1806 bis 1919 Bayerns königliche Jahre
Kriege stehen am Anfang und am Ende von Bayerns Königszeit. Dazwischen ging es leidlich friedlich zu. An Begabung und Charakter sind die sechs Wittelsbacherherrscher so unterschiedlich wie ihre Aufgaben – von der Einigung der bayerischen Stämme bis zum Eisenbahnbau.
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1799
Das Gemälde zeigt Max I. Joseph, König von Bayern.
1799
MAX JOSEPH – KURFÜRST UND KÖNIG
Zu Bayern kommt Max Joseph in seinem 42. Lebensjahr wie die Jungfrau zum Kind: Seit 1777 wird Bayern von der 460 Jahre zuvor abgespaltenen pfälzischen Linie der Wittelsbacher regiert, genauer: von Max' schwierigem, kinderlosem Onkel Karl Theodor. Die Logik der Erbfolge ist selbst für die Zeitgenossen schwer zu durchschauen; umso mehr Hoffnung setzen Bayerns Bürger in den lebenslustigen, offenbar fortschrittlichen Neuzugang: "Weilst nur grad da bist, Maxl", soll ihn ein Münchner Wirt begrüßt haben. Als Berater bringt der Pfälzer einen gebürtigen Münchner mit: Maximilian Graf von Montgelas.
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1806
Krönungsmantel der ersten bayerischen Königin Karoline
1806
Bayern wird Königreich
Die beiden Maxen - der Kurfürst und sein Doppelkopf Montgelas - haben viel zu tun: Die dritte Macht im deutschen Reich ist zu klein, um es mit Wien und Berlin aufzunehmen, hochverschuldet und im Kampf gegen Napoleon "zwangsalliiert" mit den militärisch glücklosen Österreichern. Mit viel Taktiererei dreht der frankophile Kurfürst das Bündnis um. Napoleon dankt es ihm, indem er Bayern um Tirol, Vorarlberg und andere österreichische Gebiete erweitert und am 1. Januar 1806 zum Königreich erhebt. Eine Zeremonie gibt es nicht, die Krönungsmäntel von Maximilian und Karoline bleiben ungetragen.
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1813
Darsteller spielen die Schlacht bei Eggmühl nach
1813
Vertrag von Ried: Au revoir, Napoleon!
Dem Volk nützt das wenig: Es ist Krieg, der linksrheinische Verbündete fordert Mann und Material. 32.000 Bayern müssen bei Eggmühl gegen die Österreicher antreten, als Napoleon nach Russland zieht, nimmt er 36.000 Bayern mit. Nur 6.000 kommen lebend zurück. Immerhin wechselt Max, bedrängt vom Kronprinzen Ludwig, eben noch rechtzeitig das Lager, bevor sich das Kriegsglück wendet. Am 8. Oktober 1813 verlässt Bayern den Rheinbund und schließt sich den Gegnern Napoleons an. Am 19. Oktober wird der Imperator in der Völkerschlacht bei Leipzig vernichtend geschlagen.
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1818
Original der handschriftlichen Bayerischen Verfassung
1818
Bayern bekommt eine Verfassung
Erfreulicher entwickelt sich die Innenpolitik. Die erste bayerische Verfassung, maßgeblich ausgearbeitet von Montgelas, ist eine "Revolution von oben". Ihr Inkrafttreten 1818 erlebt der Superminister als Privatmann - Hofintrigen haben zu seiner Entlassung geführt. Er hat viel geschafft und sich Feinde gemacht. Die Bilanz: Säkularisation der Klostergüter, Angliederung der fränkischen und schwäbischen Gebiete, Einrichtung einer zentralen Verwaltung, Abschaffung von Leibeigenschaft und Folter, gleiche Rechte für alle Staatsbürger, Glaubensfreiheit auch für die evangelischen Christen.
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1825
Zeitgenössische Darstellung des bayerischen Königs Ludwig I.
1825
KÖNIG LUDWIG I.
Als Romantiker und Freigeist besteigt er 1825 den Thron: beseelt von Antikensehnsucht und dem Willen, Bayern und besonders München zu Perlen des "teutschen Volkes" zu machen. Baulich kommt er ziemlich weit: Prachtvoll führt die Ludwigstraße das alte München nach Schwabing – einst ein Bauerndorf, bald kulturelles Kraftfeld. Königsplatz, Walhalla und Pompeianum sind nur einige seiner "Kopfbauten". Ahnherr des Oktoberfests ist er auch: Zu Ehren seiner Braut Therese findet es 1810 erstmals statt – als Pferderennen mit Volksbelustigung.
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1832
Hambacher Fest – Grundstein der deutschen Demokratie
1832
Das Hambacher Fest
Hambacher Fest - was heiter klingt, war eigentlich ein politisches Fanal: Ein Aufschrei des Liberalismus und Patriotismus gegen Tyrannei und Kleinstaaterei, im engeren Sinn: der rheinpfälzischen Bevölkerung gegen die neue bayerische Herrschaft mit ihren Zöllen, Steuern und Zensurvorschriften. Zwei Jahre nach der französischen Julirevolution 1830 treffen bei Schloss Hambach an der Weinstraße Zehntausende zur "Großdemonstration" unter schwarz-rot-goldenem Banner zusammen. Das Ergebnis: Verhaftungen und weitere Verschärfung der Repression.
