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Reformation um die Ecke gedacht Was Mennoniten mit Luther zu tun haben

Bei Reformation denkt man sofort an Martin Luther, der in Deutschland die treibende Kraft bei der Entstehung des evangelischen Glaubens war. Doch es gab auch andere Zweige der Reformation und auch sie haben bis heute überlebt. Moderne Glaubensgemeinschaften wie die Mennoniten, die Hutterer oder die Amish in den USA sind ebenfalls aus der Reformation entstanden – in Mitteleuropa und sogar in Bayern. Von hier wurden sie allerdings brutal vertrieben, unter anderem von Luther und seinen Anhängern. Heute gibt es sie auch in Deutschland wieder.

Von: Markus Kaiser

Stand: 24.10.2016

Reformator Menno Siemons | Bild: picture-alliance/dpa

Ostermorgen im Jahr 1528. Die Stadtwache von Augsburg umstellt ein Haus in der Altstadt. In der Privatwohnung von Johanna Daucher findet gerade eine Versammlung der Täuferbewegung statt. Sie feiern eine Art Gottesdienst, in den Augen der Obrigkeit ist es aber eine "illegale Zusammenrottung". Die Täufer ahnen die geplante Razzia – einige von ihnen verlassen das Haus vorzeitig. 88 Personen bleiben aber und werden verhaftet.

"Sie wurden verhört, die meisten ausgewiesen. Drei Personen erhielten ein Brandzeichen, ein Kreuz auf die Backe gebrannt. Elisabeth Heggenmiller wurde die Zunge herausgeschnitten. Der Vorsteher und Prediger Hans Leupold wurde 14 Tage drauf hingerichtet"

Wolfgang Krauß, Mennonitengemeinde Augsburg.

Wolfgang Krauß gehört der Augsburger Mennonitengemeinde an, einer Glaubensrichtung, die aus der Täuferbewegung hervorgegangen ist. Die Täufer waren ein Teil der "radikalen Reformation", auch "linker Flügel der Reformation" genannt.

Die Täufer - der radikale Flügel der Reformation

Radikal unter anderem deswegen, weil sie mit einer baldigen Wiederkunft Christi rechneten und ihre Welt darauf ausrichten wollten – mit Gütergemeinschaft, Gewaltlosigkeit und einer hierarchiefreien Kirche und Gesellschaft. Damit waren sie als Reformatoren nicht nur Gegenspieler der katholischen Obrigkeit, sondern auch Martin Luther ein Dorn im Auge.

"Erstlich sind etliche Ketzer aufrührerisch, die öffentlich lehren, dass man keine Obrigkeit dulden soll. Diese sind stracks und ohne allen Zweifel zu strafen, denn sie sind nicht allein Ketzer, sondern als die Aufrührer greifen sie die Obrigkeit und ihr Regiment und Ordnung an"

Martin Luther.

Ein großer theologischer Streitpunkt zwischen Luther und den Täufern: Die Täufer lehnten die Kindertaufe ab. Sie wollten sich als Erwachsene taufen lassen, aus der freien Entscheidung zum Glauben heraus.

"Wiedertäufermandat von Speyer" - das Todesurteil für Täufer

Dafür wurden sie von der Obrigkeit und von gemäßigteren Reformatoren abschätzig als "Wiedertäufer" bezeichnet und nahezu ausgerottet. 1529 verfügte der Reichstag zu Speyer die Todesstrafe für die umstrittene Taufpraxis. Zwei bis dreitausend Täufer wurden getötet, tausende gefoltert, eingekerkert oder vertrieben.

"So jetzt sind wir hier vorm Rathaus – Hans Leupold, ihm wurde hier vor dem Rathaus sein Urteil verlesen, dass er aus Gnaden mit dem Schwert vom Leben zum Tod befördert werden sollte. Worauf er mit lauter Stimme ausrief: „Nicht so ihr Herren von Augsburg, sondern vom Tod zum Leben"

Wolfgang Krauß.

Der Lech fließt ruhig durch einen Kanal vorbei am Ort der Razzia von 1528. Am Haus ist heute eine Gedenktafel angebracht. Der einzige öffentliche Hinweis auf die Täufer in Augsburg.

Die Mennoniten - Nachfahren der Täufer in aller Welt

Vonseiten der großen Kirchen gab es in den letzten Jahren zwar Zeichen der Versöhnung: Berichte zur Aufarbeitung der Vergangenheit, Gemeinsame Gottesdienste, doch Vertreter der Nachfolger der Täufer, wie Wolfgang Krauß von den Mennoniten, wünschen sich mehr.

"Es könnte natürlich noch mehr geschehen in der Aufarbeitung und in Erinnerungsarbeit. Also mein Ziel ist auch ein Dokumentationszentrum oder ein kleines Museum hier in Augsburg zu haben um die Täufergeschichte aufzuarbeiten"

Wolfgang Krauß.

Mennoniten gibt es heute weltweit, vor 90 Jahren haben sich die Nachfahren der "Täufer" auch wieder in Augsburg angesiedelt: Die Gemeinde von Wolfgang Krauß zählt heute 40 Personen. Andere Strömungen der Täuferbewegung finden sich vor allem in Nordamerika: Die Hutterer, die ein Leben in Gütergemeinschaft führen oder die Amish, die aus den Mennoiten entstanden. Sie sind vor allem bekannt für ihr einfaches Landleben und ihren Verzicht auf technischen Fortschritt. Alle Nachfolgekirchen der Täufer verbindet bis heute die Ablehnung der Kindstaufe. Gläubige müssen sich in einem bewussten Bekenntnisakt taufen lassen.


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