NSU-Prozess


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203. Verhandlungstag, 11.05.2015 "Zwei Schüsse, dann war der Spuk vorbei"

Dem NSU-Trio werden neben zehn Morden auch mehrere Überfälle angelastet. Heute wurden Zeugen zu einem Überfall auf eine Lebensmittel- und eine Postfiliale in Chemnitz befragt. Sie ereigneten sich 1998 und 2000.

Von: Mira Barthelmann

Stand: 11.05.2015 | Archiv

NSU-Prozess: Beate Zschäpe und ihr Verteidiger Wolfgang Heer | Bild: picture-alliance/dpa

Die Weihnachtsfeiertage standen kurz bevor. In den Geschäften und Supermärkten war in dieser Zeit besonders viel los. So auch am 18. Dezember 1998 in der Edeka-Filiale in der Irtustker Straße 1 in Chemnitz. Um kurz vor 18 Uhr sammelte die Kassenleiterin K. die Einnahmen in einer Tüte ein, um sie anschließend sicher zu verwahren. Rund 30.000 D-Mark. Doch sie kommt nicht weit.

Zwei Zeuginnen sagten heute Vormittag vor dem Münchner Oberlandesgericht zu jenem Raubüberfall aus, der laut Anklage der erste einer ganzen Serie des mutmaßlichen Trios gewesen sein soll. Beide Frauen haben an jenem Tag an der Kasse gearbeitet. Die eine, W., hatte aus dem Augenwinkel schon einige Zeit einen Mann beobachtet, der an einer Säule lehnte und den Kassenbereich beobachtete. Er soll rund 1,70 Meter groß und etwas kräftiger gebaut gewesen sein. Er trug ein offenes blau-weiß-schwarz kariertes Hemd aus Flanell, darunter ein weißes T-Shirt, eine schwarze Hose und Mütze. An sein Alter kann sich W. nicht mehr genau erinnern. Ihre Kollegin, E., sitzt zu diesem Zeitpunkt am anderen Ende der Kassenreihe und bemerkt plötzlich, dass ihre Chefin K. von einem zweiten Mann mit einer Waffe bedroht wird.

„Überfall!“

Dieser Mann war mit einem schwarzen Mantel bekleidet und trug ein schwarzes Tuch vor dem Gesicht. Er soll die Kassenleiterin K. eine Pistole vor die Brust gehalten und ihr die Tüte mit dem eingesammelten Geld entrissen haben. K. rennt ihm bis zur Tür hinterher. E. ruft über den Lautsprecher: "Überfall!". Darauf seien die Kunden in der Filiale stehen geblieben. Draußen seien dann zwei Schüsse gefallen. Die Einschusslöcher befanden sich an der Wand des Edeka-Marktes. Verletzt wurde zwar niemand. Die Kassenleiterin war allerdings wochenlang krank. Sie litt an psychischen Problemen.

Spuren in der Frühlingsstraße

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Der Großteil der Akten, die über jenen Überfall angefertigt worden waren, sind fristgerecht vernichtet worden. Erst als im Brandschutt in der Zwickauer Frühlingsstraße – dem mutmaßlichen letzten Versteck des NSU – Munitionsteile gefunden worden waren, wurden die Ermittlungen in Chemnitz wieder aufgenommen. Die rekonstruierten Datensätze wurden mit den Spuren in der Frühlingsstraße abgeglichen. Das Ergebnis: Die Hülsen aus Chemnitz und zwei Hülsen aus Zwickau waren aus derselben Waffe gezündet worden. Die zugehörige Waffe konnte allerdings bis heute nicht gefunden werden.


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