Die Metapher Starke Wörter mit Hand und Fuß
Kunstmetaphern sind meist reine Kopfgeburten. Sie haben oft etwas Geziertes, Gewolltes, Verstiegenes und Klügelndes. Alltagsmetaphern sind dagegen in der Regel echte Leibgeburten, die Körpererfahrungen und Sinneswahrnehmungen spiegeln: Wenn uns etwas herunterzieht oder innerlich aufrichtet, steckt hinter diesen Metaphern ein ursprünglich konkretes physisches Erlebnis, das wir sprachlich auf Ideen, Personen, Ereignisse übertragen. Dieses metaphorische Prinzip funktioniert in zwei Richtungen. Es gibt nicht nur einen Hinkanal vom Körpergefühl zur Metapher, es gibt auch immer einen Rückkanal von der Metapher zum Körpergefühl. So wie aus Gefühlen und Erfahrungen Metaphern entstehen, so entstehen aus Metaphern wieder Emotionen und Körperwahrnehmungen.
Neuronen unter Aufsicht
Den Nachweis dieser bidirektionalen Verkettung lieferte die neurobiologische Kognitionsforschung. Die interdisziplinäre Wissenschaft beobachtet das Gehirn mithilfe modernster Messverfahren bei der Arbeit und gewinnt so erstaunliche Einblicke. Zum Rüstzeug der Neuroexperten zählt unter anderem das Wissen um Funktion und Zuständigkeiten unterschiedlicher Hirnregionen. Die ständig verfeinerte Kartografie kognitiver Prozesse zeigt beispielsweise, welche Areale die inneren Organe steuern, welche die Bewegungsabläufe der Extremitäten koordinieren, wo die Sinnesorgane angesprochen und ihre Signale ausgewertet werden, wo die Sprache erzeugt und verarbeitet wird. Mithilfe solcher Lokalisierungen und geeigneter Messmethoden lässt sich hochpräzise ermitteln, wie intensiv spezifische Areale auf unterschiedliche Reizangebote reagieren, wann, unter welchen Bedingungen und in welchen Netzwerken sie aktiv sind.
Wörter mit Hand und Fuß
Durch immer ausgefeiltere Studien konnten Kognitionsforscher mittlerweile eine zentrale Hypothese als Faktum bestätigen: Sprachbilder aktivieren eindeutig jene Areale im Gehirn, die mit der wörtlichen Bedeutung der Begriffe verknüpft und für die konkrete Körperäußerung verantwortlich sind. So konnte etwa der Neurowissenschaftler Friedemann Pulver nachweisen, dass bei bildhaften Aussagen nicht nur der für die komplexe Deutungsverarbeitung zuständige präfrontale Kortex aktiv war. Die Experimente bestätigten, dass bei allen Aussagen, die Arm- oder Beinbewegungen ansprachen, jeweils auch der für die Bewegung von Armen und Beinen zuständige Motorkortex tätig war.
Nadelstiche im Fleisch
Metaphern, das schält sich immer klarer heraus, sind untrennbar mit neuronalen Vorgängen verquickt. So konnte der Psychologe Thomas Weiß demonstrieren, dass Schmerzwörter wie "quälend", "zermürbend" und Schmerzmetaphern das Schmerzzentrum im Gehirn genauso alarmierten wie echte Nadelstiche. Verbale Reize, gleichviel ob wörtlich oder übertragen gebraucht, aktivieren das Schmerzgedächtnis und rufen dieselben neuronalen Reaktion hervor wie tatsächlicher körperlicher Schmerz. Von verletzenden Äußerungen und schmerzlichen Worten zu sprechen, ist also keine bloße Sprachschöpfung, sondern ein Stück neuronaler Wirklichkeit.
Die bidirektionale Metapher
Die Dichte und Konsistenz der Beobachtungen lässt keinen vernünftigen Zweifel mehr zu: Metaphern bewegen das Gehirn, wecken Emotionen, provozieren physische Reaktionen. Mit Schmerz assoziierte Wörter führen zu einer deutlichen Aktivierung der Schmerzmatrix im Gehirn, mit Bewegung assoziierte Metaphern sprechen den Motorkortex an, mit Ekel assoziierte Sprachbilder lassen uns würgen und verursachen Brechreiz, Schuldgefühle wecken den dringenden Wunsch, sich die Hände zu waschen, schon die bloße Erwähnung einer widerwärtigen, moralisch verwerflichen Tat produziert alle körperlichen Anzeichen des Ekels und Abscheus und hinterlässt nicht nur im metaphorischen Sinn einen üblen Geschmack im Mund. Damit steht ein grundsätzliches Problem im Raum: Das Gehirn tut sich bisweilen schwer damit, ausreichend schnell und präzise zwischen Metapher und Wirklichkeit zu unterscheiden. Damit werden Sprachbilder zu Werkzeugen, die ihre eigenen Wirklichkeiten schaffen.