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Kommentar "EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei dürfen nicht enden"

Sollten die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei abgebrochen oder zumindest vorläufig ausgesetzt werden? Nein, das wäre die falsche Strategie, meint Sebastian Schöbel. Ein radioWelt-Kommentar.

Von: Sebastian Schöbel, ARD-Studio Brüssel, z.Z. in Straßburg

Stand: 23.11.2016

Europafahne, türkische Fahne | Bild: picture-alliance/dpa

Es geht schon bei der Wortwahl los: Einfrieren, suspendieren, pausieren, abbrechen.

Bezogen auf die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei konnte man in diesen Tagen im EU-Parlament so ziemlich jedes dieser Worte hören. Und jeder schien etwas anderes darunter zu verstehen: Mal das schnelle, unwiderrufliche Ende der Beitrittsgespräche mit Ankara, mal eine Pause mit Chance auf Rückkehr an den Verhandlungstisch.

Und das sind nur die deutschen Varianten: Die EU hat 24 Amtssprachen - die Übersetzer es EU-Parlaments sind nicht zu beneiden.

Es braucht ein deutliches Signal der EU an die Türkei - nur welches?

Dabei wollen die Europaabgeordneten am Donnerstag doch ein deutliches Signal Richtung Ankara senden: Mit einem Beschluss, der Erdogan den Weg nach Europa deutlich schwerer machen soll - als Konsequenz für die Missachtung der Menschenrechte von zehntausenden entlassenen Beamten, die Verfolgung kritischer Journalisten und die Drohung, die Todesstrafe wieder einzuführen. So kommst du nicht in die EU, lautet die Botschaft.

Doch schon die schwierige Suche nach der richtigen Formulierung zeigt, warum das der falsche Weg ist. Denn egal mit welchen Worten das EU-Parlament die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei zur Erliegen bringt: Erdogan wird sie so verstehen, wie er will. Seine PR-Maschine wird es als zutiefst ungerechte und ungerechtfertigte Bestrafung der Türkei darstellen, als Abkehr Europas von einem Volk, dem es jahrelang den Beitritt versprochen hat, als Beleidigung.

Und Millionen von Türken werden ihm das glauben - im schlimmsten Fall auch die, die bisher an Europa geglaubt haben.

Auf der Suche nach einer klugen Strategie

Erdogan würde eine Abkehr der EU für sich nutzen

Was das EU-Parlament versucht, ist nachvollziehbar, Erdogan selbst beweist das inzwischen beinahe täglich.

Strategisch klüger aber wäre etwas anderes.

Nämlich eine Erklärung, die Beitrittsgespräche mit der Türkei explizit fortführen zu wollen, trotz aller Widrigkeiten. Um Erdogan zu zwingen, seine kruden Drohungen umzusetzen. Vor allem die Volksabstimmung aller Türken über den EU-Beitritt: Die gewinnen die EU-Gegner wahrscheinlich, aber Millionen von Türken werden sich offen FÜR Europa aussprechen, das wäre dann amtlich. Und wenn der autokratische Präsident dann die Gespräche mit der EU offiziell abbricht, hätte ER sich von Europa abgewendet, nicht Europa von den Türken.

Und das ist wichtig, weil es mit der Türkei längst um mehr geht als das Öffnen oder Schließen von Verhandlungskapiteln.

Es geht darum, den Türken zu zeigen, warum sie Europas Vision und nicht Erdogans Wahnvorstellungen wählen sollten.

Das geht aber nur, wenn man ihnen jetzt nicht die Tür vor der Nase zuschlägt. Aus Wut auf einen einzelnen Mann.


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