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Paulaner Ein Brauriese zieht um

Diese Nachricht betrifft die Biertrinker, Paulaner-Mitarbeiter und die Bewohner der Münchner Stadtviertel Giesing und Au gleichermaßen: Paulaner verlässt den ältesten Münchner Braustandort am Nockherberg, um am Stadtrand bei Langwied neue Brunnen zu graben. Nebenwirkungen: Ein neues Wohnviertel im Münchner Zentrum - und Stellenabbau.

Stand: 29.11.2011 | Archiv

Paulaner  | Bild: Paulaner

Umzugspläne geschmiedet hatte man schon lang. Jetzt schafft Paulaner Fakten: In den nächsten fünf Jahren zieht die Münchner Großbrauerei von ihrem Traditionsstandort im Münchner Vierteldreieck Giesing-Au-Haidhausen, wo schon 1634 die gleichnamigen Mönche ihren Biersud rührten, in den Nordwesten Münchens nach Langwied. Schon vorher verabschieden sich Teile der Logistik auf ein provisorisches Gelände in Neuwied. "Die Nachfrage aus dem Ausland wächst. Wir stoßen an Kapazitätsgrenzen", so Geschäftsführer Andreas Steinfatt.

Mehr Bier, weniger Personal

Statt bisher 2,8 Millionen Hektoliter kann die Brauerei auf einer Fläche von 15 Hektar dann 3,5 Hektoliter Bier produzieren - mit Luft nach oben. Rund 300 Millionen Euro will Paulaner auf dem Areal an der Autobahnspange zwischen A8 und A99 in moderne Brau- und Abfüllanlagen investieren und neue Brunnen graben, die sich nach Brauereiangaben aus Tertiärwasser von gleicher Qualität wie am alten Standort speisen.

Paulaner heute: Wenn die Braulaster wenden müssen, wird's eng

Zum Mehr an Platz soll in den neuen Produktionsanlagen ein Mehr an Effizienz kommen. Was das für die Mitarbeiter bedeutet, beantworten die Braumanager auf Nachfrage: Bis zu zehn Prozent der Belegschaft würden dann überflüssig, also maximal 90 der rund 900 bisherigen Mitarbeiter. Die Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten rechnet mit einem Wegfall von mindestens 100 Arbeitsplätzen.

Nockherberg: Der Starkbieranstich bleibt - in neuer Umgebung

Beruhigen kann Steinfatt indes die Fans des Nockherberg, wo in der Starkbierzeit das traditionelle Politer-Derbleckn, im Sommer der Biergarten die Biertrinker anlocken. Der Stammsitz der Brauerei und einige historische Gebäude bleiben erhalten, auch wenn die alten Brunnen zugeschüttet werden.

Bier, Rauch, Gelächter: Der Starkbieranstich in seinen Anfängen

Die Nachbarschaft wird sich allerdings grundlegend verändern: Neuer Eigentümer der 85.000 Quadratmeter großen Produktionsflächen ist die Bayerische Hausbau - wie Paulaner ein Unternehmen der Schörghuber-Gruppe. Über den Kaufpreis wollen weder Brau- noch Baumeister etwas verraten. Sprecherin Sabine Hagn: "Ab 2018 werden hier Wohnungen für Familien und Singles und Kleingewerbeimmobilien entstehen. Voraussichtlich im nächsten Jahr werden wir gemeinsam mit der Stadt München einen städtebaulichen Wettbewerb ausschreiben."

Angst vor neuer "Gentrifizierung"

In den betroffenen Stadtvierteln lösen die Umzugsspekulationen schon lange gemischte Gefühle aus: So sehr München neuen Wohnraum braucht, so sehr fürchten viele Anwohner, dass die Gegend im Osten der Innenstadt nach dem Wegzug ihren bodenständigen Charakter verlieren könnte und die Mieten weiter nach oben schießen. Nachdem das jenseits der Isar gelegene Glockenbachviertel schick und für viele Münchner unbezahlbar geworden ist, schwappt die Teuerungswelle seit einigen Jahren in die Au und nach Untergiesing. Bei der Bayerischen Hausbau ist man bemüht, Befürchtungen zu zerstreuen. Sabine Hagn: "Es wird einen Mix aus Eigentums- und Mietwohnungen geben, 30 Prozent entstehen im geförderten Wohnungsbau." Mit der relativen Ruhe zwischen Isar und Ostfriedhof ist es jedenfalls vorbei.

Hintergrund: Die Braumönche vom Nockherberg und die neue Zeit

So sah es am Nockherberg im Jahr 1909 aus

Die Paulaner Brauerei GmbH und Co. KG, ein "Big Player" unter den fünf Münchner Traditionsbrauereien, gehört heute zu je 50 Prozent der Schörghuber Unternehmensgruppe und der Brau Holding International (BHI), an welcher der niederländische Brauriese Heinecken und wiederum Schörghuber beteiligt sind.


Seinen Ursprung hat der Konzern in der Braukunst eines aus Italien zugezogenen Mönchsordens, an dessen Wirkungsstätte bis heute das Bier produziert wird. Geschäftsführer Andreas Steinfatt: "Paulaner braut seit 1634 am Nockherberg und ist die einzige Brauerei in München, die immer noch an ihrem angestammten Platz steht."

Nicht-Münchner kennen den Nockherberg vor allem durch den alljährlichen Starkbieranstich, bei dem mit ironischer Fastenrede und Singspiel die Politprominenz "derbleckt" wird. Umzugspläne hegen die unter beengten Verhältnissen leidenden Brauer schon länger. Den medienbekannten Stammsitz wollte man freilich nicht aufgeben. Und: Auch der neue Produktionsstandort sollte innerhalb der Stadtgrenzen liegen - auf dem Oktoberfest dürfen nämlich nur Münchner Brauereien ausschenken.


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