Nockherberg-Geschichte Ein Humpen auf den Fürst!
So ändern sich die Zeiten: Heute ist das Kloster Neudeck ein Gefängnis. Im 17. Jahrhundert wurde hier gebetet und gebraut. Seit dem Umzug auf den Nockherberg ist der Starkbieranstich ein Spektakel, an dem die erste Garde bayerischer Schauspieler und Komödianten teilnahm.
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1780
Kloster Neudeck: von 1904 bis 2009 Frauengefängnis, einst Bierbastion
1780
Der erste Starkbieranstich
Am 2. April 1780 fand in Kloster Neudeck vor den Toren Münchens der erste feierliche Salvatoranstich statt. Die aus der Oberpfalz zugewanderten Mönche hatten zum Namenstag ihres Ordensgründers Franz von Paula den Kurfürsten Karl Theodor eingeladen, der die erste Maß Starkbier bekam - wie später fast alle Wittelsbacherherrscher. Nur Ludwig II. konnte mit dem Starkbier-Spektakel wenig anfangen.
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1806
Das Bier fließt, die Menge strömt ...
1806
Der Klosterbräu wird bürgerlich
Ein geschäftstüchtiger Münchner pachtet die Klosterbrauerei und verwandelt sie in einen florierenden Bürgerbräu: Franz Xaver Zacherl. In der neuen Gastwirtschaft gegenüber ist bald danach jeden April für acht Tage öffentlicher Starkbieranstich - ein "Event" mit Werbewirkung.
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1861
Der Eingang ins Bierparadies Nockherberg
1861
Umzug auf Giesings Höhen
Der Salvatoranstich zieht um - zwar nur um einige hundert Meter. Ein steiler Aufstieg ist es doch, vom Brauereibiergarten am Auer Mühlbach ins elegante Schlösschen des Bankiers Jakob Nockher auf Giesings Höhen. Der Starkbieranstich - inzwischen umrahmt von Komödianten und Bänklsängern - entwickelt sich zum Volksfest.
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1891
Eine Figur wie von Spitzweg: Jakob Geis
1891
Die erste Rede
Der Erfolg des Nockherberg-Spektakel ist kein Zufall: Im späten 19. Jahrhundert wächst Münchens Bevölkerung rasant an - mit ihr der Durst und der Hunger auf Unterhaltung. Um 1900 kommen auf 500.000 Münchner 800 Volkssänger, die in 100 Singspielhallen um die Gunst des Publikums werben. Einer der populärsten ist Jakob "Papa" Geis, der beim Starkbieranstich 1891 ein "äußerst gewähltes Herrenpublikum" unterhält.
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1922
Starkes Bier, starke Sprüche: Der Weiß Ferdl
1922
Auftritt: Weiß Ferdl
Sein "Wagen von der Linie 8" hat die Zeit überdauert und fährt heute noch durchs bayerische Gedächtnis. In den 20er- und 30er-Jahren aber ist Ferdinand Weisheitinger, genannt Weiß Ferdl, eine Berühmtheit und in der Brettlszene allgegenwärtig. Auch auf dem Nockherberg, wo er überwiegend unpolitische Couplets und Sketche zum Besten gibt.
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1951
Eher Gentleman als Gaudibursch: Adolf Gondrell
1951
Hosianna im Münchner Bierhimmel
Im vorletzten Kriegsjahr ist unter den Bombenopfern auch der Bierpalast auf dem Nockherberg. 1951 steht eine "brandneue" Salvatorhalle bereit - rechtzeitig zum 300. Jubiläum des Starkbieres. Der Schauspieler Adolf Gondrell - bekannt durch seine Version von Ludwig Thoma's "Ein Münchner im Himmel" und in der Landeshauptstadt mit einem eigenen Platz geehrt - sorgt für eher erbauliche Unterhaltung.
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1954
Moderator, Multiplikator und klassisch gebildeter Schelm: Emil Vierlinger
1954
1 - 2 - 3 - Vierlinger!
Zwanzig Jahre lang prägt er den Stil auf dem Nockherberg und sorgt dafür, dass der Ton politischer wird: Emil Vierlinger, Moderator beim Bayerischen Rundfunk, ist als Autor und Vizegastgeber aktiv und gleich noch für die Rundfunkübertragung zuständig. Die Nockherberg wird bayernweit populär - was angesichts der mit historischen Anspielungen gespickten Texte Vierlingers heute fast erstaunt. So beschreibt er den langjährigen Ministerpräsident Alfons Goppel als "eine Synthese aus einem Obristen der katholischen Liga in Wallensteins Lager und dem Löwen von Metro-Goldwyn-Mayer".
