Super-G und Öko-Ski Der Wandel im bayerischen Wintersport
Glitzernder Schnee in der Sonne, die Bäume ganz weiß, Schneeflocken die vom Himmel tanzen, kalte Temperaturen - das ist Winter. Winter, den es durch den Klimawandel immer seltener gibt. In diesen Weihnachtsferien war, wenn überhaupt, Skifahren in den niedrigeren Gebieten nur auf Kunstschneebändern, die sich über grün-braune Hänge schlängelten, möglich. Die Veränderungen sind groß. Ein Blick auf die Vergangenheit und ein möglicher Ausblick in die Zukunft.
Bis 1907 in Bödele in Vorarlberg der weltweit erste Skilift gebaut wurde, mussten die Fans der zwei Brettln zu Fuß auf den Berg oder Hügel gehen und im unverspurten Schnee auf den naturbelassenen Hängen abzufahren. Skifahren und Wintertourismus fanden damals in schwer zugänglichen Regionen statt.
"Die vor hundert Jahren fast noch als lebensfeindlich gegolten haben und dann haben wir in der zweiten Hälfte des 20igsten Jahrhunderts eine immense Entwicklung mit sehr viel positiven Effekten, die Abwanderung beispielsweise in vielen Tälern wird aufgehalten."
Jürgen Schmude, Professor für Wirtschaftsgeografie und Tourismusforschung an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität.
Wie zum Beispiel Garmisch-Partenkirchen. Vor hundert Jahren war das eine andere Welt. Die wenigen Einwohner der damals noch selbständigen Dörfer Garmisch und Partenkirchen leben von karger Landwirtschaft und kleinem Handwerk. Die dünn gesäten Wiesenweiden im Tal reichen nicht aus, weswegen die Bauern wie seit Jahrhunderten ihre Kühe in den Wald treiben.
Bis 1935 waren Garmisch und Partenkirchen zwei eigenständige Dörfer. Der ehemalige Förster Axel Doering ist Augenzeuge, wie es im Tal an der Loisach und Partnach einige Jahrzehnte später zu seinem Dienstbeginn 1972 aussah.
"Es gab also ganz schmale Skiabfahrten die da im Wald waren und es war eine geschlossene Walddecke mit vielen, vielen auch noch alten Bäumen, die Skifahrer haben riesige Schneehäufen aufgeworfen, dann wurde die Pistenpräparation besser, dann kam die Skiweltmeisterschaft 1978 und damals hat man diese Pisten relativ stark erweitert - man konnte immer noch ziemlich gut damit leben."
Axel Doering, Ehrenamtlicher Vorsitzender der Bund Naturschutz Kreisgruppe Garmisch-Partenkirchen
Sie haben sich in die Landschaft eingefügt.
33 Jahre später findet die nächste Alpine Ski-WM in Garmisch-Partenkirchen statt. Es gab Diskussionen im Vorfeld über eine neue Abfahrtstrecke neben der Kandahar, die natürlich danach auch die Hobbyskifahrer nutzen können. Der Bund Naturschutz hatte sich quergestellt, die Marktgemeinde bekam den Zuschlag zur Durchführung der WM mit nur einer Abfahrtstrecke. Allerdings wurde die dann doch als zu gefährlich eingestuft und somit eine zweite Piste parallel gebaut was eine gravierende Veränderung war.
"Was ich da bemerkt hab, bisher waren es Abfahrten immer im Wald, nach der Weltmeisterschaft 2011 waren es Waldreste zwischen den Skiabfahrten und das Verhältnis zum Berg hat sich geändert. Das hat man immer in vielen Gesprächen wenn man mit den Leuten dort geredet hat bemerkt. Der Berg wurde da endgültig zum Sportgerät degradiert."
Axel Doering, Ehrenamtlicher Vorsitzender der Bund Naturschutz Kreisgruppe Garmisch-Partenkirchen.
Der Winter ist in den bayerischen Bergen heutzutage nicht mehr mit Schnee gleichsetzbar.
