Der Märchenkönig Ludwig II. – sein Leben, seine Zeit
Am Geburtstag seines Großvaters kommt Ludwig II. 1845 zur Welt. Auch charakterlich verbindet beide manches. Und doch gestaltet sich der Lebensweg des jungen Ludwig völlig anders. Die wichtigsten Daten im Überblick.
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6. August 1845
Die königliche Familie: Vater Max, Mutter Marie, die Söhne Ludwig (l.) und Otto (r.)
August 1845
Geburt einer Legende
Am 25. August 1845 wird Ludwig als ältester Sohn von Kronprinz Maximilian (später König Max II.) und Marie Friederike, Tochter von Prinz Friedrich Wilhelm von Preußen, geboren. "Die Niederkunft erfolgte in derselben Nacht, ja derselben Stunde, in der unser König 1786 zur Welt kam", meldet die Allgemeine Zeitung und erkennt darin eine "höhere Fügung". Die politische Bedeutung Ludwigs I. erlangt sein charakterlich ähnlich veranlagter, jedoch labilerer Enkel indes nicht.
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6. März 1848
Münchner Bürger stürmen das Zeughaus am Jakobsplatz (heute Münchner Stadtmuseum)
März 1848
Revolution in Bayern
Ludwig ist gerade zwei Jahre, als das Volk auf die Barrikaden geht – in Paris, Berlin und in Bayern. Die Liberalen streiten, wie überall, für Freiheitsrechte. In Bayern stellen sich auch die Konservativen gegen Ludwigs Großvater König Ludwig I. Grund ist Lola Montez, die der König zur Gräfin macht. Kritiker wittern Mätressenwirtschaft. Minister treten zurück, an der Münchner Uni wird für und gegen Montez demonstriert. Ludwig schließt die Universität, am 4. März stürmen Bürger das Zeughaus.Ludwig I. dankt ab, Maximilian II. – Vater des "Märchenkönigs" – besteigt den Thron.
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6. Februar 1861
Splendid Isolation: Ludwigs Venusgrotte
Februar 1861
Wagnerfieber – der erste Anfall
Ludwig besucht seine erste Wagner-Oper: Lohengrin. Von einem Schwan gezogen taucht ein Boot mit dem geheimnisvollen Titelhelden auf - und der Kronprinz in die mittelalter-inspirierte Mythenwelt Wagners ein. Drei Jahre später ist es eine seiner ersten königlichen Amtshandlungen, den hochverehrten (und hochverschuldeten) Komponisten von Wien nach München zu holen, wo die nächsten Uraufführungen des Meisters stattfinden. Lohengrins Schwanenboot installiert der König etwas später in seiner Venusgrotte auf Schloss Linderhof.
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6. März 1864
Der junge König
März 1864
Ludwig wird König
Nach dem Tod seines Vaters Max besteigt der 18-jährige Ludwig am 10. März 1864 den bayerischen Thron. Der attraktive, kunstsinnige junge Mann hat viele Sympathien auf seiner Seite, macht sich zunächst auch durchaus pflichtbewusst an seine Regierungsgeschäfte. Politischer Weitblick und das soziale und wissenschaftliche Interesse des Vaters indes gehen ihm ab. Politisch ist Ludwig ein Getriebener, Bleibendes bewirkt er in Architektur und Musik.
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6. August 1866
Feldlazarett bei Schlacht von Königgrätz
August 1866
Bayern verliert einen Krieg – und seine Perspektive
An der Seite österreichs kämpfen bayerische Truppen in Königgrätz gegen Preußen - und verlieren mit Pauken und Trompeten. In Folge muss Bayern Grenzgebiete abtreten und Kriegsentschädigung zahlen. Schwerer wiegt langfristig das Ende der Drei-Mächte-Konstellation im Deutschen Bund, in der sich München auf Augenhöhe mit Berlin und Wien wähnen konnte.
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6. April 1869
Dauerbaustelle Neuschwanstein
April 1869
Es soll Neuschwanstein heißen
Grundsteinlegung: Auf dem Gelände einer alten Burgruine plant Ludwig das erste und wundersamste seiner drei großen Schlossprojekte. Ludwigs Gralsburg, die später sein wichtigster Rückzugsort wird, gleicht einem Nostalgieradio. Außen sorgt eine Mischung historischer Stile für Atmosphäre, im Inneren modernste Technik für Komfort: Es gibt eine Heißluft-Zentralheizung, Wasserklosetts, Telefonanschlüsse und ein "Tischlein-deck-dich", das per verstecktem Aufzug Speisen aus der Küche zaubert.