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1835
Die Zeichnung zeigt Deutschlands erste Eisenbahn, die zwischen Nürnberg und Fürth verkehrte.
1835
Deutschlands erste Eisenbahn
Verkehrstechnisch jedenfalls geht es voran. Unter großem Hallo zieht am 1835 die Dampflok Adler mit 30 Kilometern pro Stunde neun Waggons von Nürnberg nach Fürth: Die erste Eisenbahnstrecke Deutschlands ist eröffnet. Wenig später werden in Bayern fast alljährlich Eisenbahnstrecken eröffnet, die allmählich ein Netz ergeben. Schon 1834 haben sich etliche deutsche Staaten zum Zollverein verbunden, um das Gewirr aus Schlagbäumen, Zollgesetzen, Währungen und Maßeinheiten zu lichten. Bald weht auch im Agrarland Bayern der Schlotrauch der Industrialisierung.
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1847
Zeitgenössischer Stich vom Zeughaus-Sturm in München
1847
Revolution!
Das Volk geht auf die Barrikaden - in Paris, Berlin und in Bayern. Die Liberalen streiten, wie überall, für Freiheitsrechte, die Innenminister Karl Abel zäh verweigert hat. In Bayern stellen sich auch Konservative gegen den König. Grund ist eine angeblich spanische Tänzerin. Der König ist Lola Montez so zugetan, dass er sie einbürgert und zur Gräfin macht. Kritiker wittern Mätressenwirtschaft, Abel tritt zurück, an der Münchner Uni wird für und gegen Montez demonstriert. Am 9. Februar schließt Ludwig die Universität, am 4. März stürmen Bürger das Zeughaus. Am 20. März dankt Ludwig ab.
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1848
Porträt des bayerischen Königs Maximilian II.
1848
DER ZÖGERNDE REFORMER: KÖNIG MAXIMILIAN II.
Ein neuer König - eine neue Epoche. Ludwigs Sohn Max, der 36-jährig eher gefasst als erfreut die Krone aufnimmt, ist ein kränklicher, gebildeter Mensch, der gerne Professor geworden wäre und erklärt, er sei stolz, sich einen konstitutionellen König zu nennen. Dem Regieren widmet er sich mit wissenschaftlicher Akribie und Umständlichkeit, umgibt sich mit Gelehrten, bereist sein Land zu Fuß, fördert Wissenschaft und Gewerbe. Sensibler als der Vater erkennt er die Bedeutung der sozialen Frage; sie zu lösen, fehlt es ihm an Lebenszeit.
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1854
Der Münchener Glaspalast
1854
Die große Industrieausstellung im Glaspalast
Noch ist Bayern kein Industrieland, aber die Stahl-Glas-Konstruktion des Münchner Glaspalasts müht sich, dem zukunftsweisenden Londoner "Crystal Palace" nahezukommen. In ihr findet 1854 die "Allgemeine Ausstellung deutscher Industrie- und Erwerbserzeugnisse" viel Beachtung. Viele Schaustücke kommen aus Augsburg und Nürnberg. Um die Messe herum sieht man die äußere Folge der neuen Zeit: Zu Hunderttausenden ziehen die Menschen vom Land in die neuen Ballungszentren. Bis 1883 hat sich die Einwohnerzahl der Hauptstadt in nur 50 Jahren verfünffacht - mit den entsprechenden Verwerfungen.
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1857
Die Maximilianstraße in München, aufgenommen um 1890
1857
Grundsteinlegung für das Maximilianeum
Die sichtbarsten Spuren hinterlässt Maximilian II. - darin den beiden Ludwigs ähnlich - als Bauherr. Sein "Hausarchitekt" Friedrich Bürklein entwirft fast alle wichtigen bayerischen Bahnhöfe, dazu Münchens Prachtboulevard Maximilianstraße. An dessen Kopfende legt er 1857 den Grundstein für einen besonderen Bau: Das Maximilianeum. Der König verfügt, in dem "Nationalbau" eine Studienstiftung für "talentvolle Jünglinge jeglichen Standes" zu errichten. Seit 1949 ist das Maximilianeum Sitz des Bayerischen Landtags.
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1864
Das Gemälde zeigt den bayerischen Monarchen Ludwig II.
1864
DER MÄRCHENKÖNIG: LUDWIG II.
Wieder ein neuer König, und wieder könnte der Wechsel größer nicht sein: Auf den pflichtbewussten Erneuerer, der im Hintergrund behutsam die Fäden zieht, folgt eine schillernde Künstlerpersönlichkeit auf dem Thron, die so wenig in die Zeit passt, dass der Begriff "Märchenkönig" angemessen erscheint. Politisch ist Ludwig ein Getriebener, Bleibendes bewirkt er in Architektur und Musik. Sein rätselhafter Tod im Starnberger See - Selbstmord? Mord? Schicksal? – tut das Seine, aus einem führungsschwachen Monarchen einen Mythos zu machen.
