Gespräch mit Fania Oz-Salzberger "Deutschland kann viel von Israel lernen"
Fania Oz-Salzberger ist Professorin an der Uni Haifa und Tochter des israelischen Schriftstellers Amos Oz. Die Historikerin ist optimistisch, dass sich das deutsch-israelische Verhältnis in den nächsten Jahrzehnten entspannen wird.
Erst 68 Jahre ist der Staat Israel alt. Und die Geschichte des Landes hätte wechselvoller nicht sein können - auch, was das Verhältnis zu Deutschland betrifft. Wie sieht Fania Oz-Salzberger die deutsch-israelischen Beziehungen in ein paar Jahrzehnten? "Entspannt", antwortet sie ohne lange zu überlegen, "wir werden uns weiter annähern. "
"Israel ist nicht kaputt, wie viele Deutsche glauben. Israel ist nicht meine Großmutter. Israel, das ist mein Vater - und der überlebt."
Fania Oz-Salzberger
Die Großmutter: Fania Klausner, die Mutter ihres Vaters Amos Oz, der bekannteste Schriftsteller, den Israel je hervorgebracht hat. Ihre Großmutter Fania ist im damaligen Polen mit einem sehr verklärten Bild Israels aufgewachsen. In Palästina erlebte sie dann, dass der Alltag in der Levante relativ wenig mit der ihr in Osteuropa vermittelten zionistischen Romantik zu tun hatte.
1952, in einer regnerischen Januarnacht, beschloss sie, ihrem Leben ein Ende zu setzen. Da war ihr Vater Amos gerade einmal zwölf Jahre alt. "Ich habe selbst entdeckt, was passiert ist", erzählt Fania Oz-Salzberger. In dem Kibbuz, in dem sie damals mit ihren Eltern lebte, habe sie zufällig ein Zeitungsinterview mit ihrem damals schon bekannten Vater Amos Oz gefunden und dabei erstmals vom Schicksal ihrer Großmutter erfahren.
"In Israel regt sich niemand über Burkinis auf"
"Heute ist das ganz anders. Ich spreche mit meinen Kindern über alles". Über Nahost-Politik, über die Flüchlingskrise und natürlich auch über die politische Stimmung in Europa, die gerade in so vielen Ländern gefährlich nahe ans rechte Lager rückt. Über ein Thema aber muss sie lachen: die aktuell geführte Burkini-Debatte. Vielen Israelis sei es unverständlich, dass in Europa so viel darüber diskutiert wird. An den Stränden von Tel Aviv etwa gehörten Burkinis zum täglichen Erscheinungsbild und niemand - ob religiös oder nicht - störe sich daran.
"Die Hälfte meines Lebens habe ich in Hörsälen verbracht, die andere Hälfte am Strand. Und überall können in Israel alle Leute das tragen, was sie wollen. Es gibt wirklich Wichtigeres."
Fania Oz-Salzberger
"Wir kommen aus Europa, wir sind Europäer"
Unter ihren Studierenden an der Uni Haifa gebe es derzeit etwa 20 Prozent arabische Studenten, davon weitaus mehr Frauen. "Mehr arabische Frauen als Männer, das gibt es weltweit sonst nirgends an einer Universität. Nicht in der arabischen Welt und auch nicht in Europa. Das gibt es nur in Israel und ich denke, Deutschland kann von Israel einiges lernen."
Deutschland wird auch lernen müssen, sich mit der arabisch-muslimischen Kultur auseinanderzusetzen. Vielleicht wird diese auch hier einmal nicht mehr wegzudenken sein und dazugehören, wie es in Israel schon immer der Fall war.
Auf der anderen Seite, so die Historikerin, wird Israel immer enger an Europa heranrücken. Schon jetzt leben so viele junge Israelis wie nie zuvor in Berlin. Für viele ist es wichtig, das Land ihrer Großeltern kennenzulernen. Und die vielen jüdischen Familien aus Europa transportieren seit jeher die europäische Idee nach Israel. Wie die Familie Klausner, so hieß ihre Familie nämlich ursprünglich. Erst im Kibbuz hat sich ihr Vater Amos den Nachnamen Oz gegeben. A und O, nach dem ersten und letzten Buchstaben des griechischen Alphabets.
"Israel wird mehr und mehr Europa werden. Wir kommen aus Europa, wir sind Europäer."
Fania Oz-Salzberger
Eine Geschichte von Liebe und Finsternis
Eine Geschichte von Liebe und Finsternis
Ein Film nach dem gleichnamigen Roman von Amos Oz. Regie und Drehbuch: Natalie Portman. Hebräisch mit deutschen Untertiteln, Kinostart: 3. November 2016.
Die Geschichte der Familie Oz ist eine europäische Geschichte - auch wenn sie im Nahen Osten, in Jerusalem, spielt. Ihr Vater Amos Oz hat daraus die Biografie eines ganzen Landes gemacht. Der Roman "Eine Geschichte von Liebe und Finsternis" ist seit seiner Veröffentlichung im Jahre 2004 das erfolgreichste israelische Buch aller Zeiten. In dem Land gibt es nur wenige Menschen, die dieses autobiografische Buch nicht gelesen haben, denn es erzählt die Geschichte vieler israelischer Familien: Es handelt von Aufbruch und Ankommen, Traum und Enttäuschung, Ende und Neuanfang. Und davon, wie wichtig es ist, eine gemeinsame Sprache zu finden.
"Gerade die Sprache hat mich bei der Geschichte gereizt. Dass die Sakralsprache Hebräisch wieder zu einer lebenden, gesprochenen Sprache geworden ist, zählt für mich zu Israels eindrucksvollsten Errungenschaften."
Natalie Portmam
Die israelisch-amerikanische Schauspielerin Natalie Portman hat das Buch nun verfilmt. Sie übernahm darin selbst die Rolle von Fania Oz-Salzbergers labiler Großmutter Fania Klausner. Ab 3. November 2016 wird er in den deutschen Kinos - erstmals auf Hebräisch mit deutschen Untertiteln - zu sehen sein.
"In dem Film geht es darum, wie wir daheim von einem fernen, besseren Ort träumen - und wir wir dann unsere Heimat verklären, wenn wir diesen Ort erreicht haben."
Natalie Portman
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Adrian Perez, Sonntag, 09.Oktober 2016, 03:45 Uhr
1. Israel hat auch von Europa gelernt
Genauer gesagt hat Israel von Deutschland gelernt, also das mit dem Lebensraum bekommen, die machen das sogar besser als wir!