172. Verhandlungstag, 17.12.2014 Aus dem Alltag einer NSU-Reporterin
Was ist an diesem Prozess anders als an anderen? Wie sind denn die Arbeitsbedingungen für Journalisten? Und wann ist dieses Verfahren eigentlich zu Ende? Hintergründiges aus dem Saal 101 in der Nymphenburger Straße.
17. Dezember
Mittwoch, 17. Dezember 2014
Beim NSU-Prozess ist alles ein bisschen anders. Ein bisschen? Es geht eigentlich schon vor der Tür des Gerichtsgebäudes los. An das weiße Partyzelt, das die Besucher vor Regen und Wind in der Warteschlange schützt, haben sich längst alle gewöhnt. Nach Aufforderung durch die Justizangestellten begibt man sich dann in eine Welt, aus der Kameras ausgeschlossen sind. Die Sicherheitsschleuse.
Kontrollen am Flughafen sind ein Spaziergang gegen das, was im Erdgeschoss mit allen Prozessbeobachtern passiert. Jeder wird genauestens abgetastet, egal ob es piept oder nicht. Journalisten dürfen ihre Taschen und Computer mitnehmen - aber die Utensilien werden einzeln in die Hand genommen, in jedes Fach des Geldbeutels gelugt und abgewogen, ob sich der Schlüsselbund nicht doch auch als Wurfgeschoss eignen würde. Die Kontrolleure dulden keine Ausnahmen, sind penibel und dabei immer freundlich. Man kennt sich mittlerweile.
Der Trick mit der Steckdose
Immer wieder werde ich gefragt, ob denn die Journalisten wirklich alle 50 Plätze, die für sie bis kurz vor Verhandlungsbeginn reserviert sind, auch brauchen. Nicht immer. Aber oft. Sobald ein wichtiger Zeuge, ein Angehöriger der Angeklagten oder der Opfer, angekündigt sind, wird es auf der Tribüne voll. Rappelvoll.
Das macht sich auch an der Raumluft bemerkbar. Mal ist fast der gesamte Sauerstoff aufgebraucht, im Sommer zeigt die Klimaanlage ihre Tücken, und im Winter braucht die Heizung einen langen Anlauf. Wärme bietet da das Notebook, das direkt auf dem Schoß liegt. Denn, es gibt keine Tische im Zuschauerbereich. Dafür aber Steckdosen. Die Mehrfachstecker sind sehr beliebt und es kommt immer wieder zu ulkigen Szenen, wenn sich die Kollegen und Kolleginnen während der Verhandlung versuchen, unauffällig unter die Stuhlreihen bücken - auf der Suche nach Strom.
"Dann ist die Sitzung geschlossen"
Mit diesen Worten endete der 172. Verhandlungstag. Der letzte in diesem Jahr. Wir lange wird man denn noch im Schnitt dreimal pro Woche zusammenfinden, haben sich heute viele gefragt. Termine hat das Gericht bereits bis Januar 2016 angesetzt. Das heißt aber erstmal nur, dass der Senat den großen Saal 101 bis dahin für das Verfahren reserviert hat und sich alle Prozessbeteiligten frühzeitig auf die Termine einrichten können.
Aber: Richter Götzl muss nicht alle Tage in Anspruch nehmen. Sollten bis zur Sommerpause alle Zeugen verhört und die Beweisanträge abgeschlossen sein, dann könnte im Herbst mit den Plädoyers begonnen werden. Ein wochenlanges Prozedere bei der großen Anzahl von Verteidigern und Nebenklägern. Aber dann wäre ein Urteil tatsächlich "schon" Ende 2015 möglich. Genau wissen kann das aber im Moment niemand.