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1871
Proklamation des Deutschen Kaiserreichs in Versailles
1871
Reichsgründung: Bayern tritt zurück ins Glied
Das hat Bismarck fein eingefädelt: Im Spiegelsaal von Versailles, der Herzkammer des besiegten Nachbarn Frankreich, wird Preußenkönig Wilhelm I. am 18. Januar 1871 zum deutschen Kaiser proklamiert. Der Vorschlag kommt aus Bayern. Dabei hatte Ludwig zunächst einen Wechsel der Kaiserkrone zwischen Wittelsbach und Hohenzollern im Sinn gehabt. Der Preuße aber überzeugt - oder überrumpelt - den mit Zahnschmerzen im Bett liegenden "Hanswurst von König" (Bismarck), wobei die Zusage von Zahlungen aus dem konfiszierten Hannoverschen Staatsschatz, dem "Welfenfond", wohl eine Rolle spielt.
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1876
Festspielhaus der Richard-Wagner-Festspiele
1876
Bayreuth wird Wagner
Wie gern hätte Ludwig II. Richard Wagner in seiner Nähe gehabt. 1864 schon hat der königliche Exzentriker den genialen Egozentriker aufspüren lassen, als dieser, verschuldet und inkognito, aus Wien abgereist war. Pläne zum Bau einer Münchner Semperoper aber zerschlagen sich. 1874 plant Wagner ein Festspielhaus in Bayreuth. Finanziert werden soll es über den Verkauf von "Patronatsscheinen", die zum Eintritt berechtigen, was scheitert. "Es muss da geholfen werden", schreibt Ludwig und spendet reichlich. Am 13. August 1876 ist Premiere auf dem Grünen Hügel - Beginn der berühmten Festspiele.
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1886
Prinzregent Luitpold
1886
DER LANDESGROSSVATER: PRINZREGENT LUITPOLD
Prinz Luitpold ist 65, als er die Regentschaft für den angeblich geisteskranken König Ludwig II. antreten muss. Luitpold, Onkel und nächster Verwandter des Königs, tut es nur zögernd - auf Drängen des Kabinetts. Als Ludwig drei Tage später auf ungeklärte Weise ertrinkt, bleibt Luitpold "Reichsverweser" - für 26 Jahre. Wenn die Epoche im Rückblick mehr als jede andere zu Bayerns "guter, alter Zeit" wird, liegt es am Aufschwung der Wirtschaft und der Blüte der Münchner Bürgerkultur, aber auch an Luitpolds leutseligem Charakter. Vielerorts brodelt schon die Moderne - noch unter der Oberfläche.
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1893
ein Almfest der SPD-Prominenz 1902
1893
Die SPD zieht in den Landtag ein
Die Bevölkerung wächst, die Gesellschaft wandelt sich - die soziale Frage treibt Bayern um. Auf dem Land vertritt der linke Flügel des Zentrums (vor 1887 Patriotenpartei) die "kleinen Leute"; 1869 hat die katholisch-konservative Partei die Liberalen als stärkste Kraft im Landtag abgelöst. In den Vorstädten aber, unter den Arbeitern, dominiert eine andere Kraft: die SPD. Zurzeit von Bismarcks Sozialistengesetzen wird sie auch in Bayern brutal bekämpft. 1890 kommt sie aus dem Untergrund. 1893 ziehen fünf Abgeordnete in den Landtag ein, 1912 schon 30. Im Bild: ein Almfest der SPD-Prominenz 1902.
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1913
Bildmitte: Ludwig III., der letzte bayerische König
1913
"MILLIBAUER" LUDWIG III.
Ludwig I. wollte als König von Gottes Gnaden regieren - für sein Volk, wo nötig gegen das Volk. Ludwig II. regierte nur, wo er musste; das Volk spielte in seinem Traum vom König-Sein eine Nebenrolle. Ludwig III. wäre lieber Bauer geworden. Pomp und Zeremoniell sind dem letzten regierenden Wittelsbacher lästig, Tradition und Kirche aber wichtig, die Bündnistreue heilig. Im 1. Weltkrieg steht Bayern fest zu Preußen; Ludwig fantasiert von einem bayerischen Elsass, zeitweise von der Annexion Belgiens. Das Volk hat das Morden und den Hunger irgendwann satt – viele auch die Wittelsbacher.
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1919
Versammlung während der Novemberrevolution 1918 in München
1919
Der Untergang der Monarchie
Am 7. November 1918 spaziert Ludwig III. durch den Englischen Garten, als ein Passant auf ihn zustürzt: "Majestät, genga's hoam, sonst passiert eana wos!" Zur selben Zeit schwillt eine Kundgebung von Bauern und Arbeitern auf der Theresienwiese zur Massendemonstration an. Am nächsten Tag beginnt eine neue Zeitrechnung: Ein provisorischer Nationalrat aus Arbeiter- und Soldatenräten wählt den USPD-Politiker Kurt Eisner zum ersten bayerischen Ministerpräsidenten; aus dem Königreich Bayern wird ein Freistaat. Ludwig III. flieht nach Österreich. 738 Jahre Wittelsbacher Herrschaft sind zu Ende.