"Kurzfristig gesehen können die Skigebiete eigentlich nur in technische Lösung gehen, das heißt sie können über die künstliche Beschneiung dafür sorgen dass ausreichend Schnee vorhanden ist."
Jürgen Schmude, Tourismusforscher
Alfred Richter am Skigebiet Steckenberg in Unterammergau, welches er 1972 übernommen hatte, vor den Schneelanzen
Bei der künstlichen Beschneiung werden die Systeme immer effizienter mit weniger Energieverbrauch. Am Steckenberg in Unterammergau mit sieben Pisten von blau über rot bis schwarz und einer eigenen Trainingsrennstrecke, wird sehr genau auf den Energieverbrauch geachtet, wie z.B. mit energieneutraler Schneeerzeugung. Das Familienskigebiet mit 8 Pistenkilometern wird sogar energieneutral beschneit.
Unternehmer Alfred Richter hat das Skigebiet 1972 übernommen. Und gleich der erste Winter war sehr schlecht. Er holte sich Schneekanonen und probierte verschiedene Systeme aus. Das vorrangige Ziel: Den maschinellen Schnee möglichst CO2 neutral zu erzeugen.
"Da gibt es eine Südtiroler Firma, die das auch als Patent angemeldet hat nämlich zu schneien mit einer Lanze ohne dass sie irgendeine Energie braucht, ohne Fremdenergie - also rein mit dem Wasserdruck arbeitet."
Alfred Richter, Skigebiet Steckenberg Unterammergau
Der Steckenberg wird zu 2/3 mit diesen Lanzen beschneit. Die Schneilanzen sind Stangen an deren Spitze sich mehrere Wasserdüsen befinden aus denen es dann schneit. Grundsätzlich wird für eine Beschneiungsanlage ein Wasser-Luft-Gemisch verwendet und Druckluft durch Kompressoren erzeugt, die Energie benötigen.
"Unser System ist so ausgelegt, dass wir genau das nicht benötigen, sprich wir brauchen keine Kompressoren, die das Wasser-Luft-Gemisch zu erzeugen sondern wir haben ein patentiertes System entwickelt das die Außenluft in das Wasser sozusagen einmischt und dadurch das Wasser-Luft-Gemisch entsteht wodurch wir Schnee erzeugen können. Im Prinzip passiert das so, dass durch die rasch expandierende Druckluft lokal tiefere Temperaturen erreicht werden und die kleinen Wassertropfen gefrieren dann spontan in kurzer Zeit. Üblicherweise sind die Lanzen an die 10 Meter hoch und haben dann durch die Fallhöhe genügend Zeit zu Schnee zu werden bis sie dann eben zu Boden fallen."
Hannes Stofner von dem Südtiroler Hersteller NIVIS, die das Patent auf dieses Schneelanzen-System haben
Die Energieersparnis ist enorm.
Je nach Topographie muss ein Teil mit herkömmlichen Schneekanonen beschneit werden. Dies gilt z.B. für Senken in die die Schneelanzen nur schwer hineinkommen, oder an Stellen mit viel Wind.
"Grundsätzlich wird für traditionelle Schneilanzen ca. 4 Kilowatt an elektrischer Energie benötigt für die Kompressoren. Diese Kompressoren benötigen wir nicht und dadurch sparen wir pro Schneeerzeuger knapp eben diese 4 Kilowatt. Wenn man jetzt eine komplett manuelle Nivis-Ecco-Stick-Lanze hernimmt, die kann theoretisch auch gänzlich ohne Stromversorgung betrieben werden. Sprich wenn genügend Eigendruck in der Leitung ist, die Wasserversorgung sozusagen weit genug oberhalb dieser Schneilanze liegt, dann kann ganz einfach gesagt, der Hahn aufgemacht werden und es kann Schnee erzeugt werden, sprich mit 0 Energie."
