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Leben in Metaphern

Die Metapher Leben in Metaphern

Stand: 20.03.2018

Mütterliche zu einem Herz geformte Hände umfassen Babyfüße | Bild: picture-alliance/dpa

Lange Zeit beschäftigten sich ausschließlich Dichtungs- und Redekundler mit der Metapher. Erst am Ende des 20. Jahrhunderts war es um die ästhetische Reservatruhe geschehen, fachfremde Neugier stürmte den sprachbeschaulichen Elfenbeinturm. Linguisten, Psychologen, Soziologen, Neurobiologen fingen Feuer und debattierten zunehmend hitzig über das Phänomen der Sprachbilder. Die jungen Wilden der kognitiven Metaphernforschung interessierten sich allerdings nicht für sprachästhetische, poetologische und rhetorische Finessen. Ihnen ging es um eher prosaische Dinge: darum, wie Sprache, Denken, Handeln, Psyche und Körper verknüpft sind oder welche Rolle die Sprachbilder in alltäglichen Kommunikations- und Kognitionsprozessen spielen.

Metaphern wurzeln im Körper

Am Beginn der neuen Fragelust stand ein Buch, das der amerikanische Sprachforscher George Lakoff und der Philosoph Mark Johnson 1980 gemeinsam veröffentlichten. Es trug den sprechenden Titel "Metaphors We Live By" und stellte eine Reihe steiler Thesen auf. Metaphern sind für Lakoff und Johnson weit mehr als schmückende Stilfiguren. Sie durchdringen und tragen das Dasein, die Sprache, das Handeln und Denken. Alle Vorstellungen von der Welt, alle Weltbilder, alle Konzepte, denen wir folgen, sind im Kern metaphorischer Natur, sind durch Metaphern erzeugt und werden durch Metaphern mitgeteilt. Die Allgegenwart und Wirksamkeit der Metapher ist weder beliebig noch willkürlich erzeugt: Sie wurzelt in unseren frühesten, vorsprachlichen Wahrnehmungen, in körperlichen Erlebnissen, die unsere sprachliche Welterfahrung und Weltbeschreibung prägen und organisieren.

Sprache ist gelebte Erinnerung

Indizien für einen engen Zusammenhang zwischen Metaphernbildung und Körperwahrnehmung gibt es zuhauf. Ein unmittelbar nachvollziehbares Beispiel liefern etwa Metaphern, die zwischenmenschliche Begegnungen wie Liebe, Zuneigung, Freundschaft ausdrücken. Dass wir diese Annehmlichkeiten mit Wortfügungen aus dem Bereich des Wärmeempfindens beschreiben, dass wir uns für jemanden oder etwas erwärmen, dass wir von Warmherzigkeit, heißer Liebe, wärmster Dankbarkeit, wärmster Freundschaft, von warmen Blicken und warmen Augen sprechen, kommt nicht von ungefähr. Die in allen Kulturen und Sprachen anzutreffende Koppelung positiver Emotionen mit Wärme ankert in der primären Erfahrung mütterlicher Zuwendung.

Die Mutter aller Metaphern

Das bei der Mutter gefundene Gefühl der Wärme und Geborgenheit übertragen wir später metaphorisch auf ähnliche Situationen. Genauso, nur mit umgekehrten Vorzeichen, belegen wir unangenehme Begegnungen und Erfahrung mit Kältemetaphern. Wir sprechen von einer kalten Abfuhr, zeigen jemandem die kalte Schulter, spüren unser Interesse oder Herz erkalten, frösteln unter eisigen Blicken. Das neuronal gespeicherte Urbild, nach dem diese sprachlichen Frust- und Frostbilder gemodelt sind, muss man nicht lange suchen: Der Entzug mütterlicher Wärme und Nähe ist für jedes Kind eine schmerzliche Erfahrung, die sich ein Leben lang sprachlich niederschlägt. Und dass wir, nur nebenbei erwähnt, von Muttersprache, langue maternelle, mother tongue und lingua madre sprechen, ist im Licht dieser Erkenntnisse gewiss auch kein Zufall.

Nah am Sein gebaut

Hat man erst einmal akzeptiert, dass sich der Leib in Metaphern sprachlich ausdrückt, wird die Welt der Sprachbilder zum fortgesetzten Aha-Erlebnis: Jemand erscheint gedrückt, eine Stimmung steigt, erreicht den Höhepunkt oder sinkt auf Null, etwas bringt mich hoch oder zieht mich genau deshalb herunter, weil dahinter die Erfahrung steckt, dass positive Gefühle mit einer aufrechten, erhobenen Körperhaltung und negative Gefühle mit einer gebeugten, eingefallenen Körperhaltung einhergehen. Es spricht also alles dafür, dass Lakoff und Johnson mit ihrer zentralen Aussage den Nagel auf den Kopf getroffen haben. Diese Haupterkenntnis lautet schlicht und einfach: Wir sprechen nicht nur in Metaphern, wir leben und denken in Metaphern.

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