Zum 40. Todestag von Ludwig Schmid-Wildy Meister des hinterkünftigen Humors
Ludwig Schmid-Wildy war eine feste Größe im "Komödienstadel" oder dem "Königlich-Bayerischen Amtsgericht". Vor 40 Jahren verstarb der Schauspieler, der durchs Fernsehen überregional bekannt wurde, aber im Herzen ein Theatermann war. Conny Glogger zeigt sein breites Schaffenswerk.
Das Paradies leibhaftig sichtbar machen, das kann man höchstens im Theater. Und dem Tod einen Kerschgeist ausschenken und ihn hinterher beim Karteln bescheissen, das kann man auch bloß auf der Bühne. So wie im "Brandner Kaspar". In der legendären Inszenierung des Bayerischen Staatsschauspiels hat der große Volksschauspielers Ludwig Schmid-Wildy den Thurmair gespielt.
Es war seine letzte Theaterrolle. Vor 40 Jahren, am 30. Januar 1982, ist Ludwig Schmid-Wildy mit 85 Jahren gestorben.
Der Brandner Kaspar und das ewig' Leben
Lehre als Koch
Als Kind hat er seinem Vater - dem Münchner Bildhauer Anton Schmid - Modell für das Münchner Kindl am Rathausturm gestanden. Dabei war er eigentlich ein „Preuß’, denn auf die Welt gekommen ist er am 3. Mai 1896 in Aachen. Freilich eher zufällig. Seine Kindheit hat der Schmid Wiggerl aber dann, wie es sich gehört, in München verbracht.
Mit dreizehn ist Ludwig Schmid-Wildy in die Lehre gegangen. Zuerst in einer Backstube, dann war er Kocheleve im Münchner Hoftheaterrestaurant.
Die Theaterkarriere des gelernten Kochs begann während des Ersten Weltkriegs.
Erste Engagements am Theater
Sein erstes Engagement hatte Ludwig Schmid-Wildy bei „der Künstlerischen Volksbühne für Rheinpfalz und Saar“. Dort lernte er zwar keine korrekte Bühnenaussprache, aber er sammelte jede Menge praktischer Erfahrungen. Schon in der zweiten Spielzeit war Ludwig Schmid-Wildy nicht nur Schauspieler, sondern auch Regisseur. 1922 wechselte er nach Landshut. Er führte in einer Spielzeit in 15 Stücken Regie und trat in über 20 als Schauspieler auf. Seine Aktivitäten waren keineswegs auf Dialektautoren beschränkt. Neben Anzengruber und Thoma spielte er Schiller, Shakespeare, Goethe und Lessing. Aber bald entdeckte er aber seinen Hang zum Fach des Komikers.
"Die Schauspieler, Ludwig Schmid-Wildy und Therese Giehse geben Einblicke in die bayerische Volksseele, die trotz Eigensinn, Hartnäckigkeit und Partikularismus ihre hinreißenden und herzerquickenden Vorzüge besitzt."
Kritik über eine Produktion der Bayerische Landesbühne, einem Tourneetheater
Die Tournee führte weiter nach Stuttgart, Karlsruhe, Mainz, Mannheim und endete am Stadttheater Heidelberg. In Heidelberg blieb Ludwig Schmid-Wildy drei Spielzeiten. Vermutlich aus Liebe. Denn im nicht allzu fernen Karlsruhe war die junge Kammersängerin Mali Fanz im Engagement, die 1927 seine Frau wurde. Die darauffolgenden beiden Jahre nahm Ludwig Schmid-Wildy nur Stückverträge wahr. Erst dann ließ er sich wieder fest nieder: als künstlerischer Direktor in Konstanz. Vom Bodensee wechselte er nach Franken. Von Würzburg nach Aachen. 1932 kehrte er endlich wieder heim ans frisch renovierte Münchner Volkstheater.
Der Erfolg blieb Ludwig Schmid-Wildy treu. Er hatte alles erreicht, was in kleinen und mittelgroßen Theatern zu erreichen war. Er hatte in Klassikern, in Schwänken und Volksstücken gespielt. Er hatte sich als Regisseur in verschieden Genres erprobt und bewährt. Jetzt war er ein Star.
Der Film lockt
Zumindest am lokalen Theaterhimmel. Und da wandte er sich neuen Zielen zu. Er ging zum Film. Ludwig Schmid-Wildy wurde 1934 Co-Regisseur und Hauptdarsteller in den später sehr kritisierten Filmen „Stoßtrupp 1917“ und „Um das Menschenrecht“. Beide Filme wurden 1945 verboten; der Letztere ist dies bis heute, der Erstere wurde 2007 in einer stark zensierten und um 32 Minuten gekürzten Fassung wieder zugelassen.
Während der Zeit des Nationalsozialismus arrangierte sich Ludwig Schmid-Wildy mit den neuen Machthabern und war vielbeschäftigter Darsteller und Filmproduzent als bekennend unpolitischer Mensch. Er hat gesagt: „Politik geht mich nix an, ich bin Künstler und wenn ich in Ruhe gelassen werde, dann kann ich mich arrangieren.“
Insgesamt wirkte Ludwig Schmid-Wildy bis Kriegsende an 31 Filmen mit. Nach seinen Exkursen in die nationalsozialistische Propaganda verlegte sich Schmid-Wildy fast ausschließlich auf das komödiantische Fach in volkstümlichen Heimatfilmen. Unter seinen Filmkollegen befanden sich in jener Zeit Hans Moser, Maria Andergast, Leo Slezak, Brigitte Horney, Gustav Fröhlich, Wolfgang Kieling und Attila Hörbiger.