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1965
Karl Peukert und Michl Ehbauer als "Frauenturmgeister Xaverius und Ambrosius"
1965
Ein alter Gruß kommt wieder
Ein bisschen ironisch, freilich. Und das geht so: Der Festredner reicht den ersten Krug Starkbier dem Ministerpräsidenten. Eduard Ille hat die Tradition vor 1900 so bedichtet: "Dort empfing den Landesvater / Barnabas der Bräuhausfrater / ihm beglückt und freudeglänzend / einen Humpen Bier kredenzend / mit dem Gruß, der bis zur Stunde / sich erhält im Volkesmunde: Salve pater patriae! Bibas, princeps optime!" Übersetzt heißt das: "Sei gegrüßt, Vater des Vaterlands! Trinke, bester Fürst!" Und dann wird eingeschenkt ...
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1974
Gstanzl-Legende: Der Roider Jackl
1974
Chefderblecker mit Gitarre: der Roider Jackl
1953 war er mit seinen "Gstanzln" schon einmal Hauptakteur auf dem Nockherberg, danach ist der legendäre Volkssänger - mindestens aber sein Geist - immer mit dabei; kurz vor seinem Tod ist Jakob Roider nochmal Hauptredner. Sein Prinzip: Im Dreivierteltakt vorgetragene Vierzeiler über die Torheiten der Großkopferten und menschliche Schwächen im Allgemeinen. Seine Themen: Die Wiederbewaffnung, Studentenunruhen, die CSU und der geplante Münchner Großflughafen. Kostprobe 1962: "Gegen unsa Remilitarisierung / hört ma gar neamd mehr redn / ja wenn scho d'Sozi dafür san / bin i aa nimma dagegn."
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1980
Die 70er: Starkbier auch in der Höhle des Löwen
1980
Triumphator kontra Salvator
Ende der 70er-Jahre wechseln die Redner und Autoren auf dem Nockherberg beinahe im Jahrestakt. Als Hauptredner dabei: Klaus Havenstein von der Münchner Lach- und Schießgesellschaft, Franz Schönhuber, damals BR-Redakteur, und der Karikaturist Ernst Maria Lang. Die Konkurrenz ist hart: Auch Löwenbräu probiert inzwischen einen Starkbieranstich, wirbt 1973 den Roider Jackl ab, später auch Gerhard Polt an. Paulaner wagt den Neuanfang - unter anderem mit dem Singspiel, einem satirischen Musical mit Polit-Imitatoren.
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1982
Rhetorischer Florettfechter mit Dackelhaar auf den Zähnen: Walter Sedlmayr
1982
Ein Klassiker: Burger schreibt, Sedlmayr seziert
Bisher waren die Festredner meist auch autoren ihrer Texte. Jetzt beginnt eine neue Ära, geprägt durch ein Gehirn und ein Gesicht: Die Texte des bürgerlich-liberalen Journalisten Hannes Burger trägt Walter Sedlmayr vor - bis zu seinem gewaltsamen Tod 1990 höchst populärer Schauspieler, teurer Bier-Werbeträger und feinsinniger Spötter. Die Zusammenarbeit ist nicht einfach. Burger schildert, wie Sedlmayr einmal eine Textidee in der Luft zerfetzt und auf die Vorhaltung, sie stamme doch von ihm selbst, erwidert: "Mei, des is doch wurscht. Wenn's mir halt jetzt nimmer g'fallt!"
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1992
Ein Mönch teilt aus: Max Grießer
1992
Die Neu-Erfindung des Barnabas
1991 hätte der Festredner Toni Berger geheißen - wenn nicht der Irakkrieg zur Absage des Politspektakels geführt hätte. 1992 ist Max Grießer ist der erste Festredner, der in der Mönchskutte des hinterfotzig-salbungsvollen Braubruder Barnabas auftritt - sie ist ihm auf den Leib geschneidert, passt 1997 und 1998 aber auch dem "ersten 68er auf dem Nockherberg", Erich Hallhuber, und bis 2003 Gerd Fischer. Freilich, um mit Hannes Burger zu sprechen: "Jeder Wechsel des Zugpferds bringt Unruhe ins Gespann".
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2004
Vom "Scheibenwischer" auf den Nockherberg: Bruno Jonas
2004
Der Einzug der Kabarettisten
Nach 22 Jahren nimmt die Brauerei ihren Stammautor aus dem Rennen. Zur Hochzeit des Comedy-Booms erwächst eine Ahnengalerie politischer Kabarettisten mit Bierkrug in der Hand: Bruno Jonas (2004-2006), Django Asül (2007), Michael Lerchenberg (2008-2010) sprechen ihre eigenen Texte, was der Durchschlagskraft zugute kommt. Harmonischer war es bei Burger, der erklärte, man dürfe "das milde Politiker-Derblecken" nicht verwechseln "mit einseitig bissiger Polemik nach Art von Kabarettisten". Asül finden einige der Derbleckten denn auch zu grob, Lerchenfeld zu ernst. Und Kinseher?