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6. November 1870
Kaiserkrönung im Spiegelsaal zu Versailles
November 1870
Ein Königreich unter preußischer Führung
Widerwillig ziehen 55.000 Bayern im Gefolge Preußens in den Deutsch-Französischen Krieg. Nach dem Sieg unterzeichnet Ludwig den von Bismarck entworfenen "Kaiserbrief", in dem die deutschen Fürsten den preußischen König zum "deutschen Kaiser" ernennen. Der künftige Reichskanzler schanzt ihm dafür Gelder aus dem "Welfenfonds" des 1866 preußisch besetzten Königreichs Hannover zu. Bayern ist nur noch Regionalmacht, der König betätigt sich vorwiegend als Baumeister und Musikmäzen.
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6. März 1872
Das Festspielhaus in Bayreuth
März 1872
Der "grüne Hügel" wird bepflanzt
"Nein! So soll es nicht enden!", schreibt Ludwig erregt an Wagner. Es geht um die Weigerung der Münchner, Wagner ein eigenes Opernhaus zu errichten. Schon 1865 hatte die Männerfreundschaft zum Eklat geführt, als Wagner dem Dirigenten Hans von Bülow die Frau ausspannte und der Ministerrat geschlossen mit Rücktritt drohte – sollte Ludwig den Komponisten nicht des Landes verweisen. Wagner geht in die Schweiz. Das Festspielhaus aber kommt: finanziert vom König und nach Bayreuth.
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6. März 1878
Herrenchiemsee
März 1878
Das bayerische Versailles
Mit dem Bau von Schloss Herrenchiemsee tritt ein machtloser König in Konkurrenz zum ehedem mächtigsten Herrscher Europas – Sonnenkönig Ludwig XIV. Die Fassade von Herrenchiemsee gleicht der von Versailles wie ein Ei dem anderen, dito Treppenhaus, Spiegelsaal, die Wasserspiele. Der Prunk im Schlafzimmer hängt das Original sogar um Längen ab. Der bayerische Schattenkönig aber verfügt trotz der "Taschengelder" Bismarcks nicht mal über die Mittel, die das Riesenprojekt verschlingt: 1884 hat der König acht Millionen Reichsmark Schulden. Die Fertigstellung des Baus erlebt er nicht.
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6. März 1886
Alkohol und Depressionen haben Spuren hinterlassen: Das letzte Foto
März 1886
Zu seltsam für den Thron
Schulden machen, zuviel essen und trinken, Verweigerung der Regierungsgeschäfte – alles "Zeichen von Paranoia"? Obermedizinalrat Dr. Bernhard von Gudden attestiert 1886, Majestät seien "in sehr weit fortgeschrittenem Grade seelengestört". Eine Kommission, die vorhat, den König abzusetzen, lässt der Herrscher abweisen. Dann fügt er sich doch in sein Los und bezieht seine Villa in Berg am Starnberger See, die durch Anbringung von Fenstergittern und Abmontierung aller Türklinken zur Privatirrenanstalt wird. "Diese Schmach überlebe ich nicht", äußert Ludwig.
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6. Juni 1886
Gedenkkreuz für König Ludwig II. im Starnberger See
Juni 1886
Tod im See – ein ewiges Rätsel
Am Abend des 13. Juni 1886 verlässt Ludwig in Begleitung seines Leib- und Nervenarztes Dr. Gudden die Villa Richtung Seeufer. Stunden später – es regnet heftig – sind beide noch nicht zurück. Gegen 23 Uhr stoßen Suchtrupps auf zwei im Wasser treibende Leichen. Was in der Zwischenzeit passiert ist, füllt Bücher. In der offiziellen Version hat Ludwig Selbstmord begangen und seinen Arzt mit in die Tiefe gerissen. Oder hat umgekehrt Gudden den verwirrten Ex-Monarchen ertränkt? Oder gedungene Mörder des Kabinetts alle beide? Ludwig: "Ein ewiges Rätsel bleiben will ich mir und anderen."