Der Jucherzer Ein bayerischer Freudenschrei stirbt aus
Jä-du-li-ä ju-hu – was sich wie Loriots Jodeldiplom anhört, ist tatsächlich ein echter Jucherzer. Er ist in einem historischen Liederbuch aus dem Pongau überliefert. Aber selbst dort ist er heute verstummt. Ein Feature von Joseph Berlinger.
Der Jucherzer, dieser Schrei animalischer Lebenslust, ist so gut wie ausgestorben. Schade darum – meint Joseph Berlinger in einem Nachruf.
Eine Anleitung für Trauerreden empfiehlt, den Charakter eines Dahingeschiedenen so zu beschreiben, dass auch Menschen, die den Verstorbenen kaum gekannt haben, dessen Wesen nachvollziehen können. Mit anderen Worten: Der Verfasser eines Nachrufs sollte den, den er betrauert, gut gekannt haben.
Er kennt einen, der einen kennt, der ihn gekannt hat
Unser Autor hat den Verblichenen nicht einmal flüchtig gekannt. Allenfalls flüchtig wahrgenommen. Aber er hat bei seinen Recherchen Menschen getroffen, die den Jucherzer, den nunmehr verstummten, noch persönlich erlebt haben.
"Der Juchizer, dees is praktisch einfach ein - wia wenns di einfach überkummt, wenn die positive Energie aussi muass. Und dees äußert si dann einfach in einem überkräftigen, kreischenden Schrei. Und dees is, glaub i, einfach a menschliche Sach."
Josef Menzl, Kapellmeister der gleichnamigen Blaskapelle
"Mit sehr hoher Stimme ein Schrei, rauf gehend bis zur Kopfstimme, gepresste Bruststimme: das ist ja an sich klischeemäßig unmännlich. In der einen Region bist du unmännlich, wenn du mit hoher Stimme singst, und in der anderen Region bist du der Mann schlechthin, je weiter du rauf kommst mit der Stimme. Das finde ich toll. Einfach das komplette Umdrehen von diesen Stereotypen."
Simon Mayer, Tänzer und Choreograph
"Ausgestorben tät ich den Jucherzer noch nicht sehen. Wenn ein deutscher Dreher gespielt wird, und ich bin hin und da doch auf dem Tanzboden daheim, wie da oft die Leute juchzen vor lauter Freude!"
Franz Schötz von der Volksmusikstelle Niederbayern Oberpfalz des Bayerischen Landesvereins für Heimatpflege e.V.
"… Männer juchizen, um ihre Kraft zu demonstrieren. Das hat immer ein bisserl was Brutales. Die definieren sich in der Welt mit so einem Jucherzer. Und die Frauen, das ist mehr so eine Leichtigkeit, das hat für mich mehr so eine Freude am Leben. Wenn Frauen juchezen, da ist so eine Lust drin. Ich glaube, dass die Männer sogar das den Frauen weggenommen haben."
Luisa Francia, Autorin, Filmemacherin und Feministin
"Der Jodler ist bei uns inzwischen ungefähr 40 Sekunden lang, während ein Juchizer vielleicht 5 Sekunden lang ist, d.h. ein Jodler hat schon einen musikalischen Aufbau bei uns. Der Juchizer ist wirklich ein Schrei, der ist in wenigen Sekunden abgetan. Juhuhuhuhui! Ein Jodler kann natürlich auch kurz sein, ist aber elaborierter, also kunstvoller eigentlich."
Ulrike Zöller, Musikjournalistin
Der Autor
Ein Feature von Joseph Berlinger.