Geheime Facebook-Gruppen So werden AfD-Anhänger aufgehetzt
Die Satirepartei "Die PARTEI“ hat mehr als 30 Facebook-Gruppen von AfD-Sympathisanten übernommen und öffentlich zugänglich gemacht. Es zeigt, wie systematisch gehetzt wird.
Es ist ein Riesencoup, der der Spaßpartei um den Künstler Shahak Shapira und den Satiriker Martin Sonneborn da offenbar gelungen ist. 31 geheime AfD-nahe Gruppen auf Facebook haben sie gekapert, frei geschaltet und dadurch sichtbar gemacht, wie hinter den Kulissen der sozialen Netzwerke Stimmung gemacht wird.
Infiltriert und öffentlich gemacht
Der Satiriker, Mitglied des Europäischen Parlamentes und Bundesvorsitzende der Partei "Die PARTEI", Martin Sonneborn
Dazu infiltrierten sie nach eigenen Angaben seit November letzten Jahres systematisch AfD-Fangruppen. Laut Rädelsführer Shapira hatten sich Unterstützer als Rechte und AfD-Sympathisanten ausgegeben und sich so das Vertrauen der Administratoren erschlichen. Nach und nach bekamen sie so mehr Einsicht und Einfluss, wurden selbst Admins. Nach der feindlichen Übernahme stellte "Die PARTEI“ die Gruppen von geheim auf öffentlich. Jeder kann nun sehen, wer potenzielle AfD-Anhänger sind, mit wem sie sympathisieren, was sie posten und liken.
NPD und Identitäre Bewegung
In der ehemaligen Gruppe "Wir wählen die AfD!“ (jetzt umbenannt in "Wir wählen Die PARTEI!") tauchen häufig Posts der NPD auf. Zahlreiche Beiträge der verschiedenen Landesverbände werden in der Gruppe geteilt. Meist finden über diesen Weg Artikel von einschlägigen Fake-News-Seiten wie Epochtimes, Anonymousnews.ru oder RT Deutsch ihren Weg in die Timelines der AfD-Basis.
Auch die vom Verfassungsschutz wegen Rechtsextremismus beobachtete Identitäre Bewegung (IB) ist vertreten. Geteilt werden Fotos von deren Protestaktionen. In der Gruppe "Heimat-Liebe“ (jetzt umbenannt in "Hummus-Liebe“) kommt mit Robert Timm, Regionalleiter der IB in Berlin-Brandenburg, ein führender Kopf der Bewegung im Interview zu Wort.
Hetze und Fake News
Klickt man sich durch die Gruppen, wird deutlich: die viel diskutierte Filterblase funktioniert. Und sie ist total. Aus dubiosen Blogs und Quellen wird zitiert, was dazu taugt, Stimmung gegen Flüchtlinge, die Regierung, den Islam und die angebliche "Lügenpresse" zu machen. So werden angeblich in Düsseldorf Freiwillige gesucht, die jungen Flüchtlingen das Essen in den fünften Stock tragen, weil die selbst zu faul dazu sind. Der Tenor in ständiger Wiederholung: Flüchtlinge seien Schmarotzer, die zu viel Geld und Aufmerksamkeit bekämen. Dabei seien sie Kriminelle, Vergewaltiger und Terroristen.
"Das sind Affen"
In der Gruppe "Bela B. - Die PARTEI" (vormal "Heimat-Schutz") findet sich zum Beispiel ein gefaktes Youtube-Video, in dem tanzende afrikanische Flüchtlinge als Syrer ausgegeben werden. Dazu heißt es: "Das sind diejenigen, die in Europa zukünftig Rauben, Vergewaltigen und Morden!!!“ Auf dem dubiosen Youtube-Kanal steht "Das sind Affen“ oder "Affen haben mehr Niveau als dieses ekelerregende Gesindel“. In einem anderen Post werden der Islam und seine Anhänger pauschal verunglimpft als "verfassungsfeindlich, geistig zurückgeblieben und kriminell“.
Die große Verschwörung
Das alles mündet nicht selten in der ganz großen Verschwörungstheorie. Die Invasion der Islamisten in Deutschland sei nicht mehr aufzuhalten. Wahlweise wird dies "belegt“ durch erfundene Erkenntnisse des ungarischen Geheimdienstes. Oder der Regierung Merkel und ihrer CDU wird unterstellt, "Bevölkerungsaustausch“ zu betreiben. Außerdem sei Deutschland schon jetzt eine Nogo-Area, in der niemand mehr sicher sei. Sogar die Polizei rate dazu, “sich notfalls misshandeln und sogar töten zu lassen“. Illustriert wird dieser angebliche Kontrollverlust des Staates mit einem Beitrag der Polizei zur Gewaltprävention. Jeder kennt diese Tipps: wird man angegriffen, soll man sich zunächst deeskalierend verhalten. "Helga S." packte eine dramatische Headline darüber - und fertig ist der furchteinflößende Fake.
Feindbild Merkel
Hauptschuldige ist Kanzlerin Merkel. In mehreren Gruppen taucht ein Foto auf mit dem Slogan "Merkel wählen heißt das Leichen zählen?“. Außerdem wird immer wieder zu der Aktion "Merkel wegpfeifen" aufgerufen. Es sei Zeit, gegen die "Willkommenkultur-Kanzlerin, die Deutschland zugrunde richtet" aufzustehen. Auch zu Geld-Spenden wird aufgerufen.
Powerposter
Auffällig ist, es gibt in jeder Gruppe Powerposter. Sie setzen überdurchschnittlich viele Beiträge ab. Wer steckt dahinter? Ein Beispiel: "Andreas E." liked alles von der IB, über die Seiten "Fuck the EU“ und "Du lebst nur, weil töten illegal ist" bis hin zum "Dachverband Deutschland wehrt sich". Er interessiert sich für Waffen, Selbstschutz und die "Patriotische deutsche Kraft". Aber ist er überhaupt echt?
Von Robotern verarscht
Was auffällt: Allzu viele Likes und Shares gibt es nicht. Normalerweise lebt eine Facebook-Gruppe vom Austausch, von Debatten. Nicht so in den von uns gesichteten Accounts. Auch kommentiert wird praktisch nicht. Das legt die Vermutung nahe, dass tatsächlich, wie von der FAZ recherchiert, sehr viele Bots im Einsatz sein könnten. Die Follower würden von Robotern verarscht, sagt Shapira und schildert das Prozedere so: Fake-Accounts versenden Freundschaftsanfragen, laden User in die Gruppen ein. Einmal beigetreten, fluten in die Timelines der Mitglieder fortan AfD-Werbung, Fake News und Hetze. Alle 31 Gruppen seien von nur zwei angeblichen AfD-Mitgliedern administriert und moderiert worden, sagt Shapira.
Gefakte Fakes?
Bayerns AfD-Chef Petr Bystron will mit all dem nichts zu tun haben. "Das sind alles keine von der Partei gegründeten, offiziellen Gruppen", sagte er auf Anfrage von BR24. Zu was sich potenzielle Anhänger zusammenschlössen und was sie dort diskutierten, sei deren Sache. Sollten dort Hitler-Bilder gepostet oder rassistische Äußerungen getätigt worden sein, habe das mit der Partei rein gar nichts zu tun. Außerdem sei auch nicht auszuschließen, dass einige der Gruppen von der "PARTEI“ selbst gegründet wurden, um die AfD und ihre Anhänger vorzuführen. Erfundene Gruppen voll mit Fake-News für eine gefälschte Satire-Aktion der Spaßpartei?
Bystron versucht es auch mit Humor. "Das ist eine witzige, sehr kreative Wahlkampfaktion der "PARTEI“. Großer Klamauk." Schlechte Publicity für die AfD fürchtet er nicht. "Auf den Wahlkampf hat das null Auswirkungen“ , so Bystron. Ganz spurlos geht das Ganze aber nicht an der AfD vorbei. Der Landesverband Baden-Württemberg riet auf seiner offiziellen Facebook-Seite dazu, sofort aus den gekaperten Gruppen auszutreten.