Deutsches Gehörlosentheater „Der Diener zweier Herren“
Das Deutsche Gehörlosen-Theater (DGT) hat sich mit seiner neuen Produktion an ein 200 Jahre altes Stück gewagt: „Der Diener zweier Herren“ von Carlo Goldoni. Eine bis heute oft aufgeführte Komödie. Gerade war Premiere in München. „Sehen statt Hören“ hat das Ensemble bereits in den Proben begleitet.
Für die Rollenbesetzung hat das DGT erstmals öffentlich bundesweit ausgeschrieben. Beim DGT gingen zahlreiche Bewerbungen ein. Alle Kandidaten wurden zu einem Wochenend-Workshop eingeladen und konnten zeigen, was sie können. Daraufhin erfolgte die Auswahl und Rollenvergabe.
Insgesamt zehn Schauspieler sind dabei. Für die meisten ist es die erste Produktion mit dem Deutschen Gehörlosentheater. Profis, Laien und Debütanten bilden eine bunte Truppe. Die letzten drei Wochen vor der Premiere haben alle durchgängig geprobt, sich keinen freien Tag gegönnt. Anstrengend? Ja. Aber auch richtig toll.
Warum seid ihr mit dabei?
Rosemarie Walter
„Mir liegt das Theaterspielen schon von klein auf im Blut. Beim Spielen auf der Bühne fühle ich mich frei: Da kann ich machen was ich will. Aus mir herausgehen und mit der Mimik spielen. Freude, Ärger und alle Gefühle zeigen.“
Athina Lange
„Letztes Jahr habe ich meine Schauspielausbildung abgeschlossen und bin nach Berlin gezogen. Dann war es erstmal still. Ich hatte eine lange Zeit keinen Kontakt mehr mit Gehörlosen und auch nicht mit Gebärdensprache. Und dann habe ich das Video von Okan gesehen, dass das Deutsche Gehörlosentheater Schauspieler sucht und mich daraufhin beworben. [...] Das hat mich schon lange gereizt. Mich interessierte die Arbeit in einer reinen Gehörlosengruppe und nur mit Gebärdensprache zu spielen.“
Eyk Kauly
„Hier, wo alle taub sind, war ich gespannt, wie sich das auf das System, die Probenprozesse auswirkt. [...] Also bei der Arbeit mit Hörenden sind die Bewegungen und der Körperausdruck wichtig. Bei den Gehörlosen liegt der Schwerpunkt auf der Gebärdensprache und dass wir unseren Text so rüberbringen, dass alle Zuschauer verstehen. Man darf nicht am Publikum „vorbei“ spielen – für mich heißt das: größer zu gebärden.“
Anne Zander
„Für mich ist das irgendwie ein neuer Lebensabschnitt. Ich wusste vorher gar nichts davon, dass es so ein Theater für Gehörlose, mit Gebärdensprache gibt. Bei dem Stück „Taube Zeitmaschine“ habe ich mit Hörenden und Gehörlosen zusammengearbeitet. Jetzt habe ich die Arbeit mit Gebärdensprache „pur“ erlebt, ich konnte alles verstehen, hab viel beobachtet und bei den Textproben mitgeholfen. Das hat mir viel Freude gemacht.“
Jan Kress
Mit 18 Jahren hatte ich schon mal überlegt, mich auch beim Deutschen Gehörlosentheater zu bewerben. Das habe ich aber immer vor mir hergeschoben und nicht gemacht. Ich war dann in anderen Gruppen unterwegs, zum Beispiel bei „BodySLANGuage“ als Tänzer und Performer. Aber das war meistens mit hörenden oder auch gemischt hörend-gehörlosen Gruppen, das hat mir auch gefallen. [...]Ich hab mich sehr gefreut, dass ich angenommen wurde und dass ich damit zum ersten Mal in einer Gehörlosen-Theatergruppe spielen darf.“
Eine besondere Herausforderung war, das Stück originalgetreu in DGS zu übertragen. Für die Macher war klar, dass sie die sprachlichen Besonderheiten herausarbeiten wollten. Aber wie gebärdet man zum Beispiel „mausetot“?
Zum Stück „Der Diener zweier Herren“ von Carlo Goldoni
In was für eine verzwickte Lage hat sich Truffaldino gebracht! Da ist er sogar noch in den Dienst eines zweiten Herrn getreten, um sich endlich einmal richtig satt essen zu können. Doch ihm fehlt die Zeit. Er wird mit Aufträgen hin- und hergeschickt. Sein erster "Herr" ist Beatrice Rasponi, die unter dem Namen und in der Verkleidung ihres Bruders Federigo reist. Sie ist auf der Suche nach ihrem Geliebten Florindo. Er soll Federigo in einem Streit getötet haben und ist nun in Venedig auf der Flucht. Ausgerechnet Florindo wird Truffaldinos zweiter Herr! Zu allem Überfluss kommt noch dazu, dass beide im gleichen Gasthaus übernachten! Als „Diener zweier Herren“ muss sich Truffaldino Lügen ausdenken, um Beatrice und Florindo glauben zu lassen, er diene jedem von ihnen allein ... (Quelle: Deutsches Gehörlosentheater)
Okan Seese – künstlerische Leitung
Der künstlerische Leiter der Truppe ist erneut Okan Seese. Ein halbes Jahr hat er mit seinem Team an dem Stück gearbeitet. Und dabei einige ganz besondere Akzente für Ausstattung und Kostüm gesetzt.
Für jede Rolle gibt es ein besonderes Konzept. Besonders auffällig sind dabei die Perücken. Sie sind außergewöhnlich, groß und ausladend. Und besonders schwer. Eine echte Herausforderung für die Schauspieler.
Individuell sind auch die handgefertigten Schuhe für jede Rolle. Und für hörende Zuschauer gibt es auch eine akustische Markierung: Jede Rolle hat ihre eigene musikalische Stimme…
Die Sprache des Stücks
Das Stück ist gute 200 Jahre alt – und so ist auch die Sprache, in der es geschrieben ist: völlig veraltet. Heute spricht niemand mehr so „geschwollen“. Genau diese „Hochsprache“ macht den Reiz und Witz des Stückes aus. Ein einfaches „herunterbrechen“ in zeitgemäße Sprache kam für die Verantwortlichen daher nicht in Frage. Es war für Elisabeth Kaufmann aus dem DGT-Vorstand also eine große Aufgabe. Damit alle Zuseher auch den im Original belassenen Passagen folgen können, haben sich die Macher für zusätzliche Obertitel entschieden.
Zoe Xanthopoulou - Regie
Regie führt zum ersten Mal eine Hörende: Das Deutsche Gehörlosentheater engagierte Zoe Xanthopoulou aus Griechenland.
"Es war eine großartige Erfahrung und sehr kreativ. Die Wahrheit ist, dass ich am Anfang etwas nervös war, da ich nicht wusste, wie schnell es mit der Verständigung klappen würde. Aber mir war klar, dass wir es schaffen, weil im Theater eine einheitliche Sprache existiert, die uns eine Verständigung ermöglicht."
Zoe Xanthopoulou
Das Fazit: Das Gehörlosen-Theater hat mit „Diener zweier Herren“ viel Neues ausprobiert und gewagt. Der Aufwand und das persönliche Engagement aller Beteiligten haben sich gelohnt: Die Premiere war ein voller Erfolg.
Jetzt wird das Deutsche Gehörlosentheater mit seinem Ensemble auf Tournee gehen und in 16 Städten mit dem neuen Stück auftreten.