123. Verhandlungstag, 3.7.2014 Punktsieg für die Zschäpe-Verteidiger
123. Verhandlungstag im NSU-Prozess: Die Verteidigung der Hauptangeklagten moniert Voreingenommenheit der Ermittler bei der Vernehmung eines mutmaßlichen NSU-Helfers, das könne Zschäpe belasten. Das Gericht kommt dieser Kritik teilweise entgegen.
03. Juli
Donnerstag, 03. Juli 2014
Zeugin 1 macht von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch. Jacqueline Wohlleben, 33 Jahre alt, ist die Ehefrau von Ralf Wohlleben, dem wohl wichtigsten Unterstützer des NSU. Ehefrau Jacqueline verlässt bereits nach einer Minute wieder den Zeugenstand. Sie geht auf ihren Mann zu, umarmt und küsst ihn, und setzt sich dann zu ihm auf die Anklagebank. Bis zum Nachmittag wird sie von hier aus den Prozess verfolgen und mit ihrem Mann lange Händchen halten.
Zeuge 2 ist ein Kriminalbeamter aus Rosenheim. Christoph G. hat im Jahr 2012 einen anderen mutmaßlichen Helfer des NSU vernommen, den ehemaligen Neonazi Thomas S. Der gehörte bis Ende der 1990er-Jahre zum engsten Unterstützerkreis des NSU-Trios und war auch mal mit Zschäpe liiert.
Der Vorsitzende Richter Götzl befragt den Zeugen G. zu diesen zwei Vernehmungen. Es ging um die Beteiligung von S. an der Wohnungssuche für das untergetauchte NSU-Trio im Jahr 1998.
Zschäpe-Verteidigung: Fragen nicht differenziert
Die Zschäpe-Verteidiger beobachten die Befragung aufmerksam, dann gehen sie in die Offensive, versuchen, für ihre Mandantin etwas herauszuholen: Verteidiger Stahl beschwert sich, wie ein roter Faden zögen sich Suggestivfragen durch die Vernehmungen von 2012. Die Polizeibeamten seien voreingenommen gewesen und hätten überhaupt nicht zwischen den einzelnen Mitgliedern des NSU, insbesondere Frau Zschäpe, differenziert, sondern immer nur vom "Trio" gesprochen.
Der Polizeibeamte versucht, sich zu rechtfertigen: es sei immer um Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe gegangen. Deswegen sei klar gewesen, dass über die drei geredet wurde, wenn das Wort "Trio" benutzt wurde.
Zschäpe-Verteidiger Stahl fragt: Warum wurde nicht dezidiert nach der Haltung von Frau Zschäpe gefragt? Nun räumt der Rosenheimer Vernehmungsbeamte G. ein: zuständig für die Fragen zur Ideologie der NSU-Mitglieder sei Kollege E. vom Staatsschutz gewesen. Aus heutiger Sicht seien dessen Fragen viel zu wenig differenziert gewesen.
Tatsächlich zeigt die Befragung des ehemaligen NSU-Unterstützers S. deutliche Schwachstellen. Viel zu ungenau und pauschal haben die Beamten gefragt. Sie haben Worthülsen vom "gemeinsamen" Handeln des "Trios" übernommen und nicht überprüft, ob Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe eventuell unterschiedliche Rollen und Zuständigkeiten hatten.
Nebenklage: präzise Antworten
Es ist ein kleiner Punktsieg für die Verteidigung: Das Gericht kündigt an, man werde am Ende des Prozesses prüfen, was von der Vernehmung als Beweis verwertbar sei.
Ein Anwalt der Nebenklage bewertet die umstrittenen Vernehmungen allerdings ganz anders: ja, es sei in den Fragen wenig differenziert worden. Aber der Zeuge habe das durch präzise Antworten wettgemacht. Im Endeffekt sei bei den Befragungen klar geworden, wann Zeuge S. zum Beispiel nur Mundlos und wann er alle drei gemeint hat.