Marktfrisch in Straubing Grüner Markt vor historischen Fassaden
Typisch für Niederbayerns Märkte und Städte sind die sogenannten Ackerbürger, die von den Vorstädten aus die Bevölkerung versorgten – und immer noch versorgen. Auch wenn ihre Gärten und Felder längst von den Wohngebieten eingekreist sind: In Städten wie Landshut oder Straubing bringen die Schwaiger- oder Gartler noch täglich ihre frischen Produkte dorthin auf die städtischen Marktplätze.
Gelbe Narzissen und blaue Veilchen leuchten vor dem mittelalterlichen Stadtturm mit seinen fünf Turmspitzen. Rote und weiße Rettiche liegen neben Grünkohl, der im Eimer fast wie ein Blumenstrauß aussieht. Um die Marktstände herum schlendern Frauen mit Kinderwägen und das alles ist umrahmt von den historischen Fassaden der stattlichen Bürgerhäuser - wie ein Gemälde. Wer auf dem täglichen grünen Markt von Straubing einkauft, weiß nicht nur die frische Ware zu schätzen:
"I find's guad, weil des an Stadtplatz belebt, und da tut sich immer was. Dann trifft man Leut'. Da kann man auf einen Ratsch gehen. Rundum gibt’s viele Cafes, wo man sich hinsetzen kann. Der belebt den Stadtplatz, find i , der Markt. Oder etz im Frühjahr die ganzen Blumen, das ganze Bunte. Dann as ganze Jahr, dass man regionales Gemüse kaufen kann. Das finde ich ganz toll. Mit den Pflanzl, wenn etz dann die Pflanzzeit losgeht, Pflanzl krieg i da. I muass koa Sechser-Packl kaufen, perfekt für mi."
Kunden auf dem grünen Markt in Straubing
Marktverkäuferin Jutta Deisinger freut sich über das Lob, lächelt und erzählt vom Unterhaltungswert ihrer Arbeit mitten in der Fußgängerzone:
"Das letzte Mal hat jemand beim Müller was mitgehen lassen, der ist dann bei uns vorbei, die Detektivin hinten nach – solche Sachen. Es ist jeden Tag was anderes. Die ganze Szenerie, es is schee, es is besser, wie wenn man sich in ein Café hockt, weil man auch noch dafür bezahlt wird."
Marktverkäuferin Jutta Deisinger
Früher gab es viele Märkte
Früher gab es in der Straubinger Innenstadt nicht nur den grünen Markt, sondern viele Märkte, erzählt Stadtarchivarin Dorit Krenn:
"Seit der Gründung der Neustadt 1218 hat sich die Stadt entwickelt als ganz wichtiger Umschlagplatz, Marktplatz für das weite Umland und wir haben im Grunde keinen Stadtplatz, sondern einen Straßenmarkt. Und auf diesem Straßenmarkt hat sich so viel abgespielt, egal ob das die große Getreideschranne war oder der Pferdemarkt oder auch der Sklavenmarkt, der so genannte Sklavenmarkt, also die Erntearbeiter, die sich hier verdingt haben an die reichen Gäubodenbauern. Und der Besenmarkt und der Krautmarkt und der Viehmarkt."
Dorit Krenn
Die meisten dieser Märkte gibt es nicht mehr, doch vom Mittelalter bis heute erhalten hat sich der so genannte grüne Markt, der Gemüsemarkt:
"Der traditionell auf dem unteren Stadtplatz, das ist der Ludwigsplatz, abgehalten worden ist und dort haben immer die Altstädter Gärtler ihre Waren angeboten. Die Neustadt war ja eine von der Stadtbefestigung umgebenes Gebiet mit lauter Häusern. Hier war keine Möglichkeit, für den Lebensunterhalt Gemüse und Obst anzubauen. Diese Funktion haben die Altstädtler Gartler übernommen, die ja dort Platz hatten und die wie gesagt seit dem Mittelalter diese Aufgabe übernommen haben der Verpflegung der Versorugng der Neustädter Bevölkerung."
Dorit Krenn
Raufereien zwischen Gartlern und Bräuburschen
Stadtarchivarin Dorit Krenn hat in alten Bürgermatrikeln und Adressbüchern geblättert und herausgefunden, dass von den rund 300 Häusern der Altstadt jedes dritte ein Gartler-Anwesen war. Die Gartler waren also ein wichtiger Wirtschaftszweig für die Stadt. Viele betrieben das Garteln sozusagen im Nebenerwerb und verrichteten Tagwerkdienste bei den großen Bauern im Gäuboden oder hatten ein kleines Handwerk dabei. Einige der Gartler dürften raue Burschen gewesen sein – auch das sagen die Bücher - und zwar die Gerichtsprotokolle:
"Da war scho a bissl auffällig, dass viele dieser Gartlerburschen über die Stränge geschlagen haben und immer wieder mal eine Rauferei war zwischen Gartlerburschen oder zwischen Gartler- und Bräuburschen. Dann hat man die aufs Rathaus zitiert, und dann haben sie einen Tag in Arrest müssen. Da sind mir Gartler untergekommen."
