204. Verhandlungstag, 12.05.2015 Zschäpe-Verteidigung - taktisch oder vertrackt?
Zwischen den Verteidigern von Beate Zschäpe und der Anklage-Vertretung hat es heute heftig gekracht. Die Bundesanwaltschaft warf den Anwälten der Hauptangeklagten vor, einen Zeugen nicht angemessen behandelt zu haben.
12. Mai
Dienstag, 12. Mai 2015
Wie verlässlich sind eigentlich Zeugenaussagen zu Begebenheiten, die fast zwei Jahrzehnte zurückliegen? Wie viel kann das menschliche Gedächtnis leisten und wo beginnt ein undefinierbarer Graubereich, in dem nur noch Bilder von Situationen aufscheinen, die man nicht mehr genau zuordnen kann?
H. kannte Uwe Mundlos seit der Grundschule. Die beiden waren befreundet. Ihr Kontakt hielt bis kurz vor dem Untertauchen des mutmaßlichen NSU-Trios. Der Zeuge vor dem Oberlandesgericht München zeigte sich aussagewillig. Wenn seine Erinnerungen zu trüb waren, entschuldigte er sich mehrfach dafür. Er selbst will nicht Teil der rechten Szene gewesen sein. Die meisten Informationen hat er offenbar durch seinen Freund Mundlos erhalten. Aber eben nur die meisten. Was hat er also tatsächlich selbst erlebt und was wurde ihm zugetragen? Diese Unterscheidung fällt H. schwer und das gibt er bei seiner Befragung durch den Vorsitzenden Richter Manfred Götzl immer wieder zu.
Dreister Zeuge?
Der Verteidigung von Beate Zschäpe ist das zu wenig. Zu unkonkret. Rechtsanwalt Wolfgang Stahl hakt nach. "Was heißt glauben?" "Woran genau erinnern Sie sich?" Er will zum Beispiel wissen, wie oft H. die Hauptangeklagte Beate Zschäpe gesehen habe. Der Zeuge gibt zu Protokoll, dass er das nicht genau sagen könne. Und ob die Verteidigung denn nun eine genaue Zahl von ihm erwarte. Stahl bejaht dies. "Also, wenn sie eine Zahl hören wollen, dann sage ich jetzt zwischen fünf und 500 Mal." Die Verteidigung ist empört, fordert den Vorsitzenden auf, H. erneut zu belehren und setzt nach: "Eine solche Dreistigkeit habe ich bei einem Zeugen selten erlebt."
"Hier wird mit zweierlei Maß gemessen!"
Die Reaktion der Bundesanwaltschaft ließ nicht lange auf sich warten. Herbert Diemer kritisiert die Kommentare der Verteidigung heftig: "Ich halte die Art und Weise, wie der Verteidiger versucht, den Zeugen runterzumachen, für unmöglich." Und weiter: "Es ist so, dass der Herr Vorsitzende versucht eine Atmosphäre zu schaffen, die es den Zeugen ermöglicht, wahrheitsgemäß auszusagen. Und Sie, Herr Stahl, versuchen das ständig zu torpedieren." Dann schaltet sich der Verteidiger von Ralf Wohlleben, Olaf Klemke, ein und wirft dem Gericht vor, mit zweierlei Maß zu messen: "Wenn hier Zeugen geladen sind, die der rechten Szene zugeordnet werden, dann würde sich das Gericht solche Antworten nicht gefallen lassen." Ein harscher Vorwurf, den der Richter heute zumindest unkommentiert im Raum stehen lässt.