Bayern genießen Vom Fass - Bayern genießen im Oktober
Herbst - man kann ja gar nichts sagen gegen diese wundervolle Jahreszeit, in der uns ein Überfluss beschert wird, dens überhaupt erst zu fassen gilt. Möglicherweise in einem Fass…
Hier unsere Genuss-Themen aus den bayerischen Regionen rund ums Motto "Vom Fass"
Oberbayern: Ruhefässer: Schlafen im Eichstätter Fasshotel. Von Sarah Khosh-Amoz
Niederbayern: Steinfässer: Gränitfässer aus dem Bayerischen Wald. Von Birgit Fürst
Oberpfalz: Fasserfinder: Keltische Fässer aus Regensburg. Von Thomas Muggenthaler
Oberfranken: Unfassbar: Wie ein Fassmaler künstlichen Marmor macht. Von Anja Bischof
Mittelfranken: Neue Fässer: Die Fassfabrik Müller in Neustadt Aisch. Von Petra Nacke
Unterfranken: Rekordfässer: Bayerns älteste und größte Fässer in Würzburg. Von Wolfram Hanke
Schwaben: Honigfässer: Met nach Kneipps Art aus Bad Wörishofen. Von Doris Bimmer
Die ersten Fässer
Ein Fass, das sagt ja eigentlich schon der Name, ist ein Gefäß. Das Gfass war auf den Flößen, die hierzuland jahrhundertelang zuständig waren für den Schwerlastverkehr, sowas wie heute die Container - Behälter eben. Gfass konnte im übertragenen Sinn aber auch gleich die ganze Ladung bedeuten. Das Wort Fass ist also eigentlich ein Überbegriff für alle möglichen Gefäße oder Behälter, die in sich Flüssigkeiten oder Schüttgut fassen können. Gemeinsam war allen diesen Behältern, dass sie aus Holz bestanden, aus hölzernen Dauben. Im Mittelmeerraum war Holz rar, weswegen auf den Schiffen dort die bevorzugten Transportbehälter Amphoren aus Keramik waren. Die Römer mussten das Fassmachen erst hierzulande von unseren keltischen Vorfahren lernen. Deswegen ist Daube ein keltisches Wort, hat ursprünglich einmal das ganze Gefäß bedeutet und ist später das Spezialwort geworden für die zumeist gebogenen Holzbretter, die man zu einem Fass zusammengebunden hat. In Augsburg beispielsweis gibts ein römerzeitliches Relief, auf dem ein Ochsenfuhrwerk mit zwei Fässern dargestellt ist. Und im Historischen Museum Regensburg gibt’s sogar die Überreste von keltisch-römischen Holzfässern zu sehen.
Neue Fässer
Obwohl also das hölzerne Fass eine keltische und damit durch und durch bayerische Erfindung ist, sind, wenn wir einmal von der Daube absehen, fast alle Wörter in diesem Zusammenhang lateinisch. Das liegt eben daran, dass Latein halt auch die Schriftsprache der Kelten war. Zum Beispiel das Schaff, Schaffel oder Scheffel: Excapere, spätlateinisch scapere heißt schöpfen, halten, enthalten. Im Althochdeutschen hat sich draus das Schaff entwickelt, ebenso ein Behälterwort wie Butte, Bütte oder Bütt. Das kommt von lateinisch butina =Flasche, Behälter. Bottich wiederum von lateinisch potticus = großer Topf, Pott, Behälter. Welches Wort bevorzugt wird ist regional unterschiedlich. In Südbayern zum Beispiel heißen die Handwerker, die Fässer herstellen Schäffler oder Binder. In Franken etwa heißt der Fassmacher Büttner. Ein alltägliches Handwerk früher einmal. Das sieht man schon daran, wieviel Leut heut mit Familiennamen wie Böttcher, Büttner, Binder, Faßbinder oder Scheffler herumlaufen. Heutzutage, wo Fässer häufig industriell und aus Metall oder Kunststoff hergestellt werden, ist das jahrtausendealte Handwerk selten geworden. Aber weil es nach wie vor Bedarf für Holzfässer gibt, gibt es auch noch Fassmacher im Land. In Nesselbach in Mittelfranken beispielsweis.
