Hillary Clinton hatte acht Jahre Zeit zu lernen. Sich vorzubereiten auf die Krönung ihres politischen Lebens. Und sie hat diese acht Jahre nicht genutzt.

Sie hat offenbar zwei entscheidende Dinge nicht gelernt: zum einen Hillary, den Menschen, freizulassen. Zum anderen transparent zu sein.

Hillary Clinton ist wie eine Auster. Fest verschlossen.

Normalität im US-Wahlkampf: Alles wird auf den Kopf gestellt

Zugegeben, sie hat im Laufe ihrer Karriere viele Blessuren davon getragen, wurde nicht immer fair behandelt. Doch wer in den USA Anlauf nimmt, um Präsident zu werden, sollte wissen, dass er durchleuchtet, auf den Kopf gestellt und geschüttelt wird, um zu sehen, ob es irgendwo klappert. Sprich: irgendwas nicht in Ordnung ist.

Dass Clinton erst zwei Tage nach der Diagnose Lungenentzündung damit rausrückte und dann auch nur gezwungenermaßen, ist leider ein Beweis, dass sie die Lektion Transparenz immer noch nicht gelernt hat.

Nicht dass wir uns falsch verstehen: krank werden kann jeder. Und schon mal ganz und gar, wenn derjenige eine Ochsentour wie einen Wahlkampf macht mit dicht getakteten Terminen im Kalender. Dass normalerweise jedem ein gewisses Maß an Privatsphäre zusteht – keine Frage. Aber wer ins Weiße Haus will weiß, dass mit diesem Privileg Schluss ist.

Nahrung für die Verschwörungstheoretiker

Seit Jahren legen Präsidentschaftskandidaten in den USA ärztliche Atteste vor. Die Amerikaner wollen wissen, ob die Bewerber in der Lage sind, den anstrengenden und verantwortungsvollen Job zu stemmen. Dass Hillary Clinton den Verschwörungstheoretikern mit ihrem Schweigen tonnenweise Öl ins Feuer gegossen hat – geschenkt.

Ratlosigkeit bei den Unterstützern

Aber wenn selbst die Leute aus dem eigenen Lager die Hände verzweifelt über dem Kopf zusammenschlagen über so viel Beratungsresistenz, dann wird es eng. Obamas ehemaliger Chefstratege David Axelrod, Demokrat vom Scheitel bis zur Sohle, klingt ratlos. Er sagte, Antibiotika könnten eine Lungenentzündung heilen. Doch was sei die Heilung für einen ungesunden Hang zur Privatheit, der immer wieder unnötige Probleme heraufbeschwöre?

Hillary Clinton und ihre vertane Chance

Hillary Clinton hat eine große Chance vertan, womöglich die größte Chance, die sie in diesem Wahlkampf hatte. Hätte sie nach der Diagnose am Freitag offen gesagt: ich bin krank, tut mir leid, ich brauche ein paar Tage Auszeit. Dann wäre sie zum einen endlich einmal menschlich und nahbar gewesen.

Zum anderen hätte sie mit dieser Transparenz Donald Trump mächtig unter Druck setzen können. Ihn, der immer noch nicht seine Steuererklärung offen gelegt hat und dessen medizinischer Bericht recht grob und gerade mal eine Seite lang ist.

Clinton hätte zeigen können: was ihr mir seit Ewigkeiten vorwerft, mangelnde Transparenz - Ich habe gelernt. Und: wie steht’s eigentlich um Donald Trumps Gesundheit, der ist schließlich nochmal zwei Jahre älter?

Vergeudete Zeit

Stattdessen Schweigen und dann Salamitaktik, immer ein Scheibchen mehr Informationen. Diese Woche soll es nun noch einen detaillierteren Einblick in ihre Gesundheitsakte geben. Die Frage ist nur, ob diese vermeintliche Transparenz nicht viel zu spät kommt und die Wähler sie ihr noch abnehmen.

Diese Lektion zu lernen hatte Hillary Clinton eigentlich acht Jahre lang Zeit. Vergeudete Zeit. Schade eigentlich.