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Pfarrer mit südafrikanischen Wurzeln Rassismus-Problem in der Kirche?

Der evangelische Pfarrer Quinton Ceasar hat selbst Fremdenhass erlebt, obwohl er sich gegen Rassismus einsetzt. Sein Eindruck: Seine Botschaft der Nächstenliebe wird aufgrund seiner Herkunft oft übersehen. Bekannt wurde er heuer durch eine Predigt beim Kirchentag in Nürnberg.

Von: Astrid Uhr

Stand: 23.10.2023

Beim Abschlussgottesdienst des Deutschen Evangelischen Kirchentags in Nürnberg predigt Pastor Quinton: "Gott ist queer." Dafür wird er später angefeindet. | Bild: Picture Alliance/epd-bild/Tim Wegner

"Verrückter, queerer Pastor. Ein Diener Satans. Ein Teufel in Schwarz": Mit solch heftigen Hasskommentaren wurde Pastor Quinton Ceasar nach seiner Predigt zum Abschluss des Nürnberger Kirchentages im Juni 23 überschüttet. Deswegen schaltete er seine Emailadresse und sein Telefon im Pfarramt der Evangelischen Friedenskirche Wiesmoor erstmal ab. Zum eigenen Schutz und zum Wohl seiner Familie.

Der 39-Jährige ist in Südafrika geboren und lebt mit seiner Frau und drei Kindern in Ostfriesland. Als "Person of Colour" war es ihm wichtig, bei seiner Predigt öffentlich zu machen, dass Menschen anderer Hautfarbe auch innerhalb der Kirche Rassismus erleben. Und das bestätigte auch die Kritik an seiner Hautfarbe, an seiner Person nach dem Kirchentag.  

Rassismus unter dem Deckmantel der Nächstenliebe 

Seiner Erfahrung nach komme Rassismus in der Kirche eher verdeckt vor. "Zum Beispiel, wenn Personen wegen ihrer sexuellen Orientierung keine Leitungsfunktionen in kirchlichen Gremien bekommen", sagt Pastor Ceasar. Auch Armen, Behinderten oder "People of Colour" würde man in der Kirche oft nicht auf Augenhöhe begegnen.  

Wohl aus Unsicherheit, aber zum Schaden der Betroffenen. Es schmerzt Ceasar, dass die Hasswelle nach dem Kirchentag sich auch seine Hautfarbe richtete. In einer Studie der Evangelischen Kirchen in Deutschland von 2022 stellen Forscher fest, dass Rassismus unter Christen in gleichem Maße vorkommt wie im Querschnitt der Bevölkerung. "Diese Erkenntnis schmerzt erstmal, aber sie ist wichtig für ein respektvolles Miteinander", sagt Pastor Ceasar.

Auch in der katholischen Kirche gibt es Ablehnung und Rassismus gegen Seelsorger aus dem Ausland. Im Zuge des Priestermangels in Deutschland werden auch Priester aus Afrika und Indien in bayerischen Pfarrgemeinden und -verbänden eingesetzt. Manche Geistliche erfahren dort Ablehnung, mehr oder weniger verdeckten Rassismus. In der Öffentlichkeit darüber sprechen wollen sie auf keinen Fall. Das würde die Situation vor Ort verschlimmern, so die Befürchtungen.  

"Gott ist queer" – eine Aussage mit politischer Dimension 

Die große Welle der Entrüstung richtete sich nach dem Kirchentag gegen die Aussage von Quinton Ceasar: "Gott ist queer". Trotzdem würde der evangelische Pfarrer diesen Satz auch heute genauso wiederholen. Während "queer" umgangssprachlich als Sammelbegriff steht für lesbisch, schwul oder trans* steht, hat dieser in der neueren Debatte eine aktivistische, politische Dimension. "Gott ist viel größer, viel weiter, als wir uns alle vorstellen können." Das ist es, was Pastor Ceasar zum Ausdruck bringen wollte.

"Es reicht nicht, zu sagen: Gott hat uns alle lieb."

Pfarrer Quinton Ceasar

Diese grenzüberschreitende, unendliche Solidarität Gottes mit Randgruppen der Gesellschaft. "Es reicht nicht, zu sagen: Gott hat uns alle lieb", so Ceasar. Sondern es sei wichtig, die "Gutmenschen in der Kirche lautstark auf den Rassismus aufmerksam zu machen." Und das ist ihm gelungen.  

Kirche kann friedliche Impulse geben

Solidarität mit Außenseitern, das habe Jesus mit uneingeschränkt solidarischer Liebe vorgelebt. Daran sollte sich Kirche orientieren. "Jesus hat auch Außenseiter zu seinem Festmahl eingeladen, Menschen von der Straße geholt", erklärt Pastor Ceasar. Deswegen ist er optimistisch, dass Kirche zukünftig eine wichtige Rolle im respektvollen Miteinander spielen kann, als Vorbild für andere. "Wir Christen können dazu beitragen, dass unsere Gesellschaft weniger ausgrenzt, sondern solidarischer lebt."


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