Doswidanja Russenschaukel Die letzte Saison für Bayerns ältestes Riesenrad
Und wieder geht ein Stück altes München verloren. Das nostalgische Riesenrad auf der Auer Dult dreht nach 94 Jahren heuer seine letzten Runden. Die Eigentümer können die TÜV-Auflagen nicht mehr erfüllen.
Wer noch einmal mit dem Dulter Riesenrad fahren will, hat dieses Jahr noch vier Gelegenheiten - auf der Maidult, der Jakobidult im Juli, der Kirchweihdult im Oktober und auf dem Münchner Oktoberfest. Danach wird die 14 Meter hohe Russenschaukel, wie das Fahrgeschäft ursprünglich genannt wurde, endgültig eingemottet. Angefangen haben die Geschichten um das Riesenrad mit dem Schwabinger Schuhmachermeister Josef Esterl 1924, im Jahr nach der Währungsreform. Weil die Leute damals kaum Geld hatten, um ihre Schuhe flicken zu lassen und folglich der Schuhmachermeister auch keines mehr, um seine Familie zu ernähren, wechselte der Schuster ins Schaustellergewerbe.
Er nahm Kredite auf und bestellte eine „besonders schön ausgeschmückte Russische Schaukel“ bei einer Thüringer Karussellfabrik. Das bis dato noch seltene Fahrgeschäft wurde nach der Herkunft seiner Erfindung benannt und erinnerte aber plötzlich an das verlorene Zarenreich. Das mochte man nicht und erfand einen neuen Begriff: Riesenrad.
Wolf Gaudlitz hat sich neben das mittlerweile in dritter Generation besetzte Kassenhäuschen und wiederholt in eine der zwölf Schaukeln gesetzt und hat zugehört, was die Menschen so zu erzählen haben, wenn sie manchmal zum ersten, meist aber zum zigsten Male mit dem alten Fahr- und Vergnügungsgeschäft in die Höhe getragen werden, sich erinnern und zu erzählen beginnen.
Die Eigentümer, die Geschwister Herbert Koppenhöfer und Edith Simon, sind stolz auf ihr Riesenrad. Aber sie können und wollen nicht zig-tausend Euro investieren, um das großväterliche Erbe mit der modernsten Sicherheitstechnik auszustatten. Wenn nicht ein Wunder geschieht, wird es im Herbst wohl heißen: Doswidanja Russenschaukel.