Was die Bibel über die Evolution verrät Ackern ohne Ende
Das paradiesische Wohlleben findet ein jähes Ende, als Adam und Eva vom Baum der Erkenntnis essen. Damit verstoßen sie gegen ein absolutes Tabu. Die Vergeltung fällt drakonisch aus: Gott vertreibt die Menschen aus dem Paradies. Von nun an sollen sie arbeiten, schwitzen, zanken, hungern, leiden und das Malheur ihren Nachkommen weitergeben. Im Zentrum der Exilexistenz steht die Landwirtschaft als Strafe, die Gott eigens für diesen Zweck ersonnen hat. Die den Stammeltern zugewiesene Lebensform ist von vorneherein prekär. Gott hat den Boden verflucht. Dornen und Disteln soll er tragen. Mühselig soll sich Adam ernähren ein Leben lang, soll ackern und rackern, soll sein Brot essen im Schweiß seines Angesichts.
Der Fortschritt, der ein Rückschritt war
Was die Bibel als Strafe Gottes ausgibt, stimmt erstaunlich genau mit den historisch belegbaren Fakten der kulturellen Evolution überein. Der frühe Ackerbau ist mühselig und äußerst ineffizient. Die Bodenbearbeitung mit hölzernen Werkzeugen und Grabstöcken hat einen dürftigen Wirkungsgrad und wirft nur geringe Erträge ab. Gemessen am eingesetzten Arbeits- und Zeitaufwand bringen die Ackerbauern deutlich weniger Kalorien auf den Tisch als ihre Sammler- und Jägervorfahren. Obendrein ist die nun vorherrschende Getreidekost auch noch nährstoffarmer als die frühere Fleischkost. Das karge, oft einseitige Nahrungsangebot fordert seinen Tribut: Die sesshaften Ackerbauern und Viehzüchter leiden unter Darmparasiten, Karies und rheumatischen Beschwerden, sie sind kleiner, schwächer und sterben früher als ihre nomadisierenden Ahnen.
Männer herrschen, Frauen gebären
Adams neues Dasein ist gewiss kein Zuckerschlecken. Aber Eva hat es noch härter erwischt. Gott hat ihr Mühsal, schwere Geburten und das Patriarchat auferlegt: "Viel Mühsal bereite ich dir, sooft du schwanger wirst", zürnt der Herr, "unter Schmerzen gebierst du Kinder." Während Adam vorwiegend auf dem Acker schuftet, plagt sich Eva fortan überall: im Haus, auf dem Feld und vor allem im Kindbett. Sie wird ausgebeutet, biologisch, emotional und wirtschaftlich, und muss obendrein die die Starallüren ihres Gebieters erdulden: "Du hast Verlangen nach deinem Mann, er aber wird über dich herrschen."
In der Strafkolonie
Die bildhaften Strafen sind ein präziser Spiegel der entwicklungsgeschichtlichen Realität. Anthropologische Belege zeigen, dass die sesshaften Frauen aufgrund körperlicher Rückbildung, hoher Arbeitsbelastung und häufiger Mangelernährung tatsächlich schmerzhafter und risikoreicher gebären als früher. Mit der Häufigkeit der Schwangerschaften steigt so auch die Müttersterblichkeit. Verschärft wird die Situation der Frauen durch ihre juristische und kultische Entrechtung: Die vollständig männerrechtlich organisierte Lebensweise bringt das Kunststück zuwege, die Unterdrückung der Frau als gottgewolltes Schicksal und Sühne festzuschreiben.
Paradies verloren, Rückkehr versagt
Einen Weg zurück gibt es nicht, die Entwicklung ist unumkehrbar. Auch dafür findet die Bibel ein klares, eindrucksvolles Bild. Gott bringt mit der ihm vorbehaltenen Frucht vom Baum der Erkenntnis nicht nur die Idee des exklusiven Eigentums in die Welt. Er zeigt auch, wie man dieses Konzept und vor allem den Besitz erfolgreich schützt. Das Rezept ist einfach und bis heute in Gebrauch: Man vergibt oder verwehrt Aufenthaltsrechte. Man nimmt auf oder vertreibt. Man gewährt oder entzieht Rechte. Vor allem aber: Man baut Mauern und postiert bewaffnete Schergen an den Toren. So, wie es Gott in der Genesis vormacht: "Er vertrieb den Menschen und stellte östlich des Gartens von Eden die Cherubim auf und das lodernde Flammenschwert, damit sie den Weg zum Baum des Lebens bewachten."