Tagebuch der Gerichtsreporter Der 45. Verhandlungstag
An Verhandlungstag 45 hat sich erneut bestätigt: Im NSU-Prozess empfiehlt es sich immer bis zum Schluss im Saal zu bleiben und zu zuhören. Richter Manfred Götzl teilte noch mit: das Bundeskriminalamt bearbeite einen Teil der Überwachungsvideos vor dem Sprengstoffanschlag in der Kölner Keupstr. technisch nach.
10. Oktober
Donnerstag, 10. Oktober 2013
Der Grund: Zu sehen ist offenbar eine Passantin bei der man an eine gewisse Ähnlichkeit mit Beate Zschäpe denken kann. Durchbruch? Zschäpe schwer belastet? Vorsicht! Das Gericht muss jedem noch so kleinen Hinweis unbedingt nachgehen und will sich natürlich auch nicht vorwerfen lassen etwas Wichtiges nicht berücksichtigt zu haben. Mit hoher Wahrscheinlichkeit zeigen die Aufnahmen aus Köln nicht Beate Zschäpe.
Drei Personen im Mittelpunkt
Im Mittelpunkt dieses Verhandlungstages standen drei Personen: der Angeklagte Carsten S. und die Wohlleben-Verteidiger Nicole Schneiders und Olaf Klemke. Der Ex-Neonazi Carsten S. hatte Wohlleben schwer belastet, ihn als Drahtzieher der Unterstützung der untergetauchten Neonazis Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe und als Auftraggeber bei der Beschaffung der Ceska-Pistole beschrieben. Mit dieser Waffe wurden nach Ansicht der Ermittler neun der zehn NSU-Morde begangen. Monatelang hatte sich Carsten S. geweigert Fragen der Wohlleben-Verteidiger zu beantworten. Nun stellte er sich Klemke und Schneiders und die befragten ihn intensiv. Das Ergebnis: Carsten S. blieb bei seinen Angaben vom Prozessbeginn, er antwortete konzentriert, schien ernsthaft um erschöpfende Auskünfte bemüht und er wirkte vollkommen glaubhaft. In Widersprüche verstrickte er sich nicht. Für die Wohlleben-Verteidiger blieb das Frage-Antwort-Spiel ohne Erfolgserlebnis.
Erinnerungslücken beim Angeklagten
Ihr Ziel war ganz offenbar die Glaubwürdigkeit des Hauptbelastungszeugen gegen Wohlleben zu erschüttern, in dem möglichst oft offenkundig wird, dass Carsten S. Erinnerungslücken hat und Details nicht mehr weiß. Das wurde auch deutlich aber ist der Zeuge weniger glaubhaft weil er nach 13 Jahren zum Beispiel nicht mehr genau weiß wieviel Schuss Munition er mit der Ceska-Pistole an Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt übergab oder ob das Tuch in das die Waffe verpackt war nun eingeschlagen oder verknotet war? Nein. Das Carsten S. nicht mehr alles bis ins kleinste Detail weiß ist nachvollziehbar und er erklärt das ja auch damit dass er seine Erinnerungen mühsam rekonstruieren musste.
Erkenntnisse lieferte die Befragung eher über den politischen Hintergrund von Wohlleben-Anwalt Olaf Klemke. Der Verteidiger des Ex-NPD-Funktionärs erwähnte in einer Frage auch die Schwester von Carsten S. und sagte dann, diese habe einen Sohn dessen Vater nicht gerade reinen deutschen Blutes sei. Der Mann ist aus Ghana.