NSU-Prozess


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186. Verhandlungstag, 24.02.2015 Neues zum Mordfall Yozgat. Wirklich?

Wusste Hessens Verfassungsschutz vorab vom NSU-Mord in Kassel? Die Aufregung ist groß. Im NSU-Prozess haben sich aber schon häufiger vermeintliche Aufreger als Luftnummern entpuppt.

Von: Tim Aßmann

Stand: 24.02.2015 | Archiv

Tim Aßmann | Bild: BR

24 Februar

Dienstag, 24. Februar 2015

Es ist im Kern ein Satz, auf den sich der aktuelle Verdacht gegen Hessens Verfassungsschützer stützt: "Ich sage ja jedem: Wenn er weiß, dass irgendwo so etwas passiert, bitte nicht vorbeifahren." Das sagte der Geheimschutzbeauftragte des Hessischen Verfassungsschutzes im Telefonat mit Andreas T. Jenem Verfassungsschützer also, der zum Zeitpunkt des Mordes an Halit Yozgat in dessen Internetcafe in Kassel war und von der Tat nichts mitbekommen haben will. Für die Anwälte der Familie Yozgat steht nun fest: Der Satz am Telefon belegt, dass Andreas T. schon vorher von dem Mord wusste. Tatsächlich? Gibt es nicht auch noch einen anderen Erklärungsansatz? Hat der Geheimschutzbeauftragte möglicherweise einfach flapsig drauflos geplappert und von irgendwelchen grundsätzlichen Handlungsanweisungen gesprochen?

Erst Zeugen hören, dann Schlüsse ziehen

Beides ist möglich. Geklärt werden kann die Frage im Prozess, denn mit hoher Wahrscheinlichkeit wird der betreffende Geheimschutzbeauftragte demnächst auf dem Zeugenstuhl sitzen. Diese Befragung erst einmal abzuwarten, bevor man Schlussfolgerungen über eine mögliche Verstrickung des Verfassungsschutzes zieht, wäre ratsam. Das zeigt der bisherige Verlauf des NSU-Prozesses.

Beispiel 40. Verhandlungstag: Es kommt die Zeugin Veronika von A. Ihr Auftritt war mit Spannung erwartet worden. Sie hatte sich bei einer Opferanwältin gemeldet und angegeben, Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt 2006 in Dortmund gesehen zu haben – wenige Tage bevor dort der Kioskbetreiber Mehmet Kubasik erschossen wurde. Diese Aussage wäre enorm wichtig gewesen – wenn sie sich so bewahrheitet hätte. Doch die Zeugin machte widersprüchliche Angaben. Ihre Vernehmung brachte dem Gericht keine belastbaren Informationen. Der Hinweis auf die Zeugin kam übrigens, wie auch jetzt, von den Nebenklagevertretern der Familie Yozgat.

Bouffier auf jeden Fall vernehmen

Unabhängig von der aktuellen Debatte um das Telefonat der Verfassungsschützer wäre es aber richtig, sollte Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier vom Gericht als Zeuge geladen werden, wie es die Anwälte der Yozgats beantragt haben. Durch Bouffiers Entscheidung, damals noch als Innenminister, den Verfassungsschutz nicht zur Kooperation mit der Kasseler Polizei zu zwingen, wurden die Mordermittlungen im Fall Yozgat im Ergebnis behindert. Die Fahnder hatten den Verfassungsschützer Andreas T., der am Tatort war, im Visier und wollten die V-Leute befragen, die von ihm geführt wurden – darunter war auch ein Rechtsextremist. Der Verfassungsschutz mauerte und bekam Rückendeckung vom Innenminister Bouffier, der den Quellenschutz des Nachrichtendienstes über die Suche nach Mördern stellte. Warum er so entschied, wird Volker Bouffier nun möglicherweise auch im NSU-Prozess erklären müssen.


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