Eigene Filmfirma
Mit dem Spielen allein war Ludwig Schmid-Wildy nicht ausgelastet. 1935 gründete er eine eigene Filmfirma und schaffte sich einen Kostümfundus, Requisiten, Dekorationsteile, Fuhrpark und Scheinwerfer an. Als nicht lange darauf alle privaten Filmproduktionen untersagt wurden, entschloss er sich, Impressario zu werden. Er verpflichtete 37 Dialektschauspieler, Sänger, Tänzer und Musikanten. Im Oktober 1938 feierte Ludwig Schmid-Wildys „Bayernbühne“, Premiere, die größte bayerische Dialektbühne, die es je gab. Man spielte den Schwank „Der heilige Florian“.
Der Zweite Weltkrieg verhinderte weitere Gastspiele. Ende 1943 fielen Ausstattung und Fundus den Bomben zum Opfer.
Betriebsleiter und Batterie-Erfinder
Erneut wechselte Ludwig Schmid-Wildy den Beruf. Er richtete für einen Bekannten auf seinem Waldgrundstück bei Irschenberg, dem späteren „Reservat und Naturschutzgebiet zur Erhaltung der letzten Bayern“, ein Zweigwerk für chemische Produkte ein. Auf diese Weise wurde Ludwig Schmid-Wildy Betriebsleiter und - wie er es selbst ausdrückte -, „davor bewahrt, unter die für den Sieg rollenden Räder zu kommen.“
1951 kaufte Ludwig Schmid-Wildy die Firma und ließ sie als ELESWE Batteriefabrik Schmid-Wildy KG ins Handelsregister eintragen. Die ELESWE war alles andere als der Hobbybetrieb eines arbeitslosen Schauspielers. Ludwig Schmid-Wildy beschäftigte fast fünfzig Arbeitskräfte. Und er war innovativ. Er erfand die regenerierbare Monozelle „Parat“.
Die Batterie kam nie auf den Markt, weil er die kommerzielle Auswertung einem Konsortium übertragen hatte, das sich als Schwindelunternehmen entpuppte.
Zurück zur Kunst
Ludwig Schmid-Wildy konnte es verschmerzen. Denn seit 1953 war er wieder in seinem alten Metier tätig: als Autor, Sprecher und Darsteller. Sowie als künstlerischer Leiter des Platzl, dieser „Oase bayerischer Gemütlichkeit im Herzen der Weltstadt mit Herz.“ Ursprünglich nur als Ersatzmann und Nothelfer engagiert, nahm Ludwig Schmid-Wildy diese Aufgabe genau so lang wahr wie sein bekanntester Vorgänger der Weiß Ferdl - nämlich 22 Jahre. Im Platzl inszenierte Ludwig Schmid-Wildy Einakter, Sketche und Komödien. Er war Intendant, Programmdirektor, Leiter des Betriebsbüros, Hausautor, Schauspiellehrer und Oberspielleiter in einer Person. Er trat selbst nie auf, aber ermöglichte einer Reihe von damaligen „Nachwuchskünstlern“ den ersten Schritt auf die Bühne. Zu seinen Entdeckungen gehörten Balli Prell, Franzl Lang, Maria Hellwig und Franzi Kinateder. Daneben spielten die schon bewährten Kräfte wie Willy Harlander, Hansi Zacher, Peter Steiner und Erni Singerl.
Ein Herzinfarkt zwang Ludwig Schmid-Wildy die Spielleitung am Platzl abzugeben. Trotzdem hörte er nicht auf zu rauchen und zu arbeiten. Noch mit 83 Jahren stand er vor der Kamera und spielte in einem „Tatort“ einen munteren Patienten. Seit den 1950er-Jahren hat er nahezu ununterbrochen gespielt.
Überregionale Bekanntheit durch das Fernsehen
Über Bayern hinaus bekannt wurde Ludwig Schmid-Wildy durch das Fernsehen. Auf dem Bildschirm konnte man ihn in den altbewährten Dialektlustspielen von Maximilian Vitus, Josef Maria Lutz, Alois Johannes Lippl bewundern, aber auch in den Stücken bayerischer bzw. österreichischer Klassiker. Reihen wie der „Komödienstadel“ und Serien wie „Das königlich-bayerische Amtsgericht“ oder „Meister Eder und sein Pumuckl“ brachten Ludwig Schmid-Wildy überregionale Popularität.
Er galt als Spezialist für bäuerliche, schlitzohrig-vertrackte, pfiffig-hintersinnige, renitent-krakelende Typen. Am liebsten spielte er allerdings ganz etwas anderes. Nämlich einfache Leute. Ludwig Schmid-Wildy war auch ein Meister der leisen Töne und wie viele Humoristen ein verkappter Tragöde. Er war wie alle echten Komiker in seinem Fach deshalb so erfolgreich, weil er die zu spielenden Figuren ernst nahm. Wohlgemerkt seine Rollenfiguren. Im Privatleben folgte er einem anderen Motto. Da nahm er nichts allzu ernst, schon gar nicht sich selbst.