Dorit Krenn
Die erste Stadträtin von Straubing
Aber sie waren vermutlich nicht nur Raufbolde, die Gartler von einst, sondern auch engagierte Bürger – oder Bürgerinnen, wie die Stadtarchivarin erzählt:
"Ich bin drauf gekommen, dass die erste weibliche Stadträtin - 1919 ist das Frauenwahlrecht eingeführt worden -, dass die erste weibliche Stadträtin eine Maria Ingerl war, Gärtnersfrau aus der Altstadt. Und wenn man einkaufen geht, fragt man: war das Verwandtschaft – ja, natürlich, des war die Urgroßmutter vom jetzigen Gartler und das ist einfach schee. Die Familie hat ein schönes Familienfoto mit dieser Frau, und es ist in der Familienüberlieferung g'sagt worden, dass es eine tatkräftige couragierte Frau war. Warum die sich bereit erklärt hat, damals, für die Bayerische Volkspartei zu kandidieren und dass die gewählt worden ist und man muss sagen: sie war damals a no schwanger dazu. Wieso sie diesen Mut ghabt hat mit bereits vier Kindern und mit dem fünften Kind schwanger, da zu kandidieren, vielleicht war das Aufbruchsstimmung. Warum, wieso, weshalb, weiß man nicht."
Dorit Krenn
Tatkräftige Straubingerinnen
Auch die heutigen Gartlerfrauen wirken ziemlich tatkräftig. Rosa Seubert ist mittlerweile 77 Jahre alt und steht immer noch täglich bei ihren Gelben Rüben, dem Spinat, dem Sellerie oder den Salatpflanzen.
"Des is no mei Leben. mei Mo is gstorben. Des gehört zu meinem Leben, der Markt. Wenn's d' so Leut hast, wo's d' kennst, des is einfach schee. Wenn i dahoam war, i hätt dahoam a gnua Arbeit, aber i bin lieber da am Stadtplatz."
Rosa Seubert
Die war Bankkauffrau, bevor sie einen Gartler geheiratet hat. Statt mit Kontoauszügen hat sie jetzt mit Tomaten, Paprika und Äpfeln zu tun. Zurück in die Bank will sie nicht:
"Weil man des Leben ned hat. Weil das Leben an oam vorbei lauft. So kriegt man alles mit. Man kriegt die Natur mit, die Leute mit. Innerlich ist man ganz anders, impulsiver. Im Büro sitzt nur drinnen, hast nur den Computer. I hab mei Ware, bin glücklich damit, hab meine guten Kunden… wo man halt hinheiratet, bin sehr zufrieden."
Tanja Seubert
Jeden Tag um halb acht bauen Tanja und Rosa Seubert den Marktstand auf, der größtenteils auf einem Hänger montiert ist. Bis mittags um eins sagen sie ein paar hundert Mal:
"Grüß Gott, danke, wiederschauen."
Tanja Seubert
Es schmeckt einfach besser - das Leben
Daheim gibt’s ein schnelles Mittagessen zusammen mit Tanjas Mann und Rosas Sohn Stefan und dann geht’s aufs Feld oder ins Gewächshaus:
Die vielen Kunden auf dem Straubinger Stadtplatz wissen den Aufwand zu schätzen, den die Gartler betreiben:
"I find des super, vor allem, wenn die da obaut haben, i mag gerne das aus der Region. Weil's halt besser schmeckt. Es ist frischer, es schmeckt besser und es kostet auch nicht so viel mehr. Und man spart sich das selber Anbauen im Endeffekt. - I hab grad Mittagspause, und meistens kaufe ich mir einen Salat und tu ihn draußen essen, wenn's Wetter passt, ist super, weil er einfach schmeckt, g'sund ist er."
Kunden auf dem grünen Markt
Im Winter bieten nur eine Handvoll Gartler täglich auf dem grünen Markt in Straubing ihr Obst und Gemüse an. Seit Anfang April ist der Ludwigsplatz in Straubing wieder jeden Tag gut gefüllt mit Marktständen. Am Wochenende kommen noch Käse- und Wurststände, Oliven oder andere Spezialitäten dazu – das ist dann der so genannte Viktualienmarkt, aber darüber könnte man eigene Geschichten erzählen.