Hannes Stofner von dem Südtiroler Hersteller NIVIS
Am Steckenberg in Unterammergau liegt der Speichersee 300 Höhenmeter oberhalb in die Natur eingebettet. Heute wird das Bachwasser, wie auch das Regenwasser, im Speichersee gesammelt und durch eine große Leitung ins Tal befördert und durch ein kleines Kraftwerk geschleust. - Natürlich muss eine bestimmte Restwassermenge nach dem Bescheid des Wasserwirtschaftsamtes im Bach verbleiben.
Der Strom wird für die Lanzen und Schneepropeller, die Energie benötigen, verwendet. Zusätzlich wird die komplette Anlage am Steckenberg, sprich, Lifte, Restaurant und Gebäude mit Strom versorgt und Dank eines zusätzlichen Holzvergasungskraftwerkes auch geheizt. Allerdings bleibt da noch immer Strom übrig mit dem rechnerisch übers Jahr ein Drittel der Haushalte Unterammergaus mit Strom versorgt werden kann.
Wegen der zumeist niedrigen Höhenlage der Skigebiete wird in 50 Jahren Skifahren in Bayern nur in wenigen Gebieten noch möglich sein.
"Skifahren werden wir auch in der Zukunft noch, ich bin nicht der Totengräber des Skitourismus aber wir werden einen ganz starken Konzentrationsprozess haben, das heißt gerade in den niedrig gelegenen Skigebieten wird es rein wirtschaftlich keinen Sinn mehr machen Skitourismus anzubieten, sondern in Bayern werden wir vielleicht nur ein, zwei Skigebiete haben, in Garmisch, in Oberstdorf, ansonsten müssen wir, Klammer auf, leider, Klammer zu, ins Ausland reisen, denn wir haben natürlich auch im alpinen Bereich Skigebiete die es auch noch in der Zukunft geben wird."
Professor Jürgen Schmude, Tourismusforscher
Deshalb sollte laut Jürgen Schmude ein Umdenken stattfinden. Zum einen bei den Urlaubern selbst, die dann für mehrere Tage in den Winterurlaub fahren sollten und nicht mal schnell nur für einen Tag. Am besten kommen sie mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. Möglichkeiten gibt es einige. Da sind z.B. die Skigebiete-Kombitickets nach Oberstdorf, Garmisch-Partenkirchen, Lenggries, Tegernsee oder Bayrischzell, oder das Umwelt-Ticket "GUTi" im Bayerischen Wald mit dem auf den Strecken der Waldbahn und den Bussen mit Gästekarte gratis gefahren werden kann. Aber auch die Tourismusdestinationen müssen umdenken, was sie im Winter ihren Urlaubern an Skifahralternativen anbieten können. Ein einheitliches Konzept gibt es dafür allerdings nicht. Langlaufen, Schneeschuhwandern, Rodeln, Winterwanderungen sind mögliche Alternativen. Ein Umlenken und Umdenken ist nötig.
Bad Reichenhall hat umgedacht und ist Mitgründer der Alpine Pearls. Orte in den europäischen Bergen, die sich dem sanften, energiebewussten Tourismus verschrieben haben. Das eigene Auto darf auch Urlaub machen, allerdings daheim, es ist hier Dank einfacher Anreise und örtlicher öffentlicher Verkehrsinfrastruktur überflüssig. Damit spart der Gast durch die Anreise bereits dreiviertel aller CO2-Emissionen des Winterurlaubes.
Eine märchenhafte und zugleich umweltschonende Winteraktivität ist in der Kurstadt eine Fackelwanderung auf dem Predigtstuhl.
In der Dämmerung geht es mit der im Jahr 1928 gebauten ältesten Seilschwebebahn der Welt auf den Predigtstuhl auf 1583 Meter hoch. Der Blick auf Bad Reichenhall und das etwas entferntere Salzburg ist beeindruckend.
Die Fackeln werden angezündet und werfen zuckende Schatten in den Schnee. Die Wanderer bewegen sich und damit auch die Schatten und das Licht der Fackeln. Die Gesichter der Freunde werden durch das Flackern plötzlich zu Fratzen. Die Wanderung lässt die Phantasie spielen, aber auch die Seele baumeln.
