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Killen McNeill Am Strom

Der gebürtige Nordire Killen McNeill bereichert seit Jahren die fränkische Literaturszene. Sein erster auf Deutsch geschriebener Roman "Am Strom" dreht sich um die Ideale der Jugend und was aus ihnen im Lauf der Zeit wird.

Von: Dirk Kruse

Stand: 30.06.2015 | Archiv

Roman "Am Strom" von Killen McNeill | Bild: Ars Vivendi, Foto: BR-Studio Franken

Wo sind sie hin die Ideale der Jugend? Warum begibt man sich immer wieder auf die Suche nach der wahren Liebe? Und wie schafft man es mit all diesen Widersprüchen in Würde zu altern? Das sind die großen Lebensfragen, die Killen McNeill in seinem Roman "Am Strom" ebenso tiefgründig wie humorvoll behandelt.

"Es geht um die Frage: Was bleibt übrig von den ganzen Hoffnungen, die man als 18-Jähriger hat. Dass man die große Liebe, das große Glück, eine intakte Ehe, wohlgeratene Kinder und einen erfüllenden Beruf haben wird. Dass das nicht so kommen wird, dass kann jeder 60-Jährige jedem 18-Jährigen sagen. Das ist ganz klar. Nur wieviel davon bleibt. Darum geht es."

Killen McNeill

Der erste Teil des fünfteiligen Romans spielt 1968 in Kehlheim. Vier Abiturienten, der tonangebende Jens, die prinzipientreue Else, der stille Erwin und der lockere Ich-Erzähler Jelly, verbindet das gemeinsame politische Engagement bei der Linken Schülerfront. Beim Campen auf der Donauinsel schmiedet das Quartett am Lagerfeuer Zukunftspläne, doch kurz darauf ertrinkt Jens auf ungeklärte Weise im Fluss. 1968, da war der Autor Killen McNeill gerade 15 und lebte in Nordirland.

"Mich hat als Ausländer diese Sache mit den 68ern in Deutschland immer fasziniert. Zwar war das vor meiner Zeit. So alt bin ich nicht. Aber das war so eine prägende Generation in Deutschland. Und mich hat erstens interessiert, was aus diesen Menschen geworden ist. Damit wollte ich mich befassen. Zweitens war der Roman zuerst kriminalistischer angelegt. Davon ist nur noch ein bisschen was übriggeblieben. Letztendlich ist es doch die Geschichte eines Lebens geworden."

Killen McNeill

Buchtipp Killen McNeill Am Strom

Der zweite und der vierte Teil des Romans schildert Jellys Leben im Jahr 2010 in der fiktiven Kleinstadt Weingartshausen im Nürnberger Land. Else und Jelly sind verheiratet, ihre Kinder sind längst ausgezogen. Während Else erfolgreich als Lehrerin arbeitet, ist die Karriere von Jelly als Journalist gescheitert. Er schlägt sich im Tourismusbüro mit einer nervigen Chefin herum und soll dem aus dem Ort stammenden Flugpionier Heinrich Kühlwein, der an Gustav Weißkopf aus Leutershausen erinnert, ein Museum einrichten und ein Musical organisieren, was zu skurril komischen Momenten führt. Denn Killen McNeill, der in Scheinfeld als Englischlehrer lebt und nebenbei noch fränkisches Kabarett macht, ist ein süffisanter Kritiker von Zeiterscheinungen, die er durch die Brille des Humors abmildert. Etwa wenn er eine todschicke Vinothek in Weingartshausen beschreibt.

"Schoppen war gestern. (...) Wir aber sind in der Enoteca Franconia, in einer postmodernen architektonischen Landschaft aus Schiefer, Glas, Metall und dunklem Holz. Es ist wie immer, wenn man etwas anders eingerichtet sein will. Hier gibt es Spritzer aus Designerflaschen in riesigen Gläsern, und wer nach Eichstrichen fragt, hat in diesem Lokal nichts zu suchen. (...) Künstler stellen hier in der Reihe WeingARTshausen aus, diesen Monat hängen riesige Acrylbilder von Frau Doktor Marie-Luise Schablitzky, der Frau des Zahnarztes, herum. Es sind vermutlich Blumen, oder Stimmungen, eventuell auch Pizzabeläge."

Aus dem Roman 'Am Strom'

Der Roman punktet nicht nur durch Komik. Killen McNeill behandelt seinen Stoff ernsthaft und einfühlsam. Es gelingt ihm mühelos, Schauplätze und Atmosphären heraufzubeschwören. Sei es die aufständische Abifeier 1968 in Kehlheim, die Arbeit in einer verqualmten Lokalredaktion 1980 in Kitzingen oder die heimlichen Stelldicheins des zur Untreue neigenden Schlawiners Jelly 2010 in der Fränkischen Schweiz.

"Franken ist eigentlich der Grund, warum ich auf Deutsch schreibe. Denn es sind diese ganzen Begebenheiten hier, die mich als Ausländer faszinieren. Es gibt so viele Facetten des Lebens in Franken, die ich als Ire nicht kannte. Zum Beispiel etwas ganz Banales wie eine Schlachtschüssel. Dass in der Früh eine Sau geschlachtet wird und abends isst man das dann im Wirtshaus, das finde ich faszinierend. So etwas gibt es in Irland und Großbritannien nicht. Oder auch Kirchweih. Oder als eher negatives Beispiel Fasching, womit ich nichts anfangen kann. Aber wiederum der fränkische Fasching in Veitshöchheim der ist ja absolute Spitze."

Killen McNeill

Der Autor: Killen McNeill im Interview

"Am Strom" glänzt mit fränkischem Lokalkolorit, doch ist es nicht aufdringlich, sondern ganz organisch mit eingeflossen. Was Killen McNeill zu erzählen hat, geht jeden etwas an, der sich über seinen eigenen Lebensweg Gedanken macht. Und dass der seit über 40 Jahren in Franken lebende Nordire diesen auch sprachlich beachtenswerten Roman nicht auf Englisch, sondern erstmals auf Deutsch geschrieben hat, nötigt einem besonderen Respekt ab. Ein gutes, unterhaltsames und lebensweises Buch.

Info & Bewertung

Wertung: 5 Frankenrechen von 5 | Bild: BR

Killen McNeill: Am Strom. Roman, Cadolzburg 2015, Ars Vivendi Verlag, 296 Seiten, 18,90 Euro, ISBN 978-3- 869135007


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