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Kartoffelkäfer Meister der Anpassung

Kartoffelkäfer vermehren sich rasend schnell und können innerhalb kürzester Zeit ganze Felder kahl fressen. Kaum ein Schädling ist so gut dokumentiert - ein Überblick über einen Kampf, der seit mehr als 150 Jahren andauert.

Von: Iris Rietdorf

Stand: 23.06.2017 | Archiv

Kartoffelkäfer | Bild: BR

Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts ist die Kartoffel auch in Europa bedroht. Zunächst war es die Kraut- und Knollenfäule. Aber noch gefährlicher ist der Kartoffelkäfer. Er und seine Larven ernähren sich von den saftigen Blättern der Pflanze. 1811 wurde der Kartoffelkäfer erstmals in Colorado entdeckt - daher auch der Name "Coloradokäfer". 1859 kam es zu einer ersten Massenvermehrung in Nebraska. Stefan Kühne vom Julius-Kühn-Institut in Kleinmachnow südlich von Berlin kennt das Leben und Treiben des Kartoffelkäfers wie kaum ein anderer.

Landung in Frankreich

"Ende des 19. Jahrhunderts hat [der Kartoffelkäfer] mehrfach versucht, bei uns anzulanden über den Ozean mit Dampfern, aber er hat es wirklich erst geschafft in den 20er-Jahren in Frankreich, sich auf 250 Quadratkilometer festzufressen."

Prof. Dr. Stefan Kühne, Julius-Kühn-Institut, Kleinmachnow

Bekämpfung zwischen den Kriegen

Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen konnte der Käfer sich von Bordeaux aus in alle Himmelsrichtungen ausbreiten. In Deutschland koordinierte die Biologische Reichsanstalt ab 1925 die Abwehr des Schädlings. Spätestens die Kartoffelkäferfibel aus dem Jahr 1941 sollte Bevölkerung und Landwirte über Herkunft, Verbreitung und Lebensweise des gefräßigen Käfers aufklären. Obwohl es schon seit 1937 das erste Pflanzenschutzgesetz in Deutschland gibt, mit dem eine staatliche Bekämpfung des Kartoffelkäfers möglich wird, ist ihm kaum beizukommen. Freiwillige suchten daher die Felder nach dem Schädling ab. Später wurde das Gift Kalk-Arsen eingesetzt - doch den Kartoffelkäfer rottet es nicht aus.

"Die Kartoffel war in der Nachkriegszeit das Hauptlebensmittel. Die Leute hatten nichts zu essen und deshalb war die Bedrohung durch den Käfer ganz dramatisch. Er hat die Kartoffelpflanze zerfressen, und damit war der Kartoffelkäfer nicht nur eine Bedrohung für die Menschen und für die Pflanzen selbst, sondern eben auch für den Staat."

Prof. Dr. Stefan Kühne

Verschwörungstheorien im Osten

Der Kartoffelkäfer: Von den Amis geschickt - behauptete jedenfalls die DDR-Staatspropaganda.

Besonders die DDR litt unter der Kartoffelkäferplage, Pestizide waren Mangelware. Die DDR-Regierung weiß sich nicht mehr zu helfen: Sie prangert den Klassenfeind an, den imperialistischen Westen, und streut das abenteuerliche Gerücht, der "Ami-Käfer" würde von US-Fliegern gezielt eingeschleppt - wobei Hitler im Zweiten Weltkrieg tatsächlich Pläne verfolgte, den Käfer über England abzuwerfen. Dazu kam es jedoch nicht, sodass England bis dato frei von Kartoffelkäfern ist.

Wissenswertes zur Kartoffel:

Einst war sie lediglich ein attraktives Mitbringsel der spanischen Eroberer, inzwischen ist sie jedoch als Grundnahrungsmittel nicht mehr wegzudenken: Die Kartoffel. Sie ist inzwischen eines der wichtigsten Nahrungsmittel der Welt, daneben ist sie aber auch Futtermittel und Industrierohstoff. Weltweit werden jährlich etwa 300 Millionen Tonnen Kartoffeln geerntet. In Deutschland nahm die Anbaufläche in den vergangenen Jahren stark ab, die Erntemenge liegt seit Jahren zwischen 10 und 11 Millionen Tonnen. Deutschland ist nicht zuletzt deswegen wichtigstes Importland für Frühkartoffeln, die überwiegend aus Frankreich, Italien und Ägypten importiert werden. Andererseits gilt Deutschland wiederum als wichtiges Exportland für verarbeitete Kartoffelprodukte.