"Man geht dann erst mal so Richtung Gipfel Predigtstuhl kommt dann oben am Predigtstuhl am Gipfel an, dort werden dann kleine Feuer in so Feuerschalen angemacht und es werden so die ersten Geschichten erzählt. Dann fängt die Dämmerung eigentlich erst so langsam so richtig an, dann kommt so die blaue Stunde."
Thomas Kujat, Mitwanderer und Fotograf
Das ist sanfter Wintertourismus, den die Urlauber und Ausflügler auch in der Ruperti-Therme in Bad Reichenhall genießen können. Relaxen im Soleschwebecken mit 12 % Salzgehalt. Ein schlechtes Gewissen wegen der Energiekrise muss man hier nicht haben, denn die Therme wird mit Energie aus der neuen Saline in der das "Bad Reichenhaller Alpensalz" produziert wird betrieben.
"Da fällt Wasser an, also auch von der Salzproduktion, das warmes Wasser ist, und das wird zur Therme geleitet und dort praktisch wieder zur Wärmeproduktion für die Becken und die anderen Dinge verwendet."
Tine Geschke vom Tourismus- und Stadtmarketing.
Die Bobbahn in Berchtesgaden wurde bis 2021 auch für den Nachwuchs zum Training benutzt, denn ein Weltcupfahrer fällt nicht einfach vom Himmel. In ganz jungen Jahren ist er schon begeistert und das schönste Hobby ist für ihn dann im Verein, eben vor der Haustür, mit dem Bob die Bahn runterzurauschen. Aus dem Spaß beim Training wird dann langsam ein Kräfte messen mit den anderen Kids aus dem Ort.
Das ist momentan nicht möglich, denn im Juli 2021 wurde die Bobbahn im oberen Abschnitt durch ein Jahrhundertunwetter zerstört.
"Da ist eigentlich eine Mure abgegangen, oberhalb des oder mit dem Klingerbach der hier an der Bahn behaust ist und das war so ein heftiges und konzentriertes Unwetter, dass da innerhalb von zwei Stunden mehrere 1000 Kubikmeter Geröll und Sandmasse ausgeschwemmt wurden. Das waren Bäume, Geröll und dann hat sich das mehrere Meter aufgestaut das war nur hier die kleine Engstelle die da verklaust ist, ansonsten, so was die Geologen gesagt haben, hätte das der Bach sogar noch ableiten können."
Thomas Schwab, Geschäftsführer der Eisarena am Königsee
Die Bahn wurde unterspült und zum Teil der Beton einfach weggerissen, der vordere Teil eines Pavillon mit Glasfenstern ist nicht mehr zu erkennen.
Die Bobbahn soll wieder aufgebaut werden mit einer neuen Streckenführung im oberen zerstörten Teil. 53,5 Millionen Euro aus dem Hochwasserflutfond sind reserviert. Für den Nachwuchs, deren Eltern und den Verein ist es derzeit allerdings eine Mammutaufgabe ein Training zu ermöglichen.
"Für die ganz Kleinen für den Nachwuchs fehlt die Sportstätte, da müssen wir zur nächsten Sportstätte mindestens 200 Kilometer fahren."
Thomas Schwab, Geschäftsführer der Eisarena am Königsee
Die Kosten die die Bahn pro Jahr auch ohne Betrieb verursacht liegen bei 270.000 Euro.
Der Wintersport im Wandel der Zeit. Der Klimawandel wird unsere Winterwelt verändern.
"Der Klimawandel hat den alpinen Raum wesentlich stärker betroffen, als die übrige Welt in Anführungszeichen und das drückt sich natürlich aus auch in einer Verschiebung von Niederschlägen die ehemals als Schnee gefallen sind die nun viel mehr als Regen fallen und was hinzu kommt, wir haben auch noch eine zeitliche Verschiebung diese Niederschläge fallen im Winter verstärkt nicht mehr an Weihnachten sondern eher Richtung Fasching und Ostern deshalb sprechen wir Neudeutsch auch von Christmas Easter Shift."
Touristikforscher Professor Jürgen Schmude.