Horst Prosch Frankenruh
Mit "Frankenruh" legt Horst Prosch den zweiten Fall seines Ermittlers Brendle in Ansbach vor. Doch wer Blut vor der markgräflichen Residenz erwartet, liegt falsch. Denn der Fall, den Brendle aufklärt, ist eigentlich gar keiner.
Die Kontinuitäten zum ersten Fall Brendles sind in "Frankenruh" offenkundig. Liebschaften werden vertieft, das Künstlermilieu ist das gleiche, stilistisch gibt es erneut sprechende Gegenstände und wieder sind Bäume ein durchgehendes Motiv. Doch um es vorweg zu sagen: Ein spannender Krimi, mit angemessenen Milieuschilderungen, Logik und einem überraschenden Schluss gelingt Horst Prosch nicht.
Eine recht ungewöhnliche Geschichte
Zumindest entwickelt Prosch in der überbordenden Mord- und Todschlagliteratur vor der Haustür eine recht ungewöhnliche Geschichte: Der Polizist Matthias Brendle hatte sich von München zurück in die Heimat versetzen lassen, nach Franken. Jetzt ist er Oberkommissar in der mittelfränkischen Landeshauptstadt Ansbach. Auf eigenen Wunsch: "Er wollte in Franken seine Ruhe vor München haben", heißt es im Buch. Und die hat er. Denn die Auswertung von Daten aus einer großen Einbruchsserie, scheinen ihn furchtbar zu langweilen. Das ändert sich, als ihn anonyme Briefe erreichen:
"Brendle konnte nicht mehr ruhig sitzen. Er hielt das Kuvert zwischen den Fingern, legte es vorsichtig auf den Stuhl neben sich, der vor Kurzem frei geworden war, und überlegt, was er tun sollte."
Auszug aus 'Frankenruh'
Ein Fall, der eigentlich keiner ist
Die Langeweile muss schon groß sein, wenn einem Ansbacher Kommissar beim Anblick brauner Umschläge die Fantasie durchgeht. Brendle denkt sofort an eine Bombe, an Sprengstoff, ein Attentat. Doch im Kuvert ist nur Papier. Darauf eine Geschichte: die Schilderung der Ehekrise von Willi Kleinlein. Brendle ahnt beim Lesen der Briefe ein Verbrechen. Was passierte mit Kleinleins Frau Margot?
Fortan setzt Brendle alles daran, den Verfasser zu finden. Während die Einbruchserie weiterhin ganz Westmittelfranken in Atem hält, findet der Kommissar auch im Dienst genug Zeit, auf eigene Faust in seinem zweiten Fall zu ermitteln. Wobei, ein "Fall" ist es eigentlich nicht. Eine Straftat ist nicht begangen worden. Und der Staatsanwalt ist auch nicht informiert, gesteht er der Praktikantin.
"Stellen Sie sich vor, alle mittelfränkischen Autoren beginnen einen neuen Regionalkrimi zu schreiben. Sie haben die ersten paar Kapitel zusammen, wissen auch schon, wen sie demnächst zerstückeln oder vielleicht erschießen wollen, und das schicken sie dann, um der Sache ein wenig Dramatik zu verleihen, an den Staatsanwalt. Der hat sonst nichts zu tun und lässt dann nach den literarischen Leichen suchen, die dann mit einem Ziegelstein um den Hals irgendwie in einem Karpfenweiher versenkt wurden."
Auszug aus 'Frankenruh'
Im Karpfenweiher landet niemand in Horst Proschs neuem Roman. Vielmehr begleitet der Leser die Suche des Kommissars nach dem Briefeschreiber, nach einem vagen Verbrechen, das nicht, noch nicht begangen wurde und vielleicht auch nie begangen wird.
Info und Bewertung
Der Kriminalroman "Frankenruh" von Horst Prosch ist im Ars Vivendi-Verlag erschienen. Es ist Kommissar Brendles zweiter Fall. Das Buch umfasst 376 Seiten und kostet 14,90 Euro.
Auf drei Zeitebenen folgt der Leser der Geschichte: Zum einen folgt er dem Erzähler bei den Ermittlungen des Kommissars, seinen Recherchen, Gedanken, tausenden inneren Fragen und privaten Problemen. Dann liest er die Briefe des Willi Kleinlein, eines kleinen, bauchigen Mannes, der auch Kröte genannt wird. Obwohl ehemaliger Deutschklassenprimus, beschreibt Kleinlein schlicht und hilflos, wie er mit einer psychischen Krise seiner Frau umgeht, sie begleitet, versucht zu schützen, wiedergewinnen will und … Doch das soll an dieser Stelle nicht verraten werden.
Eine Schreibmaschine, die sehen, hören und riechen kann
Und dann sind da noch die enervierenden Aufzeichnungen der Schreibmaschine Gabriele. Im letzten Band gab es ein sprechendes Klavier. Gabriele kann nicht nur sehen, hören und riechen, sondern sich über die mannsgeile Nachbarin pikieren oder auch "ihren" typenhebeldrückenden Willi:
"Ich habe Willi noch niemals nackt gesehen. Es gibt Männer, die schaut man gerne an. Und dann gibt es Männer, die sieht man nicht so gerne an. So einer ist Willi. Ich möchte das nicht beschreiben. Es gehört sich nicht. Er setzt sich vor mich auf den Stuhl, findet es nicht einmal nötig, ein Handtuch unter seinen Allerwertesten zu legen. Willi? Beabsichtigst du, in diesem Zustand zu schreiben? Willi! Bitte nicht. Das kannst Du mir nicht zumuten. Ich will deinen großen nackten Bauch nicht an meinem Korpus haben. Deine nackten Beine wünsche ich nicht zu sehen. Auch nicht, was dazwischen ist. Egal, wie es aussieht. Groß, klein, dick, fleischig oder schlaff."
Auszug aus 'Frankenruh'
Viel Fleischlichkeit, aber blutleere Figuren
Trotz der vielen Fleischlichkeit bleiben die Figuren im Roman blutleer und tonlos. Das Ehepaar Kleinlein kennt Intimität, doch keine Tiefe. Der Held Brendle bleibt auch im zweiten Band gesichtslos: Ein schusseliger Spießer mit Tiroler Wanderschuhen, der bisher kein Glück bei den Frauen hatte und dessen Stärke sicherlich nicht die Kommunikation ist. Ständig verliert er sich in inneren Gedanken, über den Fall, die Frauen, Franken – selbst beim Genuss eines Zitronenbonbons.
"Sie hat mir das richtige Bonbon gegeben, dachte Brendle. Franken ist wie eine Zitrone. Zuerst irgendwie sauer und abweisend, aber doch gesund. Da zieht es Dir im ersten Moment alles zusammen, und wenn du dich daran gewöhnt hast, dann lässt der Geschmack schon wieder nach. Und du denkst Dir: Doch nicht so schlecht. Irgendwie hügelig. Und heimelig. Und abwechslungsreich."
Auszug aus 'Frankenruh'
Ein zweites Zitronenbonbon lässt sich Brendle übrigens nicht andrehen. Was auch immer uns das über sein Verhältnis zu seiner Wahlheimat sagt.
Ein durchdachter Roman – aber selten spannend
Der Roman "Frankenruh" ist durchdacht aufgebaut, doch alles in allem gewinnt er wenig Fahrt, wirkt langatmig und wird selten spannend. Den Ermittlungen fehlt es an Logik. Viel Hintersinn über Zwischenmenschliches wird angedeutet – aber wenig transportiert. Und am Schluss bleibt eine Frage offen: Wer ist hier eigentlich Opfer oder Täter?