177. Verhandlungstag, 22.01.2015 Beklemmende Aussagen in beklemmender Enge
Drei Tage sehr eindrücklicher Opferbefragungen sind um. Gezeigt hat sich erneut auch: Aus dem Platzmangel beim NSU-Prozess sollte die Justiz nachhaltige Lehren ziehen.
22. Januar
Donnerstag, 22. Januar 2015
Die Debatte darüber, ob der Verhandlungssaal nun genug oder zu wenig Platz bietet, ähnelt der Diskussion über den Füllungsgrad von Gläsern. Für viele Staatsjuristen ist das Glas halb voll. Die Zuschauertribüne im Saal A 101 des Münchner Strafjustizzentrums sei doch meistens gar nicht komplett besetzt und daher eigentlich groß genug, wird da oft von Richtern und Staatsanwälten argumentiert. Aus ihrer Sicht erübrigt sich damit auch jeder weitere Diskurs über größere Gerichtssäle oder die Übertragung von Bild und Ton einer Verhandlung in weitere Räume.
Jeder Tag mit Warteschlangen ist einer zu viel
Für viele, die regelmäßig auf der Zuschauertribüne sitzen, und auch für mich ist das Glas aber mindestens halb leer. An 177. Tagen wurde nun bereits verhandelt. An besonders interessanten Verhandlungstagen erwies sich der Saal fast immer als zu klein, waren die 101 Plätze für Besucher und Medienvertreter also belegt. Nach den ersten einhundert Verhandlungstagen legte die Justiz Zahlen vor. Fazit damals: Im Schnitt reichte der Platz an jedem fünften Prozesstag nicht aus. Dann bildeten sich vor dem Gerichtsgebäude Warteschlangen. So war es auch in den vergangenen drei Tagen. Bei klirrender Kälte mussten Besucher, teils mehr als eine Stunde, ausharren und darauf warten, dass wieder Plätze frei wurden. Beim NSU-Prozess ist das öffentliche Interesse besonders groß. Das ist gut und wichtig, denn es geht hier auch um gesellschaftliches Versagen. Jeder Tag, an dem dann der Platz nicht reicht, ist eigentlich ein Tag zu viel.
Gesetzgeber ist gefordert
Die Münchner Justiz trägt daran keine Schuld. Sie lässt im größten Saal verhandeln, der zur Verfügung steht und sie bemüht sich die Bedingungen für die Zuhörer, auch für diejenigen, die warten müssen, so erträglich zu machen wie möglich. In diesem Verfahren lässt sich das Problem des Platzmangels nicht mehr lösen und alle Beteiligten müssen mit den schlechten Rahmenbedingungen zu Recht kommen. Der Gesetzgeber sollte aber die richtigen Lehren aus den Erfahrungen von München ziehen. Deutlich größere Gerichtssäle zu bauen, wäre die falsche Antwort. Dann wäre nicht mehr gewährleistet, dass der Vorsitzende Richter das Geschehen im Saal in jeder Situation beherrschen kann. Richtig wäre, das Gerichtsverfassungsgesetz so zu ändern, dass Übertragungen von Bild und Ton aus einem vollen Gerichtssaal in andere Räume möglich werden. Die Politik diskutiert darüber. Zu befürchten ist aber, dass die Debatte im Sande verläuft sobald im NSU-Prozess Urteile gefällt wurden.