht man unter Intelligenz die "Fähigkeit zur Problemlösung", so verhalten sich die Pflanzen, laut Professor Stefano Mancuso und Wissenschaftsjournalistin Alessandra Viola, "geradezu genial", auch ohne Gehirn. Zeit für einen Paradigmenwechsel, meint das Autorenduo, das im gemeinsamen Buch "Die Intelligenz der Pflanzen" die Vegetation ins richtige Licht rückt und für ein besseres Verständnis wirbt. Das könnte uns Menschen beispielsweise helfen, auf Pestizide zu verzichten oder sogar bessere Computer und Netzwerke zu entwickeln.

Was heißt hier "vegetieren"?

"Ebenso wie mancher Gourmet noch feinste Spuren einer Zutat in einem Gericht ausmacht, können Wurzeln winzige Mineralstoffmengen in vielen Kubikmetern Erde aufspüren."

(Die Intelligenz der Pflanzen)

Stefano Mancuso, Professor an der Universität Florenz, leitet das Laboratorio Internazionale di Neurobiologia Vegetale und ist Gründungsmitglied der International Society for Plant Signaling and Behavior. Mit über 250 wissenschaftlichen Publikationen gilt er international als der Spezialist zum Thema. Sein Buch Die Intelligenz der Pflanzen war 2016 in Österreich das "Wissenschaftsbuch des Jahres".

Leidenschaftlich, mit vielen Beispielen und so für Nichtbiologen gut nachvollziehbar erklärt er, dass Pflanzen über alle fünf Sinne verfügen - und über noch mindestens fünfzehn weitere. Sie nehmen Schwerkraft, elektromagnetische Felder und Feuchtigkeit wahr, tauschen Informationen aus, können Verwandte erkennen, Töne erzeugen, Netzwerke bilden, über eine Art von Schwarmintelligenz ihr Überleben sichern. Der Duft von Rosmarin oder Zitrone fungiert als Sprache der Pflanzen, die wir Menschen nur leider nicht verstehen.

"Wir befinden uns momentan in einer ähnlichen Situation wie der Ägyptologe Jean-François Champollion, bevor es ihm 1822 nach endlosen Versuchen gelang, die Hieroglyphen zu entziffern."

(Stefano Mancuso)

Der grüne Planet

Es liegt also noch einiges im Dunkeln, was die Pflanzen betrifft. Dennoch ist nunmehr das Vorurteil entkräftet, dass sie Lebewesen zweiter Klasse seien.

Satellitenbild vom Blauen Planeten, der ganz schön grün ist

Man könnte sogar ganz anders argumentieren: 99,7 Prozent der irdischen Biomasse entfallen auf Pflanzen. Der Anteil der Gattung Mensch - zusammen mit allen anderen Tieren - beträgt schlappe 0,3 Prozent. Wir leben also auf einem wahrlich grünen Planeten! Ohne Pflanzen wären wir Menschen nach einer Woche bereits dem Untergang geweiht: Sie liefern uns Luft zum Atmen, Energieressourcen in Form fossiler Brennstoffe, sind Nahrungs- und Arzneimittel sowie Produktionsmaterial. Wer herrscht hier also über wen?

"Die Intelligenz der Pflanzen"

von Stefano Mancuso und Alessandra Viola

Lesung mit Hemma Michel, Armin Berger und Peter Weiß

in den radioTexten am Dienstag,

am 25. Juni 2019

um kurz nach 21.00 Uhr auf Bayern2

Moderation: Antonio Pellegrino

Das Buch ist in der Übersetzung von Christine Amman im Verlag Antje Kunstmann erschienen.

Nachhören und Herunterladen können Sie diese Lesung im Podcast-Center des Bayerischen Rundfunks und überall, wo Sie bevorzugt Ihre Podcasts herunterladen.


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