Alte und neue Fässer in Franken
Der erste Reflex wenn man an Fass denkt: Bier oder Wein. Keine Frage: Die Menge dieser Getränke, die heute weltweit konsumiert wird, ließe sich mit Sicherheit nicht ohne den massiven Einsatz von Edelstahltanks und dergleichen bewältigen. Wenns aber um ganz besondere Qualitäten geht, dann sind auch heute noch Holzfässer sehr gefragt. Überall gibt’s noch und auch wieder vermehrt Wirtschaften, die Bier aus eisgekühlten Holzfässern ausschenken, weil halt der Geschmack unvergleichlich ist, mild, vollmundig, einfach unbeschreiblich. Beim Wein wiederum ist schon längst klar, dass für besonders hochwertige Weine eigentlich nur Holzfässer in Frage kommen. In früheren Zeiten war man bestrebt, den Eigengeschmack des Holzes, der sich natürlich auf den Wein überträgt, zu minimieren. Weshalb man riesige Fässer gebaut hat, deren Oberfläche klein war im Verhältnis zum Inhalt. Die Wittelsbacher hielten in ihren Schlössen zu Heidelberg oder Landshut den Rekord: Das größte der Welt in Heidelberg hat gut 220.000 Liter Fassungsvermögen. Leider wars nie ganz dicht. Ein Angeberobjekt halt. Die etwas kleineren, dafür dichten Fässer auf der Landshuter Trausnitz dagegen haben schon längst das Zeitliche gesegnet. Nicht so in Franken. Da gibt’s riesige historische Fässer und unzählige neue, die für die weltweit gefragten Spitzengewächse des Frankenweins unverzichtbar sind.
Granitfässer
Unsere Wörter tun und machen sind vielfältigst einsetzbar: Weitermachen, zu- und aufmachen, einmachen, ausmachen kann man etwas und abmachen, man kann ein bisserl herummachen und jemand anmachen, ein Essen kann man machen, genauso wie einen Anzug. Man kann das Bett machen oder die Haare, sich Sorgen oder Mut machen, eine Reise, einen Fehler ein Vermögen machen. Fast alles kann man machen. Das war bei den Römern auch nicht anders. Facere heißt machen auf Latein, factio ist das Machen, die Tat, die Tatsache. Wir kennen heute die französischen Fremdwörter Fassade oder Fasson oder das englische Fashion, die Mode. Die Bedeutung ist immer die gleiche - konkret, wie im übertragenen Sinn: Art der Ausführung, Beschaffenheit, Aussehen, Form, Aufmachung - einfach das Drumherum. Und nichts anderes ist ein Fass auch: Das Drumherum, die Form um etwas, das man sonst schwer fassen könnte. Buchstäblich. Und in diese vielfältige Wortgruppe gehört auch das Fass. Das ist mindestens so wichtig wie sein Inhalt. Weil es den Inhalt ohne die Form gar nicht gäbe. Genauso wie Kleider Leute machen, machen Fassaden Häuser und Fässer eben Bier oder Wein. Jeder weiß, dass es schon ein großer geschmacklicher Unterschied ist, ob man Bier aus der Flasche, einem Steinkrug, einem Holzbecher oder einem Glas trinkt. Erst recht gilt das für den Herstellungs- und Reifeprozess. Schon vor Jahrtausenden hat man auch ausgehöhlte Steine für sowas benutzt. Erst in unserer Zeit allerdings gibt es regelrechte, standardisierte Fässer aus Granit. Erfunden hat sie der Steinmetzmeister Alois Bauer aus Nammering im Landkreis Passau. Mittlerweile stehen über 200 solche Fässer in Weinkellern überall auf der Welt und sogar schon in ein paar Brauereien…
Met aus dem Fass
Wein und Bier sind die ältesten alkoholischen Getränke der Welt. Wobei unter Bier praktisch alle Getreidearten fallen, die vergoren werden können und unter Wein alle möglichen Früchte. Heute bezeichnet man ja nur noch Wein aus Wein-Trauben als Wein. Aber es gibt auch noch beliebte Obstweine, wie den französischen Cidre oder unsere bayerischen Moste aus Äpfeln und Birnen. Eigentlich kann man so ziemlich alles, was ein bisserl Zucker hat, in ein Fass tun, um es dort zu vergären. Auch Honig hat man dafür schon immer genutzt. Honigwein, Met war allerdings schon immer eine sehr teure Angelegenheit - einfach deswegen, weil Honig rar ist. Der Bad Wörishofener Wasserdoktor Sebastian Kneipp, dessen 200. Geburtstag heuer gefeiert wird, hat den Met wiederentdeckt - als Medizin gewissermaßen. Und er hat ihn in Eichenfässern angesetzt, bzw. ansetzen lassen. Imker gibt es praktisch überall - und damit auch unzählige Möglichkeiten, sich Met vom Fass zu holen. Sie können die Metherstellung natürlich auch selbst probieren.
Fassmaler
Mit dem Fassen ist es wie mit dem Machen, mit dem es, wie wir festgestellt haben, wortgeschichtlich verwandt ist: Fassen kann man in allen möglichen Richtungen. Im übertragenen, wie im konkreten Sinn. Man kann jemanden fassen und anschließend, ja tatsächlich, fesseln. Essen fassen kann man genauso wie sich kurz-, oder etwas schnell auf-fassen. Man kann aber auch etwas nicht fassen, weil es unfasslich ist. Aber wenn man schließlich de Fassung nicht verliert, weil man sich schon auf sowas gefasst gemacht hat, dann kann man auch durch und durch gefasst bleiben. Eine Brunnenfassung - für die, wie wir erfahren haben, häufig ausrangierte Fässer verwendet wurden - ist eine Umfassung die verhindert, dass die Erde des Brunnenlochs das Wasser verschmutzt. Auf ähnliche Art um- und einfassen kann man so ziemlich alles: Tischdecken mit Bordüren, Edelsteine mit Gold und Silber und alle möglichen Gegenstände mit Farbe. Letztere Tätigkeit ist ein ehrwürdiges altes Kunsthandwerk: Die Fassmalerei. Heute ein Beruf, der kaum noch jemandem geläufig ist. Dabei sehen wir die Früchte dieser Handwerkskünstler an vielen Orten: Kirchen, Barocktheater, Paläste und Prunksäle wären nicht, was sie oft heute noch sind, ohne die Fassmaler. Wenn die wüssten, wie ihre Kunst heute geschätzt wird: Künstlicher Marmor aus Holz, Stuck und Farbe, wie man ihn immer noch täuschend echt findet, ist heute um ein Vielfaches kostspieliger als echter Marmor.
Ausflugstipp
Wer in Oberfranken herausragende Beispiele von Fassmalerei bewundern möchte, sollte sich in eine der Markgrafenkirchen begeben. Etwa 200 davon gibt es im gesamten Regierungsbezirk. Von außen sind fast alle dieser evangelischen Kirchen eher schlicht gehalten. Doch öffnet man die Türen, kann man über die überbordende, farbenfrohe Gestaltung nur staunen. Für diesen Eindruck sorgten primär die Fassmaler und Vergolder. Sie verliehen den steinernen und vor allem hölzernen Gegenstände und Stuckarbeiten Farbe und Ausdruck. Fast alles wurde bemalt bzw. vergoldet. Naturholz oder -stein galt als Armutszeugnis. Die Zunftordnung gestattete den Fassmalern auch, Bilder auf Altartafeln, Brüstungen oder Holzdecken zu malen. Schnitzen durften sie allerdings nicht. Den Bildschnitzern wiederum war das Bemalen ihrer Werke verboten. Berühmter als die Fassmaler wurden dann aber die Schnitzer. Die Maler allerdings waren teurer, manchmal war ihre Arbeit sogar doppelt so teuer wie das Schnitzen. Aber sie mussten ja auch die Farben und das Blattgold einkaufen. Im 18. Jahrhundert wurden sie auch "peintre d´or", Goldmaler, genannt.
Ein Beispiel: Die Kirche Wonsees im Landkreis Kulmbach mit ihrem Lautentius-Altar. Es handelt sich um eine mittelalterliche Wehrkirche, die im Laufe der Jahrhunderte immer wieder vergrößert wurde. Zwischen 1720 und 1729 wurde sie "barockisiert". Dabei erhielt die Kirche eine sehenswerte Ausstattung voller Glaubensbotschaften. Zum Beispiel einen jugendlichen Taufengel, der ohne sichtbare Mühe eine große Schale auf dem Kopf trägt. Diese Figur wurde von J. C. Fischer (1710/11) geschnitzt. Als Fassmaler war J. J. Kolb beauftragt worden, der den doppelten Lohn des Schnitzers erhielt. Auf dem Kanzelaltar, den derselbe Bildhauer geschaffen hat, sieht man Mose und Aaron neben dem Kanzelkorb mit dem Symbol des Adlers unter dem Lesepult. An den Seiten des Auferstandenen stehen Petrus und Paulus. Darüber sind die Jünger zu sehen, die Christus nachblicken, wie er zum Himmel fährt. Zwischen den Marmor nachempfundenen Balken und Säulen sind die Emporen mit Blumenschmuck verziert worden. Im ältesten Teil der Kirche, der Sakristei, kann man bei Führungen auch die erhaltenen Tafeln des Laurentiusaltars von W. Katzheimer des Älteren sowie Skulpturen aus dem 15. Jahrhundert bewundern.
Schlaffässer
Fassung ist Fasson, eben Form - aber mehr als bloße Fassade. Denn die Form bestimmt den Inhalt. In jederlei Hinsicht. Es ist ein Unterschied, ob ich Wein aus der Flasche oder aus dem Glas trink. Eben nicht nur stilistisch, sondern tatsächlich geschmacklich. Im antiken Rom und Griechenland hat man ja bekanntlich die Holzfässer der Kelten kaum gekannt, weswegen man dort riesige Vorratsgefäße aus Keramik hatte, dünnhalsige Amphoren oder Pithoi große Vorratsfässer mit weiten Öffnungen. Diese Tongefäße mussten natürlich mit Harz abgedichtet werden, weil unglasierte Keramik sonst nicht dicht ist. Was wiederum zur Folge hatte, dass der Wein haltbarer wurde, aber auch nach diesem Dichtmittel harzig geschmeckt hat. Mit der Zeit gewöhnt man sich an alles. Weswegen man beim Retsina bis heute Harz zusetzt. Vermutlich hat der äußerst bedürfnislose griechische Philosoph Diogenes, der in einem solchen fassartigen Vorratsbehälter gelebt hat, nicht nur wegen des Harzes ein bisserl streng gerochen. Zumindest aber hat er unter Beweis gestellt, dass man nicht viel braucht, um sich wohlzufühlen. Die Anekdote erzählt ja, dass Alexander der Große den berühmten Philosophen gefragt hat, womit er ihm dienen dürfe, worauf Diogenes geantwortet hat: Geh mir ein bisserl aus der Sonne. Womit wir bei einer besonderen Art wären, seinen Urlaub zu verbringen. In einem Fass nämlich. Weil halt die Form auch den Inhalt bestimmt. In diesem Fall den Schlaf begünstigt. Nicht nur deswegen sind Schlaffässer der große Hit. In Eichstätt im Altmühltal zum Beispiel…
Zum Schluss
Dass Wörter wie fett oder feist mit dem Fass zusammenhängen ist ebenso überraschend wie, wenn man sich den Bauch eines Fasses anschaut, einleuchtend. Ein Fass ist sprichwörtlich dick, fasst, also fesselt alles Mögliche. Nur überraschend und nicht gleich einleuchtend hingegen ist die Verwandtschaft des Fasses mit dem Fetzen. Wenn man aber weiß, dass das englische fashion für Mode auch mit dem Fass zu tun hat, tut man sich mit dem Fetzen schon wieder leichter. In Teilen Bayerisch Schwabens jedenfalls waren Fetzen früher nicht bloß Lumpen oder abgetragene Kleider, sondern konnten buchstäblich auch Sonntagsfetzen sein. Und Frauen, die sich ständig neue Fetzen kaufen, tun das ja auch nicht unbedingt nur im Secondhandladen. Ein schönes Kleid ist halt auch nichts anderes als eine gute Fassung - ähnlich wie Edelmetall für einen Diamanten. In diesem Sinn: Machen Sie sich gefasst auf einen goldenen Oktober!