Bekämpfung in den Nachkriegsjahren

Was jedoch war tatsächlich die Ursache für die große Plage in den 40er- und 50er-Jahren? Schon damals zeigte sich: Wenn sich zu viele Käfer auf engem Raum tummeln, dann fangen sie an zu fliegen und können sich auch bis in Stadtgebiete hinein ausbreiten. Auf dem Festland gelang es schließlich in den Nachkriegsjahren, mit dem chemischen Bekämpfungsmittel DDT die Kartoffelkäfer-Plage einzudämmen. Doch der Käfer entwickelte Resistenzen. In den 70er-Jahren setzten Pflanzenschützer auf eine synthetische Nachbildung des natürlichen Insektengifts der Chrysanthemen. Doch auch dessen Erfolg ließ bald nach.

Wirkstoffe regelmäßig wechseln

"Der Kartoffelkäfer ist ein Meister der Anpassung. Innerhalb kurzer Zeit ist er in der Lage, gegen die Pflanzenschutzmittel resistent zu werden. Und deshalb ist es wichtig, dass wir die Wirkstoffe immer wechseln können und natürlich den richtigen Spritzzeitpunkt zu finden. Die ausgewachsenen Käfer sind ziemlich unempfindlich. Aber die Junglarven sind noch die empfindlichen Stadien und die müssen wir treffen."

Prof. Dr. Stefan Kühne

Bakterien und biologische Waffen

Bekämpfung mit Insektiziden

In konventionell wirtschaftenden Betrieben kann der Schädling derzeit mit Insektiziden ausreichend bekämpft werden. Wird zum richtigen Zeitpunkt gespritzt, reicht eine einmalige Behandlung. Als Schadschwelle gelten 15 Larven pro Pflanze in Befallsnestern beziehungsweise 20 Prozent Blattverlust.
Als Insektizid werden aktuell vor allem sogenannte Neonikotinoide verwendet. Sie sind am wirksamsten gegen den Kartoffelkäfer. Diese Neonikotinoide stehen jedoch im Verdacht, bienengefährlich zu sein. Demnächst fällt in Brüssel die Entscheidung, ob sie EU-weit verboten werden. Für die Kartoffelbauern wäre das äußerst problematisch.

Besonders die heutige Landwirtschaft mit ihrem großflächigen Anbau, auch von Kartoffelpflanzen, bietet dem Käfer ideale Voraussetzungen. Warme Winter leisten zudem Vorschub. Deshalb setzt man mittlerweile auf biologische Waffen im Kampf gegen den Käfer. Bakterien oder deren Fermentationsprodukte sind solch effektive biologische Waffen. Vor allem aber der Samen des tropischen Neembaumes scheint für den Forscher ein äußerst wirkungsvolles Mittel zu sein, um dem Käfer im Augenblick beizukommen. Hat die Wissenschaft also endlich nach mehr als 150 Jahren einen Weg gefunden, den Kartoffelkäfer und seine gefräßigen Larven erfolgreich zu bekämpfen? Denn wenn der Schädling im konventionellen Kartoffelanbau nicht mehr ausreichend bekämpft werden kann, steigt die Population stark an und darunter leiden dann ganz besonders die Ökoflächen

"Wir tricksen den Kartoffelkäfer nicht aus. Er hat so viele Strategien, sich gegen alle möglichen Gifte zu wehren, und er wird uns auch noch in 100 Jahren beschäftigen und irgendein Wissenschaftler wird sich auch in Zukunft immer mit der Regulierung dieses Tieres beschäftigen müssen."

Prof. Dr. Stefan Kühne

Fruchtfolge beachten

Der Landwirt muss also im Kampf gegen den Kartoffelkäfer nach wie vor die Fruchtfolge beachten. Zusätzlich verschaffen ihm frühe Kartoffelsorten einen Wachstumsvorsprung. Und ein sorgsamer Umgang mit Pflanzenschutzmitteln vermeidet Resistenzen. Nur so können seine Kartoffelpflanzen überleben.

Die Situation derzeit in Bayern

Käferweibchen legen bis zu 600 Eier. Schon nach 3 bis 12 Tagen schlüpfen die Larven, die in 4 Reifestadien die Kartoffelpflanzen fressen.

Die Kartoffelkäferpopulation ist in diesem Jahr in Bayern auf deutlich höherem Niveau als in den Vorjahren. Auch sind die Tiere in der Entwicklung weiter als sonst üblich. Bei länger anhaltender trockener und heißer Witterung wird es heuer voraussichtlich eine zweite Generation geben. In normalen Jahren ist in Bayern nur eine Generation üblich. In den USA, zum Beispiel in Colorado, wo der Käfer ursprünglich herkommt, gibt es bis zu drei Generationen pro Jahr.
Ob in Bayern die zweite Generation ein Problem wird, ist noch fraglich. Frühreife Sorten sind dann wahrscheinlich schon geerntet. Aber für spätreife Sorten könnten die Larven der zweiten Generation gefährlich werden.

Kontakte und Links:

Julius-Kühn-Institut (JKI)
Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen
Institut für Strategien und Folgenabschätzung
Stahnsdorfer Damm 81, 14532 Kleinmachnow
Telefon: 033203